Lyla
Späten Abends trotteten die Pferde völlig erschöpft die Pfade entlang und brachten uns zu einer Waldlichtung, die von Zelten und Feuerstellen besetzt wurde. Hoffnung glimm in mir auf und ich drückte meinen Rücken durch. Es musste unsere Verstärkung sein.
Jason und ich hatten ausgemacht, dass seine Rebellen die meinen am Südhang treffen sollten. Genauer gesagt, am Rande von Luna, einer Stadt nahe der Grenzen zu Rumina und Bredinia. Sie lag in Zumalia und verschaffte uns eintritt in das Feindesland.
"Wir haben es geschafft", erklang neben mir die Stimme von Amalia. Sie klang ebenso erschöpft und ausgelaugt, wie ich mich fühlte. Wir waren beinahe ohne Rast durchgeritten und hatten die Pferde nicht einmal schlapp machen lassen.
Ich brachte Mystery aus einem leichten Trapp in den Schritt und hörte wie er dankend aufseufzte. Er tat mir leid. Es musste bestimmt sehr anstrengend gewesen sein. Und jetzt hatte er sich eine Nacht Pause durchaus verdient.
Ich klopfte ihm seinen Hals und murmelte:" Das hast du gut gemacht mein Junge"
Als wir näher kamen, trat eine Gestalt aus dem Schatten der Bäume und kam auf uns zu. Da es schon beinahe dunkel war, konnte ich sie von weitem nicht erkennen. Doch je näher ich kam, desto mehr sah ich.
Es war eine Frau mit wild gelockten Haaren, die im Licht des Feuers rot aufleuchteten. Es konnte nur eine Frau sein.
"Mistress Roydon", gab Amalia überrascht von sich und sprang von ihrem Pferd ab. Sie rannte auf sie zu - wie eine Verdurstende, die seit Tagen das erste Mal, Wasser sah - und fiel ihr in die Arme.
Ich lächelte schwach. Mistress Roydon, besser bekannt als die rote Zora, war wirklich hier und unterstützte uns bei unserem Vorhaben. Ich konnte es kaum glauben. Damals, als ich vor Matthew geflohen und bei Jason untergekommen war, hatte ich bei ihr meine ersten richtigen Kampfstunden gehabt. Sie hatte mir alles beigebracht, was sich wissen musste und dafür war ich ihr mehr als dankbar.
Auch ich ließ das Pferd zum Stehen kommen und erhob mich aus dem Sattel. Es war ein gutes Gefühl wieder Boden unter den Füßen zu haben. Das stundenlange sitzen hatte meine Beine taub werden lasen, weshalb ich etwas wackelig auf den Beinen war.
Zora löste sich von Amalia und sah zu uns herüber. Als ihr Blick den meinen begegnete, lächelte sie. "Mary, also", gab sie kopfschüttelnd von sich und kam näher. Ich lächelte entschuldigend.
"Ich brauchte damals eine andere Identität, damit mein Ehemann mich nicht fand", gab ich beschämt zu. Sie lächelte und strich Mystery über die Nüstern. Er blähte sie auf und prustete.
"Mädchen, sattelt die Pferde ab und bringt sie zum See", wies sie ihre Truppe auf. Ich hatte mich so auf Zora konzentriert, dass mir gar nicht auffiel, dass sie nicht alleine gekommen war. Etwas ein Dutzend Frauen kamen auf unser Trüppchen zu, griffen den Pferden in die Zügel und nahmen den Reitern das Satteln und tränken der Pferde ab. Auch Mystery wurde von einem Mädchen mitgenommen.
"Ich danke dir, Zora", meinte ich ehrlich und rieb mir müde die Augen. Ich wollte am liebsten direkt schlafen, doch ich wusste, dass ich zunächst wichtigere Dinge zu erledigen hatte. Schließlich gab es noch eine Menge zu besprechen.
"Wir sind nicht nur deinetwegen hier, Lyla. Du musst wissen, dass auch einige unserer Landsleute in Gefangenschaft sind und wir sie befreien wollen. Und das wird uns nur gelingen, wenn wir alle an einem Strang ziehen ", begann sie ernst und führte mich ins Lager.
Die anderen waren schon vor gegangen und wärmten sich am Feuer auf, da es deutlich abgekühlt war. Zudem gab es etwas zu essen und zu trinken.
Zora drückte mich auf einen Platz auf einem großen Baumstamm, der am Feuer lag und setzte sich neben mich. Dann reichte sie mir ein Schale mit einer heißen Brühe. Ich nickte dankend und nahm einen Schluck.
Die Wärme tat unglaublich gut und erweckte meine Gliedmaßen wieder zum Leben. Um uns herum besprachen die Frauen und Mädchen ihre ganz eigenen Pläne für die Zukunft, lachten und tratschten, was das Zeug hielt. Meine Euphorie hielt sich jedoch in Grenzen- schließlich war noch nichts gewonnen.
In der Ferne hörte ich lautes Pferdegetrappel und männliche Stimmen, die sich nicht nach Verbündeten anhörten. Augenblicklich sprang ich auf und ließ die Schale mit einem letzten Schluck Brühe fallen.
"Da ist jemand", sagte ich alarmiert und unterbrach somit das Getuschel. Die Frauen stellten ihre Krüge und Schalen beiseite und griffen nach ihren Waffen. Es war augenblicklich still.
Auch die Männer waren nicht mehr zu hören, weder ihre Stimmen, noch ihre Pferde. Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich sah mich zu allen Seiten um. Da waren die aufgebauten, beigefarbenden Zelte, die uns als Schlafplatz dienten und die Pferde, die am Fluss tranken und auf der Wiese grasten. Doch hinter den Büschen und Bäumen war nichts zu erkennen.
Ich stieg über den Baumstamm, griff nach meinem Bogen und legte einen Pfeil ein.
Vorsichtig schlich ich weiter in Richtung Waldweg, allzeit bereit meinen Angreifer unschädlich zu machen, als plötzlich Pferde den Weg entlang direkt auf unser Lager zu trabten. Ich zögerte keinen Moment, als ich aus dem Gebüsch sprang und mit dem Pfeil auf meinen Gegner richtete.
Ich sah zunächst nur ein Pferd, welches erschrocken stieg und laut wieherte, darauf saß ein Mann. Er trug einen Umhang mit einer Kapuze, weshalb ich ihn nicht erkannte. Mit Mühe versuchte er das Pferd zu beruhigen.
"Freund oder Feind?", fragte ich mit scharfer Stimme und spürte, wie sich die anderen hinter mich versammelten. Sie traten aus dem Gestrüpp und umzingelten die Männer.
"Lyla?", erklang eine mir bekannte Stimme und der Mann vor mir auf dem Pferd, legte seinen Umhang ab. Augenblicklich ließen alle die Waffen nieder - mich eingeschlossen - und beäugten die Neuankömmlinge skeptisch.
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Die Auserwählte
Historical Fiction"Es liegt an dir, Lyla" "Aber wie soll ich mich entscheiden?" "Folge einfach deinem Herzen..." Ein Mädchen vom Land. Ein König und ein Herzog. Lyla liebt sie beide, doch sie kann nur einen wählen. Wie wird ihre Entscheidung bloß ausfallen: Ist es...