Geplagte Geister

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Lyla

Es war unmöglich. Das konnte nicht sein. Träumte ich etwa?

Jason war hier - mit einer Hand voll Männern.

Völlig überrumpelt und gleichzeitig überglücklich, konnte ich mich nicht mehr auf den Beinen halten und wäre beinahe vorn über gekippt, hätte Amalia mich nicht gehalten.

Vor meine Augen tanzten schwarze Punkte und meine Beine fühlten sich so taub und schwach an, dass ich in die Knie ging. Keuchend versuchte ich das Gefühl der Benommenheit loszuwerden, doch es wurde immer schlimmer. Mein Kopf fühlte sich so unendlich schwer an. Ich schloss die Augen und sackte in mich zusammen.

Als ich die Augen aufschlug, war alles um mich herum in schummeriges Licht getaucht. Ich lag auf weichem Fell umhüllt von ein paar Decken, auf meiner Stirn ruhte ein nasses Tuch, was meine Kopfschmerzen linderte. Was war mit mir passiert?

Noch etwas benommen drehte ich meinen Kopf und blickte zu Zora, Jason und Amalia. Sie sprachen leise, aber aufgebracht miteinander und sahen mich nicht an. Erst als ich mich räusperte und merkte wie trocken meine Kehle war, fuhren sie herum.

Mein Blick lag auf Jason, meinem ehemaligen Geliebten, der mich nun besorgt musterte. Ich versuchte ein lächeln, doch es gelang mir nur kläglich.

"Wasser", röchelte ich atemlos und sah flehend zu Amalia und Zora, die mir sofort einen Krug reichten. Ich griff danach und versuchte meinen Kopf langsam anzuheben, um etwas zu trinken. Tatsächlich gelang es mir und ich trank den Krug gierig leer.

"Wie geht es dir?", fragte Jason und setzte sich neben mich. Es war schön, dass er hier war. Ich musste zugeben, er hatte mir durchaus gefehlt.

"Etwas besser", sagte ich wieder etwas klarer und versuchte mich aufzusetzen. Jason stützte mich, was auch dringend erforderlich war, denn ich war noch sehr schwach.

"Was ist mit mir geschehen?" Mir war nicht bewusst, was in meinem Körper vor sich ging. So war ich doch sonst nicht drauf. Erst seit ein paar Wochen schien die Übelkeit und der Schwindel zugenommen zu haben, doch ich hatte mich nie so kraftlos gefühlt. Bahnte sich da etwa eine schwerwiegende Krankheit an? Jetzt, wo wir so kurz vor unserem Ziel waren?

"Du bist einfach zusammen gebrochen", erklärte Amalia und tupfte meine Stirn ab. "Es war unerklärlich aus welchem Grund", ergänzte Jason.

"Vielleicht war es nur der Gefühlsausbruch", meinte ich leichthin und hoffte, sie würden es so hin nehmen. Ich konnte keinen Rückzieher mehr machen, sonst würde Matthew vielleicht sterben und das wäre alles meine Schuld.

Ich würde mich zusammennehmen und unseren Plan dennoch ausführen, ganz gleich, ob ich krank war oder nicht. Es gab wichtigeres, als mein Wohlbefinden.

"Ach ja?", erklang Amalias Stimme misstrauisch, als sie mir eine Brühe reichte. "Und beim letzten Mal war es nur der Stress und davor nur der Schock" Ihre Worte klangen wie ein Vorwurf und die Schärfe in ihrer Stimme ließ mich zurückzucken.

Amalia war doch sonst nicht so.

"He, ganz ruhig", sagte Zora sachte und tätschelte ihre Schulter, sodass Amalia sich etwas beruhigte. "Irgendetwas ist mit dir, Lyla. Und das kannst du nicht mehr auf die leichte Schulter nehmen. Es könnte etwas Ernstes sein. Übelkeit, Schwindel, Erbrechen und Schwächeanfälle. Das können Symptome einer schwerwiegenden Krankheit sein und so wirst du uns keines Falls begleiten"

Es gab einige Dinge, die ich an Amalia mehr als nur schätzte: Zum einen ihre Ehrlichkeit, ihre Beharrlichkeit und ihr eigener Wille und zum anderen ihre Fähigkeit, sich über alle hinwegzusetzen.

Ich wusste, dass sie recht hatte, doch ich konnte mich nicht kampflos zurückziehen - nicht ohne Matthew. Was würde mit ihm geschehen, wenn ich ihn nicht rettete? Was wären wohl seine letzten Gedanken vor seinem Tod.

Ich wüsste, welche die meinen wären: Sie würden von ihm handeln, von unserer Hochzeit, von meiner Familie, meiner Schwester und Jason. Auch er durfte nicht fehlen. All diese Menschen hatten mich zu dem gemacht, der ich jetzt war.

Ich durfte sie nicht im Stich lassen!

"Momentmal", unterbrach Jason meine Gedankengänge. "Übelkeit, Schwäche und Schwindel" Er zählte noch einmal meine Symptome auf und legte die Stirn in Falten. Ich sah in an und fragte mich, was er damit meinte. Wusste er etwa, was mir fehlte?

Ich zog meine Stirn ebenfalls in Falten und sah ihn abwartend an, dass er seine Vermutung aussprach. Doch dann wurden seine Augen ganz groß und er sah mich mit strahlenden Augen an. "Wann ist Matthew aufgebrochen?", fragte er mit einem Lächeln und ich konnte nur verwirrt dreinblicken. Worauf wollte er hinaus?

"Vor ein paar Wochen. Was spielt das für eine Rolle?", entgegnete ich fragend und sah in die Runde.

Auch Zoras und Amalias Gesicht veränderten sich von nachdenklich zu einleuchtend und schlussendlich sahen sie eher überrascht aus . Dann grinsten mich beide an. Ich verstand die Welt nicht mehr. Was war bloß los mit ihnen? Wurden jetzt alle verrückt.

"Lyla, denk doch mal nach", sagte Amalia und stieß mir in die Seite. "Wann hast du das letzte Mal mit Matthew das Bett geteilt?"

Und dann ging mir plötzlich ein Licht auf. "Ich bin schwanger", keuchte ich fassungslos und legte meine Hände auf meinen Bauch. Es war noch nichts zu spüren oder zu erkennen, aber ich wusste, dass es der Wahrheit entsprach. Ständig hatte ich mich unwohl gefühlt oder süßes in Massen herunter geschlungen, was sonst so gar nicht meinen Essgewohnheiten entsprach.

Mir huschte ein Lächeln über das Gesicht und ich fiel Amalia und Jason in die Arme.

"Ich bin schwanger", wiederholte ich noch einmal überglücklich.

Ich trug Matthews Kind unter dem Herzen.

Es war Gottes Geschenk.

Gottes Wille erfüllte sich nun endlich. Matthew und ich würden ein Kind bekommen. Ich würde ihn retten und ihm davon zu aller erst erzählen, dann konnten wir endlich glücklich sein und dieses Glück bis an unser Lebensende genießen, so Gott es wolle.

Wer hätte das gedacht?

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