Kapitel 4

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Clary setzte sich neben mich, aber irgendwie war die Situation komisch angespannt. "Wie geht es dir?", fragte sie mich. "Eigentlich ganz gut. Ich genieße die Ferien und bei dir so? Haben uns immerhin schon eine etwas längere Zeit nicht mehr gesprochen", antwortete ich. "Zu Hause ist alles ein bisschen angespannt, weil ich noch nichts von meinen möglichen Ausbildungsplätzen gehört habe. Das zieht ein bisschen an den Nerven. Eigentlich wollte ich noch im Sommer anfangen, im schlimmsten Fall kann ich dann doch erst im Herbst anfangen. Dann muss ich mich aber noch neu bewerben und darauf habe ich eigentlich überhaupt keine Lust", erzählte sie und guckte an mir vorbei ins Nichts. "Das wird schon", sagte ich und legte ihr meine Hand auf den Arm. Sie zuckte zusammen und ich nahm meine Hand zurück. Warum hat sie sich so erschreckt?? Im weiteren Verlauf unseres Gespräches tat sie allerdings so, als wäre nichts passiert. Ich versuchte die Tatsache auch zu ignorieren, aber ihr Gesichtsausdruck hatte sich in meinem Kopf festgesetzt. Ich konnte zwar nicht genau sagen, was ich in ihren Augen gesehen hatte, aber irgendwie hat es mich verletzt. Vielleicht war ich aber auch einfach überempfindlich, denn eigentlich verlief unser Treffen im Park toll. Wir redeten über Gott und die Welt, aber wir beide vermieden es Themen anzusprechen die unangenehm werden könnten.

Ich fand zwar gut, dass sie Themen wie mein Verhalten auf dem Abschlussball oder auch meine ständigen Ausreden. Sie hätte allen Grund um misstrauisch zu sein oder sogar sauer, aber stattdessen war sie freundlich. Darüber freute ich mich, gleichzeitig machte mich das ein wenig misstrauisch. Warum wollte sie überhaupt nicht wissen, was mit mir los war?

"Wollen wir noch ein bisschen spazieren gehen?", riss Clary mich aus meinen Gedanken. "Gerne", antwortete ich und setzte ein Lächeln auf. Wir machten uns auf den Weg und unterwegs quatschten und lachten wir viel. Es war schön. Ich entspannte mich ein bisschen und trotzdem war es anders als noch vor ein paar Monaten. Und ich war mir ziemlich sicher, dass das nicht nur daran lag, dass ich mir inzwischen eingestanden hatte, dass ich mich in sie verliebt hatte. Da war noch etwas anderes...
Gegen fünf Uhr verabschiedeten wir uns. "Es war schön, dass wir mal wieder etwas zusammen gemacht haben", sagte ich und lächelte. "Ja, das war wirklich sehr schön. Melde dich unbedingt wieder bei mir", sagte sie und umarmte mich kurz. "Und warte diesmal nicht so lange", setzte sie zwinkernd hinzu. Mein Herz setzte mal wieder einen Schlag aus und ich musste mich extremst zusammenreißen, damit Clary nichts mitbekommt. "Ich melde mich. Versprochen", antwortete ich und dann machten wir uns beide auf den Weg nach Hause.

Den ganzen Weg nach Hause schwärmte ich... Ich wusste, dass es dämlich war. Immerhin hatte ich mir fest vorgenommen, eine Beziehung mit ihr auszuschließen und mir keine falschen Hoffnungen zu machen. Ich schwankte zwischen lachen und weinen. Das war genau der Grund weshalb ich mich in letzter Zeit von ihr ferngehalten hatte. Ich wollte dieses innere Chaos einfach nicht. Es war zum verrückt werden. Immer wieder spielte ich die selben Gedanken und Ideen durch. Jedes Mal kam ich zum selben Entschluss. Es war einfach keine gute Idee und ich sollte und wollte unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. Meine Stimmung schlug immerhin von ein paar Minuten vollkommen um und ich beeilte mich nach Hause zu kommen. Jetzt sollte mich nämlich lieber niemand ansprechen. Denn dann wüsste ich nicht, ob ich nicht doch noch meine Beherrschung verlieren würde.

Zu Hause angekommen sah ich auf den ersten Blick niemanden. Die Küche und das Wohnzimmer waren leer. Trotz des sommerlichen Wetters entschied ich mich dazu, mir eine heiße Schokolade zu machen. Als ich mich dann damit auf die Terrasse setzte, musste ich dann doch über mich selber lachen. Eine heiße Schokolade bei diesem Wetter?! "Hey, was machst du denn hier draußen?", hörte ich jemanden hinter mir fragen und ich hätte fast meine Tasse fallen gelassen. Wann bin ich bitte so schreckhaft geworden? Ich guckte zu Grayson und sagte "Das Wetter genießen." "Mit einer heißen Schokolade?", fragte er spöttisch. "Warum nicht?", fragte ich und guckte gekünstelt hochnäsig. "Ist alles okay? Du siehst nicht gut aus", sagte er, jetzt wieder ganz fürsorglich. "Ich sage dir jetzt das selbe wie die letzten zwei Tage. Ich muss das alleine regeln, auch wenn ich deine Fürsorge zu schätzen weiß. Du bist ein toller Bruder und ich bin sehr froh dich zu haben", flüsterte ich. "Seit wann so rührselig, Schwesterherz", scherzte er jetzt wieder. Er hatte auch etwas auf dem Herzen, ich merkte es an seiner sarkastischen Art, aber auch wenn es egoistisch war, wollte ich es nicht wissen. Ich befürchtete nämlich ihm nicht die "Hilfe" geben zu können, die er eventuell braucht.

Grayson konnte meine Stimmung wieder verbessern und ich war froh dafür. Ich konnte froh darüber sein, dass ich so einen Bruder wie Grayson hatte. Liv war inzwischen auch eine gute Freundin und ich sah sie sogar als eine Art Schwester und Mia erfüllte das Klischee von der kleinen nervigen Schwester. Nicht nur, dass sie es geschafft hatte, Pendora, Sam und mich als Secrecy aufzudecken (auch wenn ich mich bis heute fragte, wie sie das geschafft hat), nein sie sah überall Verschwörungen und Geheimnisse. Ich hatte die beiden ins Herz geschlossen, auch wenn ich mir das nur selten eingestand.

Abends im Bett guckte ich an die Decke und ging mein Treffen im Park mehrfach durch. Grayson hatte es zwar kurzfristig geschafft, dass ich nicht darüber nachgedacht habe, aber jetzt, alleine in meinem Zimmer, schweiften meine Gedanken immer wieder zu Clary. Ich musste mit ihr reden, denn ich war mir bewusst, dass es so nicht weiter gehen konnte. Aber meine Angst vor ihrer Reaktion war zu groß... Mir wurde immer sehr viel Selbstsicherheit zu geschrieben. Keiner, nicht mal meine Familie, wusste, dass ich in Wirklichkeit eine sehr unsichere Person war. Ich hatte eine Mauer um mich herum aufgebaut, die mich vor Verletzungen auf der Emotionalen Ebene schützten. Angefangen diese Mauer zu bauen, hatte ich nach dem Tod meiner Mutter. Damals habe ich mich so schlecht gefühlt, dass ich beschlossen habe, mich zu verschließen. Meine Schwärmerei für Matt, die rückblickend ziemlich dämlich gewesen ist, hat meine Mauer dann vollständig aufgebaut. Seitdem hab ich immer gelächelt und alles hingenommen. Wenn ich so darüber nachdachte, klang es schon sehr traurig, aber ich hatte mich damit abgefunden und jetzt brachte Clary mein komplettes Leben durcheinander. Nie habe ich es für möglich gehalten so im Kampf mit mir selbst zu stehen.

Ich wollte mal fragen, wie euch die Story bis jetzt gefällt. Würde mich sehr über Rückmeldungen freuen😊
Schönes Wochenende noch!

Silber - Can love survive everything? ~Unterbrochen~Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt