Kapitel 3

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Pia schreckt erschrocken zusammen und versteinert für ein paar Sekunden. Es scheint ihr, als würde ihr der Atem wegbleiben und sie gleich nach hinten umkippen würde. Obwohl sie eigentlich nichts schlimmes gemacht hat, fühlt sie sich ertappt. Die Leute, die sich den Friedhof angucken, sehen sie aus der Ferne stirnrunzelnd an, aber gehen dann weiter. Hat sie gerade aufgeschrien oder wollte sie schreien, aber es kam kein Ton raus? Sie ist immer noch so erschrocken, dass sie das nicht mehr ganz genau weiß. Hat sie die Stimme gerade wirklich gehört oder ist das nur in ihrer Fantasie gewesen, weil sie auf einem Friedhof steht? Wenn das ihr Freund Jonathan wüsste, dann würde er sich vermutlich vor Lachen in die Hosen machen und sich auf dem Boden schmeißen, denn er weiß, dass Pia Horrorfilme hasst und danach immer total Panik bekommt, wenn sich auch nur ein Ast im Wind bewegt. Aber das hier scheint kein Horrorfilm zu sein, sondern die Realität. Ganz, ganz langsam dreht sie sich um. Ihr ist total komisch als sie sich umdreht und in das Gesicht einer jungen Frau blickt. Auf einmal kommt ein schriller Schrei aus ihr raus und sie braucht ein wenig Zeit, bis sie sich beruhigt hat. Nach kurzem Überlegen fällt Pia auf, dass das die junge Frau von gestern ist, die sie angestoßen hatte und eine Sekunde später plötzlich verschwunden ist. Das Gesicht zeigt einen fragenden Blick auf ihrer blassen Haut. Pia wird es ganz kalt und sie bekommt Gänsehaut. Allerdings kommt die Kälte nicht durch einen Schock, sondern die Kälte, die sie spürt, scheint von der jungen Frau auszugehen. Die langen schwarzen Haare sind zu einer halboffenen Frisur geflochten. Es ist als stünde ein Geist vor ihr, aber Pia weiß, dass es so etwas nicht gibt. Trotzdem ist sie sich unsicher, da sie sich extra nach jemanden umgesehen hatte, der sie aufhalten könnte den Grabstein zu berühren und sie keine Person im nahen Umfeld gesehen hat. ˋDer Grabstein!' Nach der plötzlichen Frage, hatte sich der Grabstein verändert. Sie sieht sich nochmal den Grabstein an und ihr fällt auf, dass das schimmernde, warme Leuchten weg ist und er jetzt eiskalt aussieht. „Also, was machst du da? Wieso berührst du meinen Grabstein?" Die junge Frau steht jetzt hinter dem Grabstein und guckt sie misstrauisch, aber auch neugierig an und sie mustert sie fragend. Pia möchte sich sofort rechtfertigen, aber die letzte Frage verunsichert Pia total. „Ich wusste nicht, dass das verboten ist... Moment! Ihr Grabstein? Sie meinen, dass Ihnen der Grabstein gehört? Achso verstehe, Sie meinen sicherlich, dass das der Stein Ihrer verstorbenen Angehörigen ist. Entschuldigung, mein italienisch ist nicht das Beste auf der Welt. Deswegen habe ich das wohl falsch verstanden. Ich mache normalerweise keine verbotene Sachen, aber ich war so furchtbar neugierig." Die Frau schüttelt lachend den Kopf. „Nein, dein italienisch ist hervorragend. Ich meine das so wie ich es sage. Mein Name ist Zara... Zara Fontana und der Grabstein gehört durchaus mir!" Pia erschrickt kurz, aber muss dann anfangen zu lachen. „Haha! ja klar, ich rede gerade mit einer Toten, mit einem Geist! Haha!" Doch die angebliche Zara sieht sie mit ernstem Blick an und kann ihr Lachen nicht nachvollziehen. „Ja, du redest mit einem Geist! Aber ich wüsste nicht was daran so lustig sein soll!" Total verunsichert sieht Pia sie an. Sie weiß nicht ob sie wegrennen soll oder doch einfach stehen bleiben sollte. Pia würde gerne wegrennen, aber der Schock fesselt ihre Beine an den Boden. Auf jeden Fall ahnt sie, dass sie es mit einer Verrückten zu tun haben muss. „Aber... es ... es gibt doch gar keine Geister!" Zara seufzt. „Doch. Zumindest weiß ich das ja wohl am Besten, dass ich ein Geist bin. Ich weiß, das klingt total komisch, aber es stimmt, leider!" Pia schüttelt langsam den Kopf. „Nein. Das kann nicht sein. Sie spinnen doch total! Es muss doch eine logische Erklärung dafür geben." Sie streckt die Hand nach Zaras Körper aus, doch zu ihrem Entsetzen fässt sie durch sie hindurch. Als Zara einen Schritt auf sie zu macht, geht Pia geschockt ein Schritt zurück. „Ich kann dir alles erklären, wenn du es möchtest! Komm heute Nacht um Mitternacht hier her! Erst dann kann ich mit dir in Ruhe sprechen." „Nein! Erkläre es mir jetzt! Wieso sollte es denn Geister geben? Sind die anderen Leute hier auf dem Friedhof denn auch Geister?!" „Pia, sei doch nicht so laut. Das geht nicht. Das sieht doch seltsam aus, wenn du mit einer Person redest, der nicht für andere Menschen ersichtlich ist." Pia sieht sie fassungslos an. „Warte was?! Ich bin die Einzige hier, die dich sehen kann? Dann muss ich auch ein Geist sein oder ich bin total irre. Ja, das wird es wohl sei. Ich bin total irre und muss eingewiesen werden. Oh Gott!" Sie sieht sich panisch umher und dann guckt sie Zara mit zusammengekniffenen Augen skeptisch an. „Woher kennst du eigentlich meinen Namen? Verfolgst du mich etwa oder können das Geister? Stehen über den Köpfen von uns Menschen Tafeln, die einen kurzen Steckbrief über unser Leben abbilden? Was weißt du noch über mich? Wo ich wohne? Wie alt ich bin? Welche BH- Größe ich habe?" Zara schüttelt den Kopf. „Nein natürlich weiß ich das alles nicht, denn ich kann nicht von diesem Friedhof weg. Aber deine Mutter hat ihn gestern gerufen, als ihr auf dem Friedhof euch umgeguckt hattet. Deswegen weiß ich das. Ich war auch überrascht, dass ich dich angestoßen hatte und nicht wie bei allen anderen Menschen einfach hindurchgehen konnte. Das ist mir eigentlich noch nie passiert." Pia sieht ihre neue Bekanntschaft immer noch entgeistert an und bekommt vor Verwirrung kein Wort mehr heraus. „Pia, glaube mir... es ist das Beste, wenn du jetzt gehst. Wenn du noch mehr über mich erfahren möchtest, dann komm bitte später wieder! Ich werde hier auf dich warten. Bis heute Nacht!" Und schon ist Zara wieder verschwunden. Das Gesprächsende ging Pia nun doch etwas zu schnell. Pia sieht sich nach ihr um und will ihr ihre Meinung sagen, doch dann sieht sie nur, dass ein älteres Ehepaar sie besorgt anguckt. Sie fängt sich wieder. Mit einem überspielten, unsicheren Lächeln geht sie an ihnen vorbei zum Friedhofsausgang und Richtung des Einkaufszentrums. Während sie versucht sich auf die italienische Mode aus Mailand zu konzentrieren, schweifen ihre Gedanken immer wieder zu Zara ab. Ihre Gesichtsfarbe ist fast schon genauso weiß wie die Haut von Zara. Die anderen Kunden sehen sie genauso besorgt an, wie die Leute auf dem Friedhof und tuscheln miteinander und sind kurz davor einen Arzt zu rufen, da sie der Meinung sind, sie hat vermutlich einen Sonnenstich bekommen, doch Pia ist das in diesem Moment relativ egal. Es ahnt schließlich kein Mensch, was ihr gerade passiert ist.

ZARA - Der Tod liegt auf dem FriedhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt