Kapitel 17

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In ihrem Zimmer angekommen, setzt sie sich erst einmal erschöpft auf ihr Bett. Trotz des großen Zeitdruckes ihrer Aufgabe muss sie sich erstmal für ein paar Minuten sammeln.
Nach etwa zwei Minuten steht sie wieder auf und geht vorsichtig aus ihrem Zimmer. Alle Türen im Flur sehen für sie gleich aus. Konzentriert versucht sich Pia zu erinnern, aus welche Tür sie vorhin mit Zara gegangen ist, als diese sich auf den Weg zu Stefano gemacht hat. Sie sieht sich die Türen ganz genau an, um nicht versehentlich die falsche Tür zu nehmen. '15... oder 16..., es muss eine von diesen Türen gewesen sein. Streng dich an, Pia!' Nachdenklich stellt sie sich vor davor. Entschlossen greift sie zur Türklinke der Nummer 15. Die Tür ist nicht verschlossen, so dass sie aufgeregt mit klopfenden Herzen vorsichtig durch die Tür guckt. Erleichtert stellt Pia fest, dass sie das richtige Entscheidung getroffen hat, denn es ist das Zimmer von Zara. Sie erkennt es daran, dass das Bett unordentlich ist. Bevor irgendjemand sie beim Betreten erwischt, geht sie schnell in das Zimmer und schließt hinter sich wieder die Tür. Pia sieht sich nach dem Büchlein um und kann dieses unter Zaras Bettdecke entdecken. „Bingo..." Sie schnappt sich das Büchlein und versteckt dieses in ihrem Ausschnitt. Dann verlässt sie schnell und leise das Zimmer. Auf dem Weg nach unten hört sie zwei männliche Stimmen miteinander sprechen. Erschrocken bleibt Pia stehen und lauscht dem Gespräch. „Ja... wie ich es dir bereits gesagt habe. Das Fräulein Zara wurde kurz vor unserem Liebesspiel von einer jungen Hexe in einer seltsamen Hose verzaubert und brutal vom Balkon auf die Felsen geschmissen. Sie war sofort tot. Solch eine Geschichte denke ich mir sicherlich nicht aus." Pia schluckt. 'Stefano' Noch ehe sie die andere Person hört, geht sie ganz ganz leise zurück in ihr Zimmer und schließt sich ein. Ihr Herz pocht so laut, dass wenn sie noch weiter gelauscht hätte, Stefano womöglich das Pochen noch gehört hatte. Eine Entdeckung könnte sie nun wirklich nicht noch riskieren. 'Shit... er behauptet also wirklich, dass ich Zara brutal ermordet habe? Wenn er mich entdeckt, dann wird er mich erkennen und alle Leute werden mich verfolgen. Was soll ich denn jetzt machen? Ich muss doch zu Violetta.' Angestrengt konzentriert geht sie durch ihr Zimmer auf und ab. Nach einer Weile beschließt sie, dass es für alle beteiligte Personen gut wäre, wenn sie sich einfach schlafen legt. Wie lange ihr Zeit für alles hat, weiß sie nicht, dennoch riskiert sie eine Pause. Sie hofft, dass Stefano morgen früh nicht mehr da ist und sie unbemerkt zu Violetta laufen kann. Für diesen weiten Fußmarsch ist ein ausgeruhter Schlaf wichtig. Deswegen zieht sich Pia das Kleid von Zara aus und legt sich in das Bett. Nach ein paar Sekunden ist sie schon eingeschlafen.

Pünktlich zum Sonnenaufgang hört Pia draußen einen Hahn krähen. Sofort ist sie hellwach und setzt sich auf. Als sie sich im Raum umsieht, realisiert sie zu ihrer Enttäuschung, dass das alles immer noch kein Traum ist. Sie ist wirklich in der realen Vergangenheit in Rom. 'Hat der Schlaf zu viel Zeit gekostet?' Ihre Mutter sagt immer, dass Schlaf gar keine Zeit kosten kann, da er für die Gesundheit sehr wichtig ist. Pia wird sentimental. Sie vermisst ihr Leben im 21. Jahrhundert. Motiviert steht sie auf und geht zu der großen Wasserschüssel. 'Gibt es denn zu dieser Zeit eigentlich eine Toilette? So langsam muss ich mich mal entleeren.' Skeptisch sieht sie sich im Raum um und entdeckt dadurch unter ihrem Bett einen Nachttopf. Sie zieht sich das Kleid von gestern an und stopft das kleine Büchlein zwischen ihre Brüste. Nachdem sie sich heimlich aus Zaras Zimmer eine Bürste geschnappt hat und sie sich damit die Haare gekämmt hat, geht sie leise aus dem Zimmer nach unten, um sich etwas zu Essen zu besorgen. Als sie sich in der unteren Etage umguckt, hört sie auf einmal schwere Schritte hinter sich und erschrickt. Ängstlich dreht sie sich nach der Person um. „Guten Morgen, schönes Fräulein. Wohin möchtest du denn gehen?" Stefano reibt sich müde die Augen. Außer eine Unterhose aus Leinen trägt er nichts. Pia scannt ihn naserümpfend ab. 'Stefano... erkennt er mich einfach nicht oder tut er nur so? Wo kommt der eigentlich schon wieder her? Hat der hier etwa geschlafen?' Aus der Richtung aus der Stefano kam, steht eine Zimmertür offen. Eine junge Frau lugt kurz vorsichtig um die Ecke und verschwindet sofort wieder. Pia erkennt sie. Es ist das Mädchen, welches sich am Abend zuvor nich mit Antonio vergnügt hat. 'Dieses Schwein hat bestimmt bei ihr geschlafen!' Sie nickt ihm nur lächelnd zu und greift zur Türklinke. Vor lauter Hunger knurrt ihr Magen. Stefano sieht sie lange an und fängt dann an zu grinsen. „Du hast also Hunger?" Pia schweigt, aber Stefano redet trotzdem weiter. „Ich könnte dir etwas geben, aber..." „Aber? Wo ist der Haken, holder Herr?" Pia dreht sich um und sieht ihn misstrauisch an. Stefanos Grinsen wird noch breiter. „Holder Herr? Nun... ich habe gestern Nacht durch ein dramatisches Schicksal meine geliebte Ehefrau verloren. Ich könnte gerade etwas Aufmunterung und Zweisamkeit gebrauchen". Geschockt sieht Pia ihn an. 'Der Kerl möchte ernsthaft auch noch mit mir schlafen? Für wen hält er sich? Bah....' „Ich... ähm also... ich weiß nicht." Stefano geht auf sie zu. „Du arbeitest hier doch, oder bist du noch ganz neu im Geschäft? Das ist natürlich auch kein Problem, meine Schönheit." Pia überlegt wie sie aus dieser Sache wieder herauskommen kann. ˋStefano hält sie also für eine Prostituierte.ˋ Dieser Gedanke ist nicht verwerflich, wenn man bedenkt, dass sie in einem Freudenhaus stehen. Er darf sie auf keinen Fall erkennen, aber scheinbar ist durch Stefanos Dummheit ihre Angst unberechtigt. ˋIst der doof? Ich trage doch sogar das Kleid, welches er Zara gekauft hat. Wahrscheinlich ist der Schnitt sehr bekannt und viele Frauen tragen zu dieser Zeit das Kleid. Oder Stefano hat einfach gar keine Ahnung. Trägt eine Frau eine Hose, dann ist sie also eine Hexe. Trägt die selbe Frau ein Kleid, dann ist sie es nicht. So wurde also entschieden, ob man eine Hexe ist.ˋ „Nun gut mein Herr. Ich würde ihr Angebot annehmen. Doch denke ich, dass es auch für Sie angenehmer wäre, wenn wir bis zur klaren Sternennacht im Mondschein warten könnten. So ist die Sehnsucht und das Verlangen größer." Sie versucht verführerisch und gleichzeitig mysteriös zu gucken, auch wenn sie innerlich kotzen könnte. Stefano sieht sie nachdenklich an. Nach einer Weile nickt er. „Dann lass mich dir trotzdem Speisen geben. Wie ist dein Name?" „Amalia" ˋAmalia? Na gut, dann heiße ich jetzt Amalia.ˋ „Amalia, welch schönen Name du doch hast. Mein Name ist Stefano." Er nimmt ihre Hand und führt sie in eines der Zimmer und beginnt sich anzuziehen. Pia sieht angeekelt auf den Boden. Nachdem er sich angezogen hat, geht er mit ihr zusammen aus dem Haus in ein gegenüberliegendes Wirtshaus. „Ich gebe dir Essen und du gibst mir heute Abend Beischlaf. Ist das ein angemessenes Angebot?" Pia nickt schluckend. Sie hat das Angebot mit dem Hintergedanken angenommen, dass wenn sie Glück hat, dann ist die Aufgabe am Abend bereits gelöst und sie sich wieder in ihrer Gegenwart befindet.

ZARA - Der Tod liegt auf dem FriedhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt