Kapitel 15

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Bei Zara angekommen, guckt diese sie erschrocken und auch ein bisschen besorgt an. „Pia, meine liebe Freundin. Was ist mit dir? Du wirkst so blass und erschöpft!" Pia zuckt nur mit den Schultern. „Ich habe einen fiesen..." „fiesen?" „Ja einen schlimmen, wehtuenden Sonnenstich bekommen und mir geht es eigentlich nicht so gut, aber ich kann natürlich nicht auf unser Treffen verzichten." Sie setzt sich auf eine Bank neben Zaras Grabstein und sieht sie entschuldigend an. „Es ist wirklich schon in Ordnung. Solange ich herlaufen konnte, geht es mir gut. Außerdem ist mir etwas wichtiges eingefallen." Zara setzt sich zu ihr. „Dann sage es mir." „Ich glaube, dass ich jetzt weiß wer die zweite Hälfte des Gedichts hat. Es ist deine kleine Schwester Violetta." „Violetta? Nein, das kann gar nicht sein, denn wir haben doch das gleiche Buch erhalten." Pia schüttelt den Kopf. „Nein, eben nicht. Anscheinend hat sie ein anderes Buch bekommen. Du sagtest mir doch, dass dein Vorfahre seine Gedanken und Gedichte in einem Buch geschrieben hat und dieses Buch hat er dann an seine Nachfahren vererbt. Du hast mir aber auch gesagt, dass er eine Kopie davon gemacht hat, welche auch für die Öffentlichkeit bestimmt gewesen ist. Und ich glaube, dass in dem Buch von dir die veränderte Kopie enthalten ist. Violetta hingegen hat das Original erhalten. Deswegen kommt mir die Variante von deinem Gedicht auch so bekannt vor, da die Öffentlichkeit das Gedicht verbreitet hat und durch die Überlieferung ist es vielen Menschen immer noch bekannt." Eine Weile muss Zara über diese Theorie nachdenken. Auf Zaras Gesicht bildet sich ein glückliches Lächeln und sie steht auf. „Pia, dies sind wirklich glorreiche Gedanken aus deinem Munde. Das ergibt wirklich einen Sinn." Pia steht auch auf. „Heißt das etwa, dass das Rätsel gelöst ist und du endlich ins Totenreich gelangen kannst?" Diese Aussage hat sie freudiger von sich gegeben als sie eigentlich wollte. Auf der einen Seite freut sich Pia, wenn dieser Spuk endlich ein Ende nehmen wird, damit sie sich in Ruhe auskurieren kann. Die letzten Tage waren einfach zu viel für Pia. Doch auf der anderen Seite würde sie Zara auch vermissen. Noch nie hat sie zu einer Person solch eine Verbindung gespürt wie zu Zara und sie kann mittlerweile sogar eine Freundschaft zwischen ihr und Zara erkennen.

Plötzlich blitzt und donnert es über dem Friedhof und die beiden jungen Frauen sehen erschrocken dem hellen Lichtkegel entgegen. Um sie herum zieht ein starker Wind auf. Ein zufriedenes Lächeln breitet sich auf Zaras Gesicht aus. „Ja, ich glaube das ist das Tor zum Himmelreich. Du hast es geschafft und konntest mich noch knapp vor meinem Tod retten." Zara sieht Pia mit Tränen in den Augen an. „Das werde ich dir nie vergessen. Danke Pia. Du bist meine Heldin." Doch bevor Pia noch etwas zu ihr kann sagen, sehen sie am anderen Ende des Lichts einen schwarzen Schatten, welcher anfängt laut zu lachen. „Moment! Ihr denkt also, dass es das schon gewesen ist? Wie süß! Nein. Es ist nur der erste Schritt getan. Pia hat die beiden Gedichte zwar gefunden, aber sie sind noch nicht zusammengefügt. Erst, wenn beide Bücher aufeinander gelegt sind, ist die Zeit für Zara auf der Erde beendet." Mit diesen Worten verschwindet der Schatten genauso schnell wie er erschienen ist und damit auch der Wind und das Gewitter. Mit weit aufgerissenen Augen sieht Pia Zara an. An einen Geist hat sie sich inzwischen schon gewöhnt, aber diese komische Erscheinung ist für sie doch zu viel gewesen. „W... was.... wer war das?" Zara lässt sich auf den Boden fallen und seufzt enttäuscht. „Das ist der Tod!" So sehr die Aussage banal klingt ist es das für Pia keineswegs. „Der Tod? Es doch gibt keinen Tod als Person oder vielmehr als ein Schatten." Sie unterbricht sich selbst und scannt dann Zara ab. „Wobei ich auch nie geglaubt hätte, dass es Geister gibt. Aber ernsthaft: Wenn jemand stirbt, dann ist man tot. Tot ist ein Adjektiv. Wobei... na gut, man könnte natürlich auch sagen, dass der Tod eingetreten ist. Das ist dann ein Substantiv. Das ist jetzt aber doch etwas tiefgreifend." „Ich habe ihn das erste Mal nach meinem Tod gesehen. Als ich starb, ist also der Tod eingetreten..." Zara lässt eine kurze Pause und zeigt zum Himmel „und seitdem bin ich tot." Mit einem verwirrten Blick denkt Pia kurz über die Worte nach. „Und was machen wir jetzt? Das Buch ist doch bei Violetta im Wald. Da komme ich jetzt so schnell nicht hin." Zara zuckt mit den Schultern. „Das ist mir durchaus bewusst. Aber du könntest vielleicht morgen mit deiner Familie nochmal zur alten Kapelle hinfahren." Pia schüttelt den Kopf. „Nein, ich glaube das geht nicht. Wir haben einen Plan für den Urlaub gemacht und wir wollten morgen eine Tour durch Rom machen. Und in meinem kranken Zustand würden sie mich eh nicht aus dem Zimmer lassen. Ich weiß selbst nicht, ob es so gut wäre." „Dann musst du so tun als würde es dir wieder viel besser gehen. Du bist ja schließlich jetzt in dieser Nacht auch entflohen und hier. Pia! Das ist deine... äh ich meine meine letzte Chance." Zara geht einen Schritt näher zu Pia und sieht sie mit Hundeaugen bettelnd an. Bei diesem Blick und mit diesen wunderschönen Augen kann eine Person nur schwach werden und so seufzt Pia und nickt. „Also gut. Ich denke mir etwas aus." Zara klatscht in die Hände und freut sich. „Vielen Dank, liebste Pia. Ich weiß deine Anstrengung wirklich sehr zu schätzen. Nun... möchtest du wieder in die Vergangenheit reisen?" „Natürlich. Ich möchte ja wissen wie es mit dir weiter geht."

ZARA - Der Tod liegt auf dem FriedhofWo Geschichten leben. Entdecke jetzt