*wie immer*

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Auf einmal klopft es an der Tür
Ich springe panisch auf und setze meine Maske wieder auf.
Was habe ich mir dabei gedacht, sie einfach so abzusetzen, wenn jeder herein kommen könnte?
Mein Herz rast wie verrückt und meine Beine zittern wieder.
"Herein", ruft Taddl, ich bin ihm dankbar, meiner Stimme hätte ich das gerade nicht zugetraut.

Die Tür schwingt auf und Frau Holzmann tritt ein.
Sie stellt einen sehr enttäuschten Gesichtsausdruck zur Schau.
Wie immer, wenn so was passiert.
Dabei sollte den Leuten doch klar sein, dass ich nicht richtig ticke, so mit der Maske und generell wie ich aussehe.
"Manuel?
Der Rektor wünscht, dich zu sprechen. "
Ihre Stimme klingt um einige Grad kälter als sonst und die zieht die Mundwinkel beim sprechen leicht herunter.
"Das da ..." , sie zeigt auf die beiden Messer, " gibst du mir. "
Widerwillig reiche ich ihr die zwei scharfen Klingen.
Die werde ich wohl so bald nicht wiedersehen.

Sie greift mich am Arm und zerrt mich hinter ihr her, was aber ziemlich lächerlich aussieht.
Ich überrage sie um einige Zentimeter, aber um sie nicht weiter zu verärgern folge ich ihr brav.

Die ganze Geschichte scheint sich schnell herumgesprochen zu haben, denn überall folgt mit Geflüster und manche weichen zurück, wenn ich an ihnen vorbeilaufe.
Wie immer.

Sobald ich ins Rektorat eintrete verflüchtigt sich meine Klassenlehrerin wieder so schnell es geht.
Ich lasse mich ruhig auf den Stuhl gegenüber des Direktors fallen und sehe ihm direkt in die Augen.
Ich glaube ich bin ihm unheimlich.
Kein Wunder.
Ich muss unter meiner Maske leicht grinsen.

"Du weißt warum du hier bist?"
Dumme frage, ich habe ja 'gar nichts gemacht'
"Was ist denn aus deiner Sicht passiert?"
Ihm scheint wohl aufgefallen zu sein, dass seine Frage nicht gerade helle war.
"Ich war im Wald spazieren und die Jungs haben mich getriggert.
Also habe ich den einen mit meinem Messer in den Nacken geschnittet, um ihnen ein bisschen Angst zu machen."
Er schüttelt ungläubig den Kopf.

"Du bist anders als die anderen Schüler mit ähnlichen Verhaltensmustern.
Sie geben nicht zu, dass sie jemanden verletzt haben, leugnen es oder schämen sich dafür.
Die meisten handeln geplant oder vorbereitet als Rache oder in einer Art Konkurenz.
Sie haben eine niedrigere Hemmschwelle als andere.
Du allerdings...
Du weißt, was das für dich bedeutet."

Klar.
Ich bin ein Psycho, ich gehöre hinter Gitter oder in die Klapse.
"Wir geben die noch eine Woche, eine Art Beobachtungswoche, nach der wir entscheiden, ob du hier bleiben darfst oder...." er zögert, weshalb ich den Satz beende.
"In die Klapse eingewiesen werde, klar"

"Du weißt, dass ein solcher Ausfall schon in der ersten Woche ziemlich extrem ist, oder?"
Er wartet gar nicht auf meine Antwort sondern fährt fort: " Nun in dieser einen Woche wirst du immer von einer Person begleitet und wenn du bis zum Ende dieser Woche unauffällig bleibst, darfst du vorerst bleiben. "
Unter Beobachtung
Immerhin noch besser als die Klapse, hoffentlich darf ich bei T im Zimmer bleiben.

"Du magst dich vielleicht fragen, warum du nur eine Woche unter Beobachtung stehst?."
Eigentlich hatte ich daran keinen Gedanken verschwendet.
"Du wirst natürlich weiterhin beobachtet, aber du darfst dich dann wieder frei bewegen.
Wir können natürlich nicht vorhersagen, wann du wieder als vertrauenerweckend anerkannt wirst, musst du verstehen."

Aber sicher.
Es klopft erneut und Taddl tritt ein, er lässt sich neben mir auf einem Stuhl nieder.
"Hallo Daniel, wie passend, dass du gerade jetzt hereinkommst, wir sprachen gerade über die Beobachtung.
Du hast dich also bereiterklärt, Manuel von 18:00 Uhr bis zum Frühstück zu betreuen?"
Es ist ihm deutlich anzusehen, wie unwohl er sich hier fühlt.
"Ja"
"Nun, das ist ja wundervoll, wir informieren euch morgen früh, wer ab dann übernimmt."
Wundervoll
Hört dieser Typ sich überhaupt selber zu?
Wenigstens kann ich dann bei T im Zimmer bleiben.

"Vielen Dank für das Gespräch, bis morgen"
Mir hat das Gespräch auch sehr gefallen.
"Bis morgen", sagen T und ich wie aus einem Mund, um dann so schnell wie es geht den Raum zu verlassen.
" Arschloch" ist das erste Wort aus Ts Mund, sobald sie um die Ecke sind.
Ich antworte nicht, ich möchte einfach nur noch in mein Bett, auch wenn es erst 18:30 ist.
Natürlich kann ich mich heute Abend erstmal nicht verkriechen, das gemeinsame Abendessen ist Pflicht.

Auf einmal mache ich mir sorgen, wenn ich bei T am Tisch jetzt noch weniger angesehen werde, vermutlich ziehe ich seinen kompletten Ruf herunter.
Sobald mir dieser Gedanke durch den Kopf schießt möchte ich gar nicht mehr bei denen sitzen, aber diese Beobachtungssache zwingt mich dazu.

Ich kann die ganzen heimlichen Blicke förmlich spüren, auch wenn ich sehe auf den Boden starre, es ist noch schlimmer als sonst schon.
Das leise Gemurmel  verfolgt und bis zu unserem Platz, von überall starren Augenpaare mich so undurchdringlich an, dass ich fast befürchte, sie sehen direkt in meine Seele.
Auch als ich sitze prickeln die Blicke der Schüler noch auf meinem Rücken und ich möchte am liebsten einfach für immer verschwinden.
Wieso hatte ich den Typen nochmal attakiert?

Sofort muss ich an ihre verängstigten Blicke denken und das altbekannte Kribbeln macht sich in meinen Fingerspitzen breit, aber ich unterdrücke es dieses mal bewusst.
Das passt gerade gar nicht.

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