*Reflexe*

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Es ist freier Mittwoch Nachmittag und Taddl und ich hängen wieder einmal in unserem Zimmer herum, als Wavvy hereinplatzt und T natürlich sofort für sich beansprucht.
Die beiden so glücklich zu sehen versetzt mir einen Stich ins Herz, sie sind wie für einander geschaffen.

Taddl vergräbt gerade seine filigran tätowierte Hand in Wavvys  Haaren, als ich beschließe, mir das nicht weiter anzutun, also verlasse ich schleunigst den Raum und begebe mich in Richtung  des kleinen Wäldchens hinter der Sporthalle.
Hier ist es eigentlich immer recht ruhig, weswegen ich hier gerne meine Zeit verschwende.

Es hat heute Nacht ziemlich stark geregnet und so geben meine Schritte im morastige Boden ein schmatzendes Geräusch von sich.
Das Gehen wird, je weiter ich laufe  immer schwerer, weil der Schlamm sich an meinen Füßen festsaugt und meine ohnehin schon schweren Schuhe zusätzlich belastet.

Ein Knacken ertönt hinter einem Baum, von dem Jungen der sich dort versteck, mutmaßlich vor mir, aber ich habe ihn schon vor einiger Zeit entdeckt.
Es interessiert mich herzlich wenig.

Inzwischen bin ich im Zentrum des Parks angekommen, in dessen Mitte ein kleiner Teich den wolkenverhangenen Himmel spiegelt.
Die drei Jungs sind nun auch ins Freie getreten und starren mich argwöhnisch an.
Ich ignoriere die weiterhin, konzentriere mich auf das leise Rauschen der Blätter im wind, aber die drei Personen fangen an mich zu stören.

Ich höre sie leise wispern, wahrscheinlich über mich und meine Maske.
Plötzlich kocht eine enorme Wut in mir hoch, meine Arme zittern und meine Hände finde ich in Fäusten wieder.
Langsam und gemächlich drehe ich mich zu dem eigentlich sinnlosen Grund meiner Wut um, diese Jungs triggern mich irgendwie extrem.
Hätten Sie ein wenig Grips erkannten sie, dass ich gerade nicht sehr gut zu sprechen bin, aber sie ignorieren meine Unterhaltung und gehen geschlossen auf mich zu.

"Schöne Haare hast du, fast wie meine Oma", stichelt der eine Junge.
Ich verharre still in meiner Position, doch ohne die Maske hätten sie gesehen, das ich lächele.
Ich freue mich schon.
Mit vor Aufregung zitternden Fingern greife ich in meine Hosentaschen, aber ich entscheide, dass es wohl doch noch zu früh  für einen Angriff ist.

"Naawww, musst du jetzt Hilfe rufen, kleiner?
Blöd nur dass keiner hier ist.
Andererseits bezweifle ich, das irgendwer dir helfen wollte.
Und du glaubst doch selber nicht, dass Taddl sich für dich interessieren könnte, oder? "
Er scheint zu glauben, dass ich mein Handy aus meiner Tasche nehmen wollte.
Dummer Junge.

Ich beiße  meinen Kiefer fest aufeinander vor Wut, der Schmerz tut gut und lenkt ab, aber ein anderes viel berauschender Gefühl hat von meinem Körper Besitz ergriffen, pumpt Adrenalin durch meine Adern.
Ich will Blut.
Deren Blut.

Der größte der Jungs macht einen Schritt auf mich zu und will meine Maske greifen, während ich schon längst hinter ihm stehe, meine Messer gezückt.

Mit ganz wenig Druck, fast sanft lasse ich das Messer über seine weiche Nackenhaut fahren, bevor er überhaupt realisierte, dass ich schon ganz wo anders bin.
Die wunderschöne tiefrote Flüssigkeit glänzt Matt auf meiner Klinge und seinem Hals.
Mit einem genüsslichen Lächeln wende ich mich den anderen beiden zu, starre direkt in ihre verschreckten Augen, mir ist klar, dass ich ihre Angst viel zu sehr genieße, aber das tut jetzt nichts zur Sache.

"Und, hübsche Farbe, oder?"
Es ist offensichtlich, meine unerwartet tiefe Stimme  verschreckt sie noch mehr als ohnehin schon.

"Manu, was machst du da?" , brüllt jemand viel zu laut von hinten.
Ohne mich umzudrehen fliehe ich in den Wald.
Das war eindeutig Patrick und er hat eindeutig den Moment zerstört.
Dabei war alles doch gerade so perfekt.
Ich weiß genau, dass ich mich gerade in einem Rausch befinde und die Situation später anders sehe , aber das ist gerade nicht von Relevanz.
Ich will Blut.

Langsam kehre ich wieder in den Wald zurück, in welchem ich mich physisch ohnehin schon befinde und nehme den sumpfigen Geruch des Waldes endlich wieder richtig wahr.
Mit dem Geruch der Bäume drängt sich aber auch ein weiterer Geruch in mein Bewusstsein.
Der metallische Geruch von Blut, welches an meinen Händen klebt und die Klingen meiner Messer benetzt.
Fuck.
Patrick hat mich gesehen.

War er nicht einer der netten?
Vielleicht hätte der Junge von eben ja recht, mich kann keiner leiden?
Verübeln kann ich es ihnen ja nicht, ich wieder sogar mich selbst an, meine langen dürren Finger und meine hargere Gestalt, es ekelt mich richtig, mich im Spiegel anzusehen.

Es gibt Tage, an denen ich bei jeder Gelegenheit meinen eigenen Körper tot sehe und es gefällt mir, aber es gibt auch Tage, an denen ich einen unergründlichen Lebenswunsch habe, ich weiß nie, warum, wieso ich diese Art Selbstschutzfunktion noch habe, aber an solchen Tagen bin ich friedlicher.
Heute hat auch friedlich angefangen, ich glaube damit ist es aber fürs erste vorbei.

Ich glaube der Typ hat ne leichte Macke, aber ich bin mir nicht so sicher.

PsychoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt