Kapitel 4

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Die Wiese mit dem Baumhaus lag verlassen im Licht der letzten Sonnenstrahlen da. Meine Hand umschloss den Griff des Messers, das ich dem Typ mit der Igelfrisur aus der Hand geschlagen hatte. Irgendwie hatte ich das Messer mitgenommen, ich wusste nicht wieso.

In den Griff war ein leuchtend roter Diamant eingesetzt. War bestimmt teuer. Pech.

Ich lief langsam auf das Baumhaus zu. Irgendwie fühlte ich mich schutzlos. Mein Atem ging schnell und meine Arme schmerzten von dem Kampftraining.

Da lehnte jemand am Baum! Ich schlich langsam auf einen Busch zu. Das meiste Licht war schon verschwunden, aber ich erkannte trotzdem die Silhouette. Das war der Typ mit der Maske!

Meine Muskeln spannten sich an. Foxy fiepte leise und drückte sich an meine Beine. Als ich wieder hinter dem Busch vorschaute, war der Schatten verschwunden. Ich duckte mich, ein Kribbeln durchlief mich.

»Ich wollte dich nicht umbringen.«

Ich wirbelte herum. Der Typ stand direkt vor mir. »Klar, deswegen hattest du das Messer.«
Er ignorierte den sarkastischen Unterton.
»War aus Versehen. Kann ich es wieder haben?«
»Ähm, nein.« Ich blieb stehen, mein Körper in Abwehrbereitschaft.

Er hatte eine neue Maske an und die Kapuze überdeckte seine Igelfrisur. Ich erkannte ihn trotzdem an seinen hellbraunen Augen, die so golden gewirkt hatten.

»Ich werde dich auch nicht angreifen, wir sind auf der gleichen Seite.«
Was für eine gleiche Seite? Welche Seiten gab es überhaupt? Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Mir fiel die seltsame Begegnung mit Damian ein.

»Du hast meinen Plan kaputt gemacht.« Er schien ernsthaft sauer zu sein.»Du hast mich mit einem scheiß Messer angegriffen. Außerdem war dein Plan dann nicht besonders gut.« Ich ging ein wenig von dem Baumhaus zurück. »Du hast doch keine Ahnung von meinem Plan.«

»Wer bist du und was willst du?« Meine Beine waren bereit loszulaufen und meine Arme einen Angriff abzuwehren.
»Ich bin der Schattenwolf. So kannst du mich nennen.« Der Typ mit der Maske lehnte sich stolz an den Baum.
»Ich nenne dich Igel, das passt besser.« Beschloss ich.
»Nein... Ich bin der Schattenwolf.« Ich merkte, wie ich Igel aus dem Konzept gebracht hatte und wandte mich um, um zu gehen.

»Du hast sie nicht gesehen.« Igels Stimme war leise, aber der Wind trug sie klar zu mir. »Die Werwölfe. Sie kommen und niemand wird dir glauben.« Er gab sich einen Ruck und trat einen Schritt auf mich zu. Ich blieb stehen. Er sprach weiter »Du bist nicht alleine, aber du kannst nicht sicher sein, wer Freund und wer Feind ist.« Ich starrte ihn an.

»Du bist also Feind? Du hättest mich umgebracht, wenn ich dich nicht bemerkt hätte.« Igel blickte weg. »Das war aus Versehen. Ich sagte ja, du weißt nicht, wem du vertrauen kannst.«

»Und warum trägst du dann eine Maske? Warum weiß ich nicht wer du bist?« Ich hatte irgendwie den Drang wegzulaufen. Irgendwas ließ mich erstarren, nicht fähig mich zu bewegen. Foxy knurrte und stellte sich vor mich.

»Es gibt Dinge die du noch nicht verstehst.« Igel trat ein paar Schritte zurück. »Ich bin ein Freund, das ist das einzige was du wissen musst.« Er drehte sich um und verschwand im Schatten.

Ich ließ die Arme sinken und steckte das Messer in den Rucksack. Foxy stand da und knurrte den Wald an, in den Igel verschwunden war. Seltsame Begegnung zwei heute.

Ich warf meinen Rucksack auf das Plateau des Baumhauses, nahm Foxy und kletterte mit ihm nach oben.

Ich ließ mich einfach gegen die Wand sinken und starrte in den aufgehenden Mond. Den halben zunehmenden Mond. Ich lächelte.

Was war hier los? Ich wusste, dass ich das Messer nur überlebt hatte, weil Igel gezögert hatte, irgendwas hatte ihn abgehalten. Er hätte mich umbringen können. Und jetzt hatte er sich nicht einmal angestrengt das Messer zurück zu bekommen. Sie trat gegen ihren Rucksack. Foxy winselte leise und versuchte seinen Kopf unter meine Hand zu schieben. Ich lächelte und kraulte ihn an den Ohren.

Wem konnte ich vertrauen? Ich hatte keine Ahnung. War das eine Drohung, dass ich Igel nicht vertrauen konnte? Meine Gedanken schweiften zu Damian. Wieso war er im Wald unterwegs? Irgendwie vertraute ich ihm, aber was war es, das mir die Sicherheit gab?

Eine Wolke schob sich über den Mond. Mit einem Schlag verschwand die Wärme. Ich zitterte und ein eisiger Windhauch strich durch meine Haare. Ein Knacken ertönte. Ich bewegte mich nicht, blieb einfach sitzen und hielt den Atem an. Meine Hand umfasste Foxy's Schnauze, verhinderte, dass er losbellte.

Ein Streifen Mondlicht drang durch eine Wolkenlücke. Ein schwarzer Wolf stand da, witterte. Alle meine Instinkte drängten mich, wegzulaufen, oder zu kämpfen. Ich unterdrückte sie alle, blieb einfach sitzen. Wölfe waren normal in den unbesiedelten Gegenden von Kanada, aber so nah am Dorf?

Eisblaue Augen streiften mich. Die Kälte ließ meine Finger einfrieren, aber ich klammerte den unruhigen Foxy weiterhin fest. Meine Muskeln spannten sich an. Was war hier los?!

Das war kein normaler Wolf. Er stand hauptsächlich auf zwei Beinen und hatte langes, zotteliges Fell. Sein Körper war um ein vielfaches größer, als bei einem Wolf. Ich unterdrückte ein Fluchen.

Seine kalten starren Augen blickten in Richtung Dorf.
Die Werwölfe. Sie kommen und niemand wird dir glauben.
Ich strich Foxy durchs Fell, der wie verrückt zappelte. Ich wollte nicht hinsehen. Ich wollte nicht zuschauen, wie der Werwolf in das Dorf gehen würde. Ich schloss die Augen und vergrub mein Gesicht in Foxys Fell.

Bilder von den Geisterstädten blitzten durch meinen Kopf. Bilder von meinem Dorf, von Düsterwald. Leere Straßen, eingefallene Häuser, eingeschlagene Fenster und das schlimmste, keine Geräusche. Die Stille bohrte sich durch meinen Kopf, ließ in fast zerspringen. Kein einziges Geräusch.

Die Kälte ließ nach. Ich war im hier und jetzt. Die Zukunft lag offen, ich konnte es verhindern. Ich musste.

Werwölfe von DüsterwaldWo Geschichten leben. Entdecke jetzt