4. Kapitel

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Meyra kehrte in ihr Zimmer zurück. Gerade als sie sich erschöpft auf ihr Bett fallen lassen wollte, hörte sie ein scharrendes Geräusch von ihrem Fenster. Sie wandte den Kopf um. Ein hellbraun-weiß gefleckter Perserkater saß auf einem dicken Zweig vor der Scheibe und fuhr mit den Krallen über das Glas.

Meyra stand auf und öffnete das Fenster. Ohne zu Zögern sprang das Tier an ihr vorbei auf ihren Schreibtisch und von dort aus auf den Boden und auf ihr Bett.

Meyra ließ das Fenster offen und setzte sich neben den Kater. "Du weißt genau, dass du nicht gegen die Scheiben kratzen sollst, Yoda", sagte sie vorwurfsvoll. Das Tier ignorierte sie und schmiegte sich in die Bettdecke. Genüsslich streckte er sich, ließ sich auf die Seite plumpsen und gähnte.

Meyra seufzte, ein Lächeln zuckte über ihre Lippen, als Yoda sich auf den Rücken rollte und ihr seinen prallen, rosigen Bauch präsentierte. Sie streckte die Hand aus und kraulte ihn liebevoll, woraufhin das Tier begann laut zu schnurren.

"Hey Mey!"

Meyra zuckte zusammen und riss den Kopf wieder zu dem Fenster herum. Ein großer, sportlicher Junge in ihrem Alter war gerade dabei, ebenfalls in ihr Zimmer zu klettern.

"Gott Luc, weißt du wie du mich erschreckt hast?", stöhnte Meyra. Mit gerunzelter Stirn beobachtete sie, wie ihr Nachbar in ihr Zimmer geklettert kam. „Kannst du nicht wie jeder normaler Mensch die Haustür nehmen?"

"Das ist doch langweilig", entgegnete Luc, schwang sich auf ihren Tisch und strich sich mit einem schiefen Grinsen die kastanienbraunen Haare aus dem Gesicht. "Außerdem kommt Yoda doch auch durch das Fenster."

Meyra verdrehte die Augen. "Ja, aber abgesehen davon, dass Yoda eine Katze ist, bin ich auch bei ihm genau genommen nicht ganz einverstanden. Irgendwann macht er noch unsere Fenster kaputt."

"Katzenkrallen können keine Glasscheiben beschädigen", erklärte Luc trocken.

"Ach ja?"

"Ja."

Meyra verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Mundwinkel zuckten. "Also schön. Und? Was willst du hier?"

"Dich besuchen?" Er verzog beleidigt das Gesicht. "Freust du dich denn nicht?"

"Du bist doch nur einer mehr, der mit mir über meinen zukünftigen Partner reden will", murmelte Meyra und zupfte an ihrer violetten Hose.

Luc trug gelb. Er war ein Vierteljahr jünger als sie und wurde in ein paar Wochen siebzehn. Daher würde er erst in einem Jahr seine zukünftige Partnerin kennenlernen.

Luc grinste. "Ist er so schlimm?"

"Wie kommst du darauf, dass er schlimm ist?", entgegnete Meyra.

"Niemand ist gut genug für meine kleine Mey."

"Was?" Meyra musste ein lautes Losprusten unterdrücken. "Ist das dein Ernst? Hast du eigentlich eine Ahnung, wie kitschig das klingt? Außerdem ... außerdem bin ich älter als du!"

Luc verdrehte die Augen. "Na und? Trotzdem bist du einen Kopf kleiner."

Er musterte sie von oben bis unten. "Übrigens steht dir violett nicht. Das sticht sich mit deinen Haaren."

Meyra hob die Augenbrauen. "Danke. Vielen Dank."

Er glitt von dem Tisch und ließ sich auf die andere Seite von Yoda fallen. "Also. Wie heißt er?"

"Cailan."

"Und?", fragte Luc.

Meyra seufzte. "Was, und?"

"Wie sieht er aus?"

"Das fragst du als erstes?"

Luc schüttelte grinsend den Kopf. "Also schön. Ist er ... nett?"

"Ja."

"Muss ich dir jetzt jedes einzelne Wort aus der Nase ziehen?"

Meyra vergrub die Finger in Yodas weiches Fell und überkreuzte die Beine. "Okay. Er ist freundlich, klug, hilfsbereit ... und sieht toll aus. War's das jetzt?"

"Du klingst nicht wirklich begeistert."

"Nein, bin ich auch nicht", entgegnete Meyra gereizt. Doch nach einer kurzen Pause sackten ihre Schultern herab. "Oh Luc", seufzte sie. "Ich ... ich hab einfach gar nichts gespürt, ihm gegenüber. Nichts. Er war nur ein netter, gutaussehender Junge. Nicht mehr."

Luc schwieg. "Und ich soll dir jetzt sagen, dass das schon noch wird?", fragte er.

Meyra blinzelte. "Nein", antwortete sie leise. "Das haben Mama und Nevilla schon erledigt. Eigentlich hatte ich gehofft, von dir einen ... richtigen Rat zu bekommen."

Luc sah sie an. Seine braunen Augen glühten, als er die Hand ausstreckte und Meyras berührte.

Meyra zuckte zusammen. "Luc." Sie versuchte zu grinsen. Die Stimmung, die plötzlich im Raum lag, war seltsam. Ungewohnt. Nicht richtig.

Er blinzelte. Dann drehte er ihre Hand, um ihren Verlobungsring zu betrachten. "Hübsch", meinte er.

Sie sah ihn verunsichert an. "Danke...?"

Endlich bildete sich wieder das vertraute, verschmitzte Lächeln auf seinen Lippen. Meyra atmete innerlich auf.

"Aber ziemlich prunkhaft, findest du nicht?"

Sie betrachtete das Schmuckstück kurz. "Naja. Du hättest mal so manche andere Ringe sehen sollen."

Luc grinste. "Oh nein, schon die Vorstellung..." Er machte ein würgendes Geräusch. "Wenn ich meine zukünftige Partnerin kennenlerne, bekommt sie einen ganz schlichten Ring, ohne Stein, ohne Gefunkel."

Meyra schüttelte spöttisch den Kopf. "Oh ja, da wird sie sich sicher freuen." Sie versuchte, sich vorzustellen, wie Luc einem fremden Mädchen das Heiratsversprechen gab und spürte ein seltsames Ziehen in der Brust. "Können wir über etwas anderes reden? Ich hätte echt gerne mal eine Pause von ... naja, diesem Thema."

"Jetzt schon?", fragte Luc belustigt. "Okay." Er blickte seinen Kater an. "Wie wäre es mit ... Star Wars?"

Meyra hob die Brauen. "Was ist das denn?"

"Star Wars?" Luc lachte. "Das ist ein Film. Ein genialer Film. Vor zweihundert Jahren war der total angesagt."

"Zweihundert Jahren?", wiederholte Meyra ebenfalls lachend.

"Naja ... mein Opa fand das auch noch toll", erklärte Luc.

"Und der ist wie alt?"

"Ähm ... achtzig."

Meyra blickte ihn kopfschüttelnd an. "Okay. Und wir sind wir jetzt nochmal auf das Thema gekommen?"

"Yoda ist nach einer ... Person aus dem Film benannt. Nach einem Yedi, um genau zu sein."

"Yedi", wiederholte Meyra tonlos. "Gut."

Luc sah sie einen Moment lang nachdenklich an. "Es ist echt eine Schande, dass der Film heutzutage fast vergessen wurde."

"Mhm. Gut. Dann lass ihn uns doch gucken."

Luc strahlte. "Ja!"

81 Prozent LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt