5. Kapitel: Draussen

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Am Morgen, an dem sie den Berg verlassen würden, weckte Kervot sie mit einem lauten: «Raus aus dem Bett und raus aus dem Berg, Jungs! Wenn wir schnell sind, erlebt ihr vielleicht noch einen Sonnenaufgang!»

Es hätte keinen besseren Weckruf geben können. Mit einem Schlag war Kirrik hellwach und sprang auf die Beine, doch als er nach seiner Kleidung griff, schnalzte Traver mit der Zunge und schüttelte den Kopf. Stattdessen hielt er dem jungen Lehrling ein Bündel aus schwarzem Stoff hin. Kirrik griff danach, verdutzt, und schüttelte es aus. Eine schwarze Hose, ein schwarzes Hemd, schwarze Socken, etwas, das wie ein Sack mit Löchern aussah und ein seltsames Gestell aus Metall, in das zwei runde, dunkle Glasscheiben eingelassen waren.

Er sah sich um. Alle anderen hatten ebensolche Kleidung erhalten. Kervot und Traver trugen ihre bereits, den merkwürdigen Sack und die Brille hielten sie aber noch in der Hand. Varik war ebenfalls schon dabei, sich anzuziehen, und so tat Kirrik es ihm eilig nach. Am Ende stand er völlig in schwarz gehüllt da und sah verwirrt auf den Sack in seiner Hand. Das Gestell hatte er hineingelegt, doch das schien nicht seine Funktion zu sein.

«Was soll ich damit?» fragte er also ratlos. Die beiden Gesellen lächelten nur geheimnisvoll und Kervot sagte: «Du wirst schon sehen. Halte es vorerst einfach in der Hand.»

Dann verliessen die vier das Gasthaus und holten den Wagen samt Ziege aus einer separaten Kammer daneben. Schon diese simple Arbeit brachte Kirrik ins Schwitzen. Seine Kleidung war wirklich warm! «Was ist das für ein Stoff?» fragte er Kervot, als sie endlich auf den Wagen kletterten. «Das ist Wolle», antwortete der. «Wird aus dem Fell von speziell gezüchteten Ziegen gemacht». «Aber...» fragte Kirrik verständnislos, «warum konnten wir denn nicht einfach gewöhnliches Leinen anziehen? Ich verschmachte noch hier drin!» «Glaub mir», sagte Kervot und lachte, «wenn wir erst einmal draussen sind, wirst du der Wolle äusserst dankbar sein!»


Der Tunnel, der nach draussen führte, besass keine Schächte für Licht und frische Luft. Stattdessen waren die guten alten Öllampen in regelmässigen Abständen an der Wand angebracht. Kirrik fiel auf, dass Geräusche wie zum Beispiel das Rattern ihres Wagens im Tunnel viel stärker widerhallten als im Zentrum des Berges. Was den Lärm noch schlimmer machte, war die Tatsache, dass die vier Schmiede nicht allein waren.

Die Soldaten, die bereits gestern im Gasthaus gewesen waren, begleiteten sie. Ihre Rüstungen und vor allem ihr Gesang machten den Lärm beinahe unerträglich und so war Kirrik nicht nur unglaublich aufgeregt, als Kervot ihre baldige Ankunft am Äusseren Tor ankündigte, sondern auch unglaublich erleichtert.

Ab jetzt merkte er ganz allmählich, wie die Luft um ihn her viel kälter wurde. Es begann mit einem leisen Lufthauch, der sein Gesicht ein wenig kühlte und wuchs zu einer unglaublichen Kälte an.

Kervot hatte Recht behalten, als er sagte, Kirrik würde für die Wolle dankbar sein.

Dann erreichten sie die Äussere Kammer.

«So, Jungs, gleich kommt ihr raus», sagte Kervot, wie immer mit einer fröhlichen Aura, aber dennoch ein wenig gedämpft bei der Aussicht, in wenigen Momenten wieder den Berg zu verlassen. Er holte seinen löchrigen Sack hervor und stülpte ihn sich über den Kopf. Dann nahm er auch seine Metallkonstruktion und setzte sie sich auf die Nase.

Es sah äusserst seltsam aus. Kein Stückchen Haut war mehr zu sehen und die zwei grossen, runden Glasscheiben liessen ihn aussehen, wie Kirrik sich Eulen immer vorgestellt hatte. Trotz der komischen Erscheinung zogen nun auch die Soldaten solche Säcke auf und setzten solche Dinger auf, also holte auch Kirrik seinen Sack hervor und stülpte ihn sich über den Kopf. Es war ein äusserst unangenehmes Gefühl, besonders mit der Konstruktion auf seiner Nase. Doch er war keinen Augenblick zu früh gewesen.

Seelen: In Rot GetauchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt