6. Kapitel: Vorboten des Sturms

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Gamma schüttelte sich schaudernd. Kleine Wassertröpfchen flogen von seinem Pelz und glitzerten in der Morgensonne, bevor sie zu Boden fielen.

Obwohl es Sommer war, fröstelte ihn. Da Alpha nicht dafür gesorgt hatte, dass ein Grüner einen Bau für Gamma und Tairal baute, hatten die zwei unter einem Busch schlafen müssen. Dummerweise hatte es gerade in dieser Nacht geregnet.

Alpha schien seinen Enkel noch immer zu ignorieren, nicht aber dessen Gefährtin. Deshalb war Tairal bereits mit einer Gruppe Roter draussen im Wald und absolvierte ein letztes Training vor dem Kampf, während Gamma im Lager auf und ab trottete und keine Ahnung hatte, was er tun sollte.

Alle anderen hatten irgendeine Aufgabe: Die Roten bereiteten sich auf den Kampf vor, die Blauen jagten Beute, um ihnen so viel Energie wie möglich zu verschaffen, die Grünen bauten entweder Fallen, um die Salbuns daran zu hindern, in ihr Territorium einzudringen, oder richteten sich, im Falle von Kallair und ihren Helfern, darauf ein, die Verletzten zu behandeln. Alpha und Beta waren nirgendwo zu sehen, doch Gamma konnte ihre Seelen spüren. Die beiden Schwarzen liefen von einem Sairu zum nächsten, sprachen ihnen ermunternd zu und überwachten allgemein die Vorbereitungen.

Gamma schien tatsächlich der Einzige zu sein, der nutzlos im Lager herumsass, und das wurmte ihn gewaltig.

Letzten Endes entschied er sich dazu, Tairal zu folgen und zu versuchen, den Roten einige Kampftechniken abzuschauen – sich verteidigen zu können konnte niemals schlecht sein.

Doch bevor er sich überhaupt weit vom Lager entfernt hatte, sprach Beta zu ihm.

Sohn, wir müssen reden. Über gestern.

Gamma antwortete nicht. Er hatte absolut kein Interesse daran, ein weiteres Mal zu streiten und sich seine ohnehin schon nicht gute Laune noch weiter vermiesen zu lassen. Doch Beta liess nicht locker.

Gamma, sagte er, ich möchte wirklich mit dir reden. Nicht streiten. Ich habe nicht vor, unsere Familie auseinanderzureissen, und Tairal...

Gamma blendete ihn aus. Das war zwar nicht komplett möglich, doch solange er sich auf etwas anderes konzentrierte, schrumpfte die Stimme seines Vaters zu undeutlichem Gemurmel im Hintergrund. Bei Alpha hätte das nie funktioniert: Als Anführer des Seelenkreises war es ihm möglich ein Gespräch mit jedem – ausser den Anführern anderer Seelenkreise – zu verlangen.

Es dauerte aber nicht lange, bis seine Mutter Veltar ihn ebenfalls anrief.

Gamma, sagte sie vorwurfsvoll, du weisst, was ich dir darüber gesagt habe, jemanden zu ignorieren.

Gamma grub frustriert seine Krallen in den weichen Untergrund. Natürlich war Beta zu seiner Mutter gegangen.

Ich weiss, Mutter, antwortete Gamma. Aber ich möchte momentan echt nicht mit ihm reden.

Er möchte aber wirklich mit dir reden. Er möchte nicht, dass wir als Familie so auseinandergerissen werden.

Aber...

Oh Söhnchen, kannst du bitte wenigstens mir einmal zuhören? Er möchte sich entschuldigen.

Er will...

...sich entschuldigen, ja. Also hörst du ihm bitte zu, und zwar jetzt.

Gamma liess resigniert den Kopf hängen. Irgendwie brachte Veltar ihn immer dazu, ihrem Willen zu gehorchen. Dabei war sie nicht einmal schwarz!

Na gut, antwortete er ihr schliesslich und liess die Stimme seines Vaters in den Vordergrund dringen. Dieser begann sofort wieder zu reden, als er spürte, wie sein Sohn seine Verteidigung herunterfuhr.

Seelen: In Rot GetauchtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt