V I E R U N D V I E R Z I G

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»Nur ein Kuss, dann darfst du gehen.«  »Das wäre dann aber schon der dritte "Ein Kuss" mein lieber« bringe ich lachend hervor, bevor ich mich wieder zum ihm beuge und ihn erneut küsse. Rafael hat mich zur Schule gefahren und möchte mich nun nicht gehen lassen.  »Wieso musst du auch zur blöden Schule. Nehm doch einfach Privatunterricht oder schwänze einmal den Unterricht, wie jeder normale Mensch auch. Bleib einfach bei mir und wir machen uns einen schönen Tag.« Seine Worte lösen ein kribbeln in meinem Bauch aus. Er will nicht das ich gehe.  »Rafael, ich würde am liebsten jede freie Minute mit Dir verbringen, nur habe ich bereits jetzt schon so viele Fehltage. Ich bin in meinem Abschlussjahr, ich sollte wenigsten ein bisschen diszipliniert sein. Außerdem kennst du meine Meinung zum Privatunterricht.« Ich küsse ihn als Entschuldigung auf die Wange, da er während meiner Erklärung den Kopf nach vorne gedreht hat. Er schnaubt aus und sieht mich an. »Na meinetwegen, dann geh schon. Um 14 Uhr hole ich dich wieder ab und dann gehörst du den restlichen Tag nur mir.«  »Ich gehöre immer dir.« erwidere ich grinsend. »Nun geh schon, bevor ich es mir anders überlege und einfach losfahre.« Ich schnalle mich also ab bevor er tatsächlich vor hat mich zu entführen, küsse ihn ein letztes Mal zum Abschied und steige aus dem Auto.

Wie vorhergesagt lief die Matheklausur mehr als schlecht. Dementsprechend ist meine Laune auch nicht die beste. Die Tatsache das ich in zehn Minuten diesen schrecklichen Ort verlassen darf und Rafael mich abholen wird, erhebt meinen Laune minimal.
Als es klingelt, habe ich bereits alle Sachen in die Tasche gepackt und stürmte aus dem Klassenzimmer, direkt auf den Parkplatz zu. Dort steht er auch schon. Mein Traummann mit seinem Traumauto. Ganz entspannt lehnt er gegen Wagen und schaut auf sein Handy. Ich beschleunige meine Schritte ein wenig und als ich nur noch ein paar Meter von ihm entfernt bin, sieht er auf. Rafael lächelt mich mit seinem perfekten Lachen an und packt währenddessen sein Handy in die Hosentasche. Er macht einen Schritt auf mich zu, da ich praktisch direkt vor ihm stehe. Dann zieht er mich zu sich und küsst mich. Aber nicht so wie heute morgen, klein und federleicht, sondern intensiv und leidenschaftlich. Ich drohe beinahe umzukippen, dieser Kuss sagt einfach aus du gehörst mir. Und ja ich gehöre ihm, voll und ganz. Seit der ersten Sekunde gehöre ich ihm und auch wenn wir das damals nicht bewusst war, so ist es das jetzt.
Als wir uns wegen Luftmangel widerwillig lösen, grinst er selbstzufrieden.  »So jetzt wissen zumindest alle das du vergeben bist.« Ich drehe mich um und tatsächlich stehen bereits einige Schüler an der Bushaltestelle etwa 100 Meter entfernt. Unter ihnen auch ein paar aus meiner Jahrgangsstufe. »Ah ja, deswegen der Kuss. Du missbrauchst mich für deine Zwecke.. Dabei dachte du meinst es ernst mit mir.« drücke ich auf die Tränendrüse und kann mir dabei jedoch ein grinsen nicht verkneifen.  »Ich meine es ernst mit dir, sogar sehr ernst. Dennoch musste das erledigt werden.« erklärte er das mit einer Ernsthaftigkeit, dass ich jedes seiner Worte wirklich ernst nehme. »Na wenn das so ist, habe ich nichts dagegen dass nochmal klarzustellen. Damit auch wirklich jeder Bescheid weiß.« erwidere ich und vernichte den kleinen Abstand zwischen uns erneut.  »So gefällt mir das« raunt Rafael mit zufrieden zu.  »Ich glaube wir sollten langsam gehen. Nicht dass die denken wir ziehen uns vor ihnen noch aus. Außerdem habe ich Hunger.« ich löse mich aus seinen Armen, die um meine Hüften geschlungen war und hebe meine Tasche vom Boden auf, die bei unserem Kuss heruntergefallen ist. Rafael ist derweil so freundlich und hält mir die Türe auf. »Vielen Dank, das ist mal ein Service hier.« quittiere ich, während dem Einsteigen. »Für die Prinzessin nur das Beste.« damit macht er meine Tür zu, läuft um das Auto herum, um dann auf der Fahrerseite einzusteigen. »Also, wo willst du hin?« fragt er und schaut mich erwartungsvoll an.  »Keine Ahnung, überraschte mich.« Er dreht den Schlüssel im Zündschloss, was den Motor aufwachen lässt.  »Also gut. Dann mal los.«

Den restlichen Nachmittag verbrachten wir wieder am Red Rock Canyon. Diesmal zeigte Rafael mir die andere Seite und ich bin immer noch fasziniert und traurig zugleich, wie mir dieses Wunderwerk der Natur all die Jahre entgehen konnte.  Doch lange konnten wir den Ausflug nicht genießen, da Rafael einen Anruf von Angelo bekam bezüglich eines Auftrags. Und genau dahin sind wir gerade auf dem Weg. Zwar wollte Rafael mich zuhause absetzen und ist deshalb auch aktuell nicht so gut auf mich zu sprechen, aber ich bin hartnäckig geblieben und habe ihm klar gemacht dass ich schon auf mich selbst aufpassen kann. Außerdem habe ich meine Waffe dabei, zur Sicherheit. Rafael ist nämlich nur so panisch, da es sich bei dieser Sache um einen fehlgeschlagen Deal handelt. Einer der Käufer hat nicht bezahlt und muss jetzt dafür gerade stehen. Und mein lieber Freund denkt, das könnte mir zu viel werden, aber da kennt er mich offenbar nicht gut genug. Ich bin nicht Teil der La Famiglia geworden um vor solch kleinen Angelegenheiten zurückzuschrecken.  »Hör auf so grimmig zu sein, ich verspreche dir dass ich mich benehmen werde und auf die hören werde. Aber behandle mich nicht wie ein Kleinkind, welches man an die Hand nehmen muss.« er atmet hörbar aus.  »Ich weiß doch wie stark du bist und dich selbst verteidigen kannst, ich mache mir einfach nur Sorgen. Beim letzten Mal hast du dir eine Narbe zugezogen und ich kann einfach nicht verantworten das du dich nochmal so in Gefahr begibst.« Er parkt den Wagen in einer abgelegenen Gasse und schaltet den Motor aus. Ich wusste nicht, dass ihn die Sache mit meinem Handgelenk noch so Nahe geht. »Es war doch aber nicht deine Schuld, ich bin dieses Risiko mit vollem geistigen Verstand eingegangen. Du hattest doch nichts damit zu tun. Und jetzt komm, wir sollten keine Zeit verlieren.« Ich küsse ihn und öffne die Tür um auszusteigen. Währenddessen höre ich Rafael noch etwas murmeln, ehe er ebenfalls aussteigt. »Du bleibst die ganze Zeit hinter mir und wehe du rührst dich vom Fleck oder sagst ein Wort, dann sperre ich dich für immer ein.« Ich nicke wortlos. Einerseits habe ich gerade enormen Respekt vor ihm, beinahe Angst weil er seine eiskalte Haltung aufgelegt hat, die er immer einnimmt wenn es um das Geschäft geht. Andererseits finde ich es so schön, wie ausgeprägt sein Beschützerinstinkt ist. Das zeigt mir, dass ich ihm wohl wirklich etwas bedeute.

Dicht hinter ihm betrete ich die Überreste des Eingangsbereich eines ehemaligen Restaurant. Bereits vor Jahren wurde das Gebäude von einem befreudeten Clan in Brand gesetzt. Offenbar hatte der Besitzer Schulden, die er nicht begleichen konnte und musste dafür büßen.  Mittlerweile ist das ein Rückzugsort für Obdachlose und Dealer. Und auch für uns. 

In der Mitte des Trümmerhaufens sitzt ein junger Mann, ich würde ihn auf Mitte zwanzig schätzen, gefesselt und mit einem Knebel im Mund auf einem der noch unzerstörten Stühle des Restaurants. Rafael neben mir klatscht laut in seine Hände was mich etwas zucken lässt. »Na also, da bist du ja. War doch nicht so schwer den Weg zu finden, wie berfürchetet nicht wahr? Aber wer hat dich den so schön für mich positioniert?« Rafael läuft um den Mann herum, als wäre er ein Ausstellungsstück. Ich begebe mich derweil etwas aus der Schusslinie und entdecke dabei einen von rechts, immer näher kommenden Schatten. Da Rafael mit dem Rücken zu dem Schatten steht, der mittlerweile ziemlich Nahe ist, scheiß ich auf mein Versprechen und zücke meine Waffe. »Stehen bleiben oder ich schieße« warne ich. Doch der Schatten läuft einfach weiter und kommt Näher ins Licht. »Du kannst gerne schießen, dann machst du dich halt ziemlich unbeliebt.« Giuseppe bewegt sich ins Licht und ich nehme unverzüglich die Waffe runter. »Du bist es, entschuldige.« ich stecke die Waffe wieder weg und schaue zu Rafael, der mich zu meiner Überraschung aber nicht beachtet. »Wer denkst du, hat wohl sonst dieses Meisterwerk vollbracht« behauptet er stolz, während er auf den gefesselten Mann zeigt. Rafael, der in jeder anderen Situation einen Kommentar dazu abgegeben hätte, sagt überhaupt nichts. Als ich ihn anschaue, packt er sein Messer aus und richtet es mit der Spitze an die Kehle des gefesselten. »Ich habe mir sagen lassen, du redest nicht so gerne. Tja, ich würde dir raten jetzt ganz schnell den Mund auf zu machen, oder es wird nie wieder auch nur ein Ton aus deinen verkümmerten Stimmbändern kommen.« Rafael ging bei jedem Wort ein Stückchen näher auf ihn zu und drückte ihm dementsprechend das Messer immer ein bisschen mehr in die Haut. Allein die Vorstellung eine Messerspitze an die Haut gedrückt zu bekommen, bereitet mir schmerzen, dennoch habe ich kein Mitleid. Der Typ hat es sich selbst zuzuschreiben. Wer nicht zahlen will, wird bezahlen.

Doch mir geht noch etwas ganz anderes durch den Kopf während ich diese Szene verfolge. Rafael wirkt so bedrohlich, dass es mich scharf macht. Seine Kleidung sitzt perfekt auf seiner Haut, die Haare liegen perfekt und diese Austrahlung die den ganzen Raum einnimmt.. Das ganze Paket macht mich einfach verrückt. Ich sollte mich darauf konzetrieren was hier gerade geschieht, stattdessen denke ich darüber nach wie ich meinem Freund am besten die Kleider vom Leib reißen kann. Und selbst wenn wir hier nur zum Zeit vertreib wären; wir sind erst frisch zusammen, sollte ich da wirklich schon an sowas denken? Gut, sind wir realistisch. Rafael ist ein Mann mit Bedürfnissen, er hat bestimmt schon an Sex gedacht, vor allem weil er kein Unerfahrener ist. Und das ist okay, es ist mehr als okay, das ist ja normal. Aber bin ich überhaupt schon bereit diesen Schritt zu wagen? Gott, worüber denke ich gerade eigentlich nach?

Ellie, Fokus auf das aktuell relevante Thema.

Ich versuche mich wieder voll und ganz auf die Geschehnisse vor meinen Augen zu konzetrieren, Rafael und Giuseppe stehen eng beieinander, mit dem Rücken zum Angeklagten und murmeln etwas vor sich hin. Ich stehe immer noch abseits und versuche unauffällig den gefesselten zu beobachten. Verzweifelt versucht er den Kenbel aus dem Mund zu bekommen. Er sieht heruntergekommen aus, seine Kleidung ist schmutzig und zerrissen. Seine Haare fallen ihm ins Gesich und sehen aus, als müssten sie wieder geschnitten werden. Dennoch macht er auf mich den Eindruck, als würde er nicht freiwillig so aussehen. Als hätten ihn verschiedene Lebensumstände dazu gebracht, eben auch seine Schulden bei uns nicht zu bezahlen.             Aber es ist falsch was ich hier tue, ich darf keine Gefühle oder Emotionen zeigen und schon gar nicht das Gute in den Menschen mit denen wir es zu tun haben, suchen. Das war eins der ersten Dinge, die ich von Angelo mit auf den Weg bekommen habe.

Ich wende meinen Blick ab und möchte mich wieder auf Rafael und Giuseppe konzetrieren, die ihre Unterhaltung gerade beendet haben, da spüre ich wie sich eine Hand um meinen Mund legt und ich etwas kaltes an meine Schläfe gehalten bekomme. Eine Waffe

P R O M I S E SWo Geschichten leben. Entdecke jetzt