2-6

2 0 0
                                    

„Du willst das also wirklich machen, ja? Du willst wirklich in dieser Bar arbeiten?"

Die Stimme klang dieses Mal nicht vorwurfsvoll, eher etwas erschöpft, als habe sie die ganzen Diskussionen allmählich leid.

Jonny machte sich nicht die Mühe, seine Lider zu öffnen - teils aufgrund der Erschöpfung, die seit er aus seinem unruhigen Schlaf am frühen Morgen aufgewacht war angehalten hatte, teils, weil er nicht wollte, dass die bunten Bilder, die vor seinen geschlossenen Augen abliefen, verschwanden.

„Mhm", erwiderte er, wobei er sich nicht wirklich sicher war, ob er diese Äußerung laut hervorgebracht oder bloß gedacht hatte.

Nicht, dass es eine Rolle gespielt hätte.

Es mochte an seinem allgemeinen Zustand liegen, an der Entspannung und der wohligen Wärme, die seinen Körper erfüllten, an dem Gefühl, sich seit einer Ewigkeit in einer Art Halbschlaf zu befinden, dass die Stimme nicht mit Aggression reagierte.

Jonny war sich sicher, dass sie unter normalen Umständen nicht so einfach akzeptiert hätte, was er vorhatte, dass sie versucht hätte, ihn davon zu überzeugen, dass es besser wäre, von hier zu verschwinden, so, wie sie es gestern getan hatte.

Dass sie, nachdem er im Bad seinen Blackout gehabt hatte, nicht einfach dafür gesorgt hatte, dass er gegangen war, hatte ihn beim Aufwachen überrascht, auf seine Nachfragen diesbezüglich hatte er jedoch keine Antwort erhalten.

Vielleicht würde sie später wieder auf ihn einreden, wenn die Wirkung der Drohe nachließ, die er auf seinem kleinen Spaziergang in einer unbeobachteten Ecke zu sich genommen hatte, wofür er sich bereits im Moment des Konsums gehasst hatte. Aber wenn er es heute nicht nötig gehabt hatte, nach diesem grauenhaften Traum, aus dem er durchgeschwitzt und schwer atmend erwacht war, wann dann?

Bei dem Gedanken an den Traum erschauderte Jonny, und kurz drohten die Visionen in eine düstere Richtung abzudriften, stabilisierten sich dann jedoch wieder und zeigten weiterhin das Haus, auf das er sich, seit er sich auf das Bett hatte fallen lassen, konzentriert hatte.

„Bevor ich in die Bar gehe, muss ich wahrscheinlich noch mal duschen", schoss es ihm gleichzeitig durch den Kopf, und er musste daran denken, wie furchtbar er ausgesehen hatte als er vorhin kurz in den Spiegel geblickt hatte.

Prompt reagierte die Stimme auf diese Feststellung.

„Du könntest auch einfach liegenbleiben. Das wäre besser. Du müsstest dich nicht mit Leuten herumschlagen, und überhaupt, dich nicht zu etwas verpflichten wo du dann vielleicht nicht mehr rauskommst..."

Wie irritierend es war, wenn sie derart umsichtig anstatt aggressiv klang. Natürlich hatte Jonny sie bereits so erlebt, das war schließlich nicht sein erster Trip, trotzdem war er immer wieder aufs Neue überrascht.

„Ich verpflichte mich zu überhaupt nichts", murmelte er, während eine Woge von Wärme über ihn hinwegschwappte. „Aber stell dir vor... es ist nicht meine Wunschvorstellung, auf ewig auf der Straße zu leben. Wobei ewig wohl auch sehr optimistisch ausgedrückt ist, ich weiß nämlich nicht, wie lange ich es unter diesen Umständen wirklich schaffe, am Leben zu bleiben. Und... wie lange ich das überhaupt wollen würde."

Dieser Gedanke kam ihm leichter, jetzt, wo sein Verstand derart benebelt war, aber er erschreckte ihn nicht. Es war einfach eine Tatsache, und sie zu leugnen hätte das Problem, das dahintersteckte, nicht behoben.

Als die Stimme ihm nun antwortete, hatte sie einen Hauch von ihren gewohnten Spott zurückgewonnen.

„Und du denkst, so ein Job als Kellner oder was auch immer hilft dir dabei, dein Leben auf die Reihe zu bekommen?"

„Wäre wohl ein Anfang. Dadurch, dass ich immer weiter weglaufe und mich verstecke, wird jedenfalls nichts besser."

Es war angenehm, das ganze einmal so optimistisch zu betrachten, auch wenn Jonny klar war, dass dieser Optimismus zusammen mit der Wirkung der Droge verschwinden und dem üblichen Misstrauen und der Paranoia weichen würde. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn er auch nüchtern so überzeugt von seiner Entscheidung gewesen wäre, wie er es jetzt war.

Jetzt fühlte es sich wirklich richtig an. Nicht naiv, nicht leichtsinnig, nicht gefährlich.

Einfach richtig. Wie ein Punkt, an dem die Möglichkeit bestand, dass von hier aus wirklich und wahrhaftig alles besser werden konnte.

Wenn er bloß alles richtig machte.

Besser, ihr rennt!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt