Robin hatte gesagt, dass das Gebäude, in dem die Wohnungen lagen, ziemlich heruntergekommen sei, und als Jonny nun mit ihm gemeinsam das Gebäude betrat, konnte dieser diese Aussage nur bestätigen.
Nicht, dass er sich beschwert hätte. Es mochte aussehen, als habe sich seit mindestens einem halben Jahrhundert niemand mehr darum gekümmert, dass die Wände oder der Fußboden oder die hölzerne Treppe halbwegs anschaulich aussahen, aber zumindest schien es nirgends ein Loch in der Mauer zu geben oder dergleichen, denn es zog nicht, wie Jonny das aus anderen, weitaus verfalleneren Bauwerken kannte.
Dennoch schien sein Blick unfreiwillig ein wenig skeptisch gewirkt zu haben, denn Robin, der grade wieder zu ihm aufgeholt hatte nachdem er die Tür hinter sich geschlossen hatte, sagte unwillkürlich: „Keine Sorge, zumindest die Wohnungen sehen ein bisschen freundlicher aus!"
Ein wenig peinlich berührt senkte Jonny den Blick. „Ich... wollte mich nicht beschweren. Bin ganz andere Sachen gewohnt."
„Das kann ich mir vorstellen..." Mittlerweile war Robin etwas vorgegangen und hatte bereits die ersten Stufen der Holztreppe erklommen, deren Stufen unter seinen Schritten bedenklich knarrten. Jonny tat es ihm gleich, und das Knarren erschien ihm, obgleich er sich durchaus denken konnte dass diese Treppe schon ganz andere Sachen ausgehalten hatte ohne zu kollabieren, derart bedenklich, dass er ausgesprochen froh war, als sie im ersten Stock angekommen waren und wieder festen Boden unter den Füßen hatte.
Robin drehte sich zu ihm um, lächelte, und ein weiteres Mal schien er genau zu wissen, was Jonny eben durch den Kopf gegangen war. „Ich weiß, die Treppe klingt etwas besorgniserregend, aber uns hält die definitiv noch aus. Ein Stockwerk müssen wir noch höher."
Aus einer der Wohnungen, an denen sie vorbeigingen, ertönten Stimmen; das Lachen von Kindern, das Bellen eines Hundes. Einige Türen weiter war grade eine ältere Frau dabei, ihre Fußmatte zu säubern, wobei sie mit dem Besen immer und immer wieder über die gleiche Stelle fegte, als bekäme sie gar nicht wirklich mit, was sie da tat. Sie reagierte auch nicht, als Robin sie im Vorbeigehen grüßte, schien vollkommen in Gedanken versunken zu sein... vielleicht auch einfach in ihrer eigenen Welt.
Die nächsten Stufen knarrten nicht ganz so bedenklich wie die vorherigen, und das zweite Stockwerk wirkte mit seinen weiß gestrichenen Wänden – zumindest waren sie wohl einmal weiß gewesen, auch wenn sie nun von dunklen Flecken bedeckt waren und im flackernden Licht der Deckenlampe eher gelblich wirkten – einladender als die unteren Etagen mit ihren komischen, altmodischen, bräunlich-gemusterten Tapeten.
Hier oben auf dem Gang war kein Mensch zu sehen, auch keine Geräusche zu hören, aber das war wohl auch kaum verwunderlich, wenn man bedachte, wie spät es war.
„So, da sind wir." Robin blieb vor einer der Türen stehen, holte den Schlüssel, den Sapphire ihm zuvor gegeben hatte, aus der Tasche, und steckte ihn ins Schloss. Mit einem Quietschen, das die Stille der Umgebung unangenehm laut durchschnitt, öffnete sich die Tür, und gab den Blick frei auf einen dunklen Raum, in dem bloß ein paar Schwache Silhouetten auszumachen waren, auf die der halbvolle Mond von draußen sein silbriges Licht warf.
Robin wandte sich nach rechts, tastete an der Wand herum, fand schließlich den Lichtschalter und betätigte ihn mit einem Klicken.
Eine matte Glühlampe flammte auf, flackerte, wirkte, als stünde sie kurz vor dem Ende ihres Lebens.
„So...bitteschön." Robin machte einen Schritt in den Raum hinein, ging dann zur Seite, um auch Jonny ein Eintreten zu ermöglichen, der dieser stummen Aufforderung auch sogleich folgte.
Der Raum war nicht groß, zwanzig Quadratmeter vielleicht, und beinhaltete neben einem Bett, einem Stuhl und einem wackelig anmutenden Tisch auch eine schmale Küchenzeile, die vielleicht ein Drittel des Raumes einnahm. Ein Surren kam aus dieser Richtung, das, wie ein zweiter Blick vermuten ließ, von dem kleinen Kühlschrank stammte, der in der rechten Ecke auf der Anrichte stand.
Andere Leute hätten über diese winzige Wohnung, die kaum mehr war als eine Abstellkammer, wahrscheinlich bloß die Nase gerümpft. Hätten auf dem Absatz kehrt gemacht und das Gebäude mit schnellen Schritten verlassen, um sich nach einer Bleibe umzusehen, die ihren Ansprüchen mehr gerecht wurde.
Für Jonny jedoch war dieses Zimmer mit seiner spartanischen Einrichtung ein absoluter Luxus.
Er stellte die Tasche mit den Sachen, die Sapphire ihm gegeben hatte, auf dem Boden ab, daneben seinen Rucksack, ging zum Bett, das direkt unter dem Fenster stand und ließ sich auf die blanke Matratze sinken. Das Gestellt quietschte ein wenig, aber das war ihm in diesem Moment vollkommen gleichgültig; es war Monate her, seit her zum letzten Mal die Möglichkeit gehabt hatte, in einem Bett zu schlafen. Und dass er in einem eigenen Bett geschlafen hatte, war noch viel, viel länger her...
„Ich hoffe, du fühlst dich nicht zu eingeengt", meinte Robin, der noch immer neben der Tür stand, und unwillkürlich musste Jonny lachen. Vielleicht konnte Robin wirklich bis zu einem gewissen Grad verstehen, wie es war, auf der Straße zu leben, aber offensichtlich war ihm nicht so recht klar, was es bedeutete, wenn man in so einer Situation dann zum ersten Mal die Aussicht auf eine warme, trockene Unterkunft hatte, die man sich nicht einmal mit anderen teilen und für die man vorerst zumindest nichts bezahlen musste. Er hätte sich wohl auch mit einer tatsächlichen Abstellkammer zufrieden gegeben, vor allem, wenn in dieser zumindest eine weiche Matratze gelegen hätte.
Robin jedoch schien von Jonnys Lachen irritiert zu sein. Verwirrt blickte er ihn an, scheinbar nicht in der Lage, diese Reaktion einzuordnen, und so hob Jonny seinem Ausdruck von Amüsement schnell hinterher: „Nein, ich fühle mich definitiv nicht eingeengt! Ich bin sogar eher... überrascht, dass es hier sogar eine Küche gibt! Ich dachte, du redest vielleicht... wirklich mehr von einem kleinen Zimmer... ach, ich weiß auch nicht."
„Na ja, es ist ja ein kleines Zimmer." Nun lächelte Robin wieder, dann wandte er sich in Richtung der eben angesprochenen Küche und deutete auf eine schmale Tür, die Jonny bisher nicht aufgefallen war. „Aber du hast sogar ein Bad! Also... ein kleines Bad. Und ich meine wirklich klein. Zwei Quadratmeter vielleicht. Man kann sich neben der Dusche grade mal so umdrehen, und es gibt kein Fenster. Aber du hast eins!"
„Eine Dusche? Mit warmem Wasser?" Jonny hatte die Frage gestellt, ohne darüber nachzudenken, und kam sich gleich darauf ein wenig seltsam vor. Aber die Vorstellung, endlich einmal nicht unter eisig kaltem oder in manchen, seltenen Fällen lauwarmem Wasser in der einen Notunterkunft, die Red Creek zu bieten hatte, stehen zu müssen, kam ihm schlichtweg wahnsinnig verlockend vor.
„Oh...ja, sicher." Robin nickte, wirkte nun ein wenig amüsiert. „Ist zwar kein Luxusapartment hier, aber für warmes Wasser reicht es gerade noch."
Das klang verdammt gut. Jonny war vielleicht erschöpft, aber für eine heiße Dusche würde seine Energie gerade noch ausreichen. Er hasste das Gefühl, durchgeregnet zu sein, ohnehin, es fühlte sich einfach unangenehm an wenn ihm seine Haare strähnig ins Gesicht fielen und das Gefühl der durchnässten Klamotten noch ewig auf der Haut zu spüren war.
Dass er wieder einmal in seinen Gedanken versunken war, bemerkte er erst, als Robins Stimme ihn aus diesen wieder herausriss.
„Ich geh kurz in den Keller und hol dir noch Bettzeug. ...Oh, und Handtücher wären wahrscheinlich auch gut, oder?"
Er wartete nicht ab, bis Jonny ihm geantwortet hatte. Drehte sich um und schritt durch die Tür, ging mit schnellen Schritten den Flur entlang, was begleitet wurde von einem stetigen Knarren der Dielen, und verschwand schließlich hinter dem Treppengeländer.
Ein wenig unschlüssig blickte Jonny ihm nach, verharrte noch ein wenig auf der Matratze, widerstand dabei dem Drang, sich einfach zurückfallen zu lassen und die Augen zu schließen. Würde er das tun, so wäre es nicht unwahrscheinlich, dass er noch vor Robins Rückkehr von seiner Erschöpfung übermannt worden und eigeschlafen wäre. Und das wäre aus mehr als nur einem Grund problematisch gewesen.
„Oh, das wäre problematisch gewesen? Wenn das mal das einzig Problematische hier wäre!" Die höhnische Stimme war so plötzlich und unerwartet in seinen Gedanken aufgetaucht, dass Jonny erschrocken zusammenzuckte und beinahe aufgeschrien hätte.
Kurz blickte er sich um, so als bestünde die Möglichkeit, dass sich nach Robins Verschwinden noch jemand in diesem Zimmer aufhalten könnte, dann zischte er leise: „Hör zu, ich kann mir nicht vorstellen, dass du mir gerade irgendwas Hilfreichen mitteilen willst, also sei doch einfach ruhig, okay?"
Er erwartete nicht wirklich, dass das Ding seiner Aufforderung Folge leisten würde, und mit dieser Annahme sollte er recht behalten.
„Oh, ich finde meine Anmerkungen durchaus hilfreich! Vorhin hast du noch selbst gesagt, dass du nichts weiter willst, als dich ein wenig aufzuwärmen. Du hast gesagt, dass das alles ist. Und jetzt sieh dich an!" Ein bitteres Lachen, das Jonny gleichzeitig ärgerte und ihn nervös werden ließ. „Du hockst in einer Wohnung, die dir wildfremde Menschen angeboten haben! Du hast alles angenommen, was sie dir angeboten haben, wie ein ausgehungerter Hund dem man Fleischreste hinwirft... ohne darüber nachzudenken, dass das Fleisch vielleicht verdorben oder vergiftet sein könnte!"
Wieso konnte die Stimme nicht einfach still sein? Wieso musste sie die Paranoia, die doch sowieso bereits eine seiner vordergründigen Empfindungen war, noch derart anstacheln?
Gerne hätte Jonny sie einfach zum Verstummen gebracht, doch in all der Zeit, die sie ihn nun bereits begleitete, hatte er nicht herausgefunden, wie er das anstellen konnte – sie schwieg nur dann, wenn sie es selbst wollte, oder aber, wenn ihr keine Argumente mehr einfielen, doch dieser Zustand hielt nie lange an.
Was brachte es also, wenn er wütend wurde. Das einzige, was das bewirken würde, wäre, dass die Stimme sich über ihn amüsierte, das wusste er aus Erfahrung, und das war eine Genugtuung, die er ihr nicht gönnen wollte.
Also gab er sich Mühe, ruhig und unbeeindruckt zu klingen, als er, noch immer leise, erwiderte: „Nette Metapher, wirklich. Aber erstens bin ich kein Hund. Und zweitens willst du doch nicht wirklich behaupten, dass ich über diese Entscheidung nicht nachgedacht habe! Ich habe praktisch die ganze Zeit über nichts anderes getan! Aber als ich dich gefragt habe, was wirklich besser daran wäre, zurück auf die Straße zu gehen, konntest du mir keine Antwort geben. Ist dir da inzwischen was zu eingefallen, oder gibst du einfach zu, dass meine Entscheidung vielleicht doch nicht so verkehrt war und bist ruhig?"
Sie war nicht ruhig. Natürlich nicht.
Und was sie nun sagte, ließ Jonny, der gerade dabei gewesen war, sich ein wenig zu beruhigen und sich zu erlauben, das, was er getan hatte, als richtig zu empfinden, erschrocken zusammenzucken.
„Ich hab nie behauptet, dass die Alternative leicht wäre! Aber findest du nicht auch, dass das alles ein bisschen zu gut gelaufen ist heute Abend? Jemand spricht dich einfach auf der Straße an, lädt dich zu sich ein, bieten dir sogar eine Wohnung an. Ist dir nicht mal der Gedanke gekommen, dass dieser Robin vielleicht einfach nur dafür sorgen will, dass du lange genug an einem Ort bleibst? Darf ich dich daran erinnern, dass du dich immer noch versteckst?"
Niemand hätte ihn daran erinnern müssen. Der Gedanke daran war die ganze Zeit über präsent, begleitete Jonny ebenso wie die Stimme, drängte sich jedes Mal erneut in den Vordergrund wenn er anfing, sich halbwegs sicher zu fühlen.
Der Gedanke daran, dass jeder Mensch, dem er begegnete, ihn möglicherweise erkennen könnte. Wusste, wer er war, und was er getan, was er sich erlaubt hatte. Und sollte das wirklich jemals passieren, dann war klar, dass es nicht lange dauern würde, bis auch Er davon wusste.
„Nein, das... das ist Unsinn", murmelte Jonny, bloß, um gleich darauf festzustellen, dass seine Worte alles andere als überzeugend klangen. War es das wirklich? Unsinn? Oder nicht viel eher eine logische Erklärung dafür, dass dieser Abend so unglaublich positiv verlaufen war?
Wieder diese verdammte Paranoia. Ob berechtigt oder nicht, es war so anstrengend; immer wieder dieselbe Gedankenspirale, kein Ende in Sicht, bloß mehr und mehr Zweifel, ‚Vielleicht's und ‚Aber wenn's.
Erschöpft, nicht mehr in der Lage, Energie für etwas aufzubringen, weder zum Nachdenken noch für eine Diskussion, schloss Jonny die Augen. Er war es leid, immer und überall vom Schlimmsten auszugehen. Das brachte ihn nicht weiter, machte ihn einfach bloß fertig, sorgte dafür, dass er niemals zur Ruhe und gleichzeitig kein Stück voran kam.
Vielleicht hatte das Ding in seinem Kopf recht. Vielleicht war das hier eine Falle. Aber wenn dem so war, wenn hierzubleiben tatsächlich das Ende seines monatelangen Versteckspiels – und sehr wahrscheinlich auch seines Lebens – bedeuten sollte, dann hätte er vorher zumindest noch einmal eine Nacht in einem richtigen Bett schlafen können.
„Oh, du hängst wohl nicht mehr sonderlich an deinem Leben, was?", höhnte die Stimme. Sie wollte ihn verletzen, ihn reizen, ihn dazu bringen, sich aufzuregen, das wusste er, doch damit würde sie keinen Erfolg haben.
Die einzige Reaktion, zu der er sich durchrang, war ein Schulterzucken, davon abgesehen verharrte er vollkommen regungslos mit weiterhin geschlossenen Augen auf der Matratze, bis das entfernte Knarren von Dielenbrettern, gefolgt von dem näheren der Treppenstufen, Robins Rückkehr ankündigten.
Es kostete Jonny ein wenig Mühe, die Augen wieder zu öffnen. Er erhob sich von der Matratze, wobei das Bettgestell erneut quietschte, und griff nach seinem Rucksack, um diesen auf dem Tisch abzustellen und anzufangen, ihn auszupacken. Er schaffte es jedoch gerade einmal, des Reißverschluss aufzuziehen, bevor Robin die Wohnung betrat.
„So", kommentierte er seine Rückkehr, während er die Tür mit dem Fuß anstieß und sie so ins Schloss fallen ließ.
Er hatte beide Arme voll mit einem wirren Haufen an Stoff, den er, in Ermangelung eines besseren Platzes dafür, vorerst auf dem Bett ablegte.
Sofort ließ Jonny von seinem Rucksack ab, ging zu Robin und betrachtete das Durcheinander. Dabei stellte er nun auch die Frage, die ihm vorhin bereits durch den Kopf gegangen war, als Sapphire ihm die halbwegs passend erscheinenden Klamotten überreicht hatte: „Wo kommen die ganzen Sachen denn her? Habt ihr... das einfach alles hier rumliegen?"
Ein wenig überrascht blickte Robin ihn an, nickte dann. „Ja. Es sind alles schon ältere Sachen, das siehst du ja wahrscheinlich. Wir sammeln hier alles, was wir so bekommen können, damit immer was da ist, wenn wir es brauchen. Ist nicht selten, dass spontan Menschen hier unterkommen, die erst einmal überhaupt nichts haben."
„Verstehe", murmelte Jonny, obwohl er das eigentlich nicht wirklich tat. Was genau war das hier? Robins Aussagen nach zu urteilen war es eine Art Zufluchtsort für alle möglichen Leute aus dieser verarmten Gegend, die Zuflucht suchten, aber was bedeutete das?
Er wusste, dass es zu den alltäglichen Praktiken von Gangs oder auch der Mafia gehörte, sozial benachteiligte Leute zu unterstützen und dort einzugreifen, wo der Staat versagte, aus dem simplen Grund, das das ihre Legitimität und ihren Einfluss steigerte.
Gehörten Sapphire und Robin zu einer der Gangs hier in der Eastside? Den Eindruck machten sie auf Jonny eigentlich nicht, aber ihm war bewusst, dass er sich nicht gut genug mit dieser Thematik auskannte um sich da sicher zu sein. Zumindest wäre das eine mögliche Erklärung für das alles hier. Eine Art... Schutzprogramm einer Gruppierung, die sich, aus rein taktischen Gründen, mehr um die Außenseiter der Gesellschaft kümmerte als die Stadtverwaltung oder wer auch immer es tat.
Und es wäre eine Erklärung, die beruhigender war als das, was das Ding in seinem Kopf ihm einzureden versuchte.
Während ihm all diese Gedanken gekommen waren, die auf eine leicht absurde Art durchaus Sinn ergaben, hatte Jonny damit begonnen, das Gewirr aus Decke, Kissen, Bezügen und Handtüchern auseinander zu sortieren und halbwegs ordentlich auf dem Boden zu verteilen, einfach, um nicht bloß schweigend in der Gegend herumzustehen. Robin hatte recht, die Sachen sahen allesamt dezent abgenutzt aus, aber die rochen nach Waschpulver, und solange sie frisch gewaschen worden waren empfand Jonny sie als mehr als ausreichend.
Robin stand derweil noch immer neben ihm, beobachtete, wie er die Sachen ordnete, schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob er gehen oder noch etwas sagen sollte.
Schließlich entschied er sich jedoch für Letzteres: „Brauchst du noch irgendwas?"
„Hm?" Jonny hob den Blick, faltete nebenbei eines der beiden Handtücher zusammen, die sich in dem Haufen Stoff befunden hatten. „Nein, ich denke nicht. Danke."
Dieses ‚Danke' erschien ihm eindeutig zu schwach, doch wusste er nicht wirklich, wie er sich sonst ausdrücken sollte. Was sagte man schon in solch einer Situation? Gab es da überhaupt Worte, die bedeutungsvoll genug waren?
„Okay. Gut", gab Robin zurück, er machte nicht den Eindruck, als hätte er das simple ‚Danke' als unangemessen empfunden. „Dann lasse ich dich mal in Ruhe. Den Schlüssel hab ich dir auf den Tisch gelegt. Das Schloss klemmt etwas, du musst die Tür randrücken, wenn du abschließt."
Er zögerte noch kurz, wirkte ein wenig unschlüssig, bevor er sich dann umdrehte und in Richtung Tür ging.
„Na dann", rief er noch über die Schulter, „Wir sehen uns dann wohl morgen in der Bar."
„Ja, bis morgen", erwiderte Jonny noch, dann fiel die Tür hinter Robin ins Schloss.
Einen Augenblick lang stand Jonny einfach bloß da. Versuchte, all die Gedanken, die sofort wieder im Begriff waren auf ihn einzuströmen zurückzudrängen, und gleichzeitig erneut dem Bedürfnis zu widerstehen, sich einfach aufs Bett fallen zu lassen und die Augen zu schließen.
Noch nicht. Später.
Das erste, was er tat, nachdem er sich aus seiner Starre gerissen und in Bewegung gesetzt hatte, war, zum Tisch zu gehen und den Schlüssel zu nehmen, den Robin dort abgelegt hatte. Damit zur Tür zu gehen und sie wie angewiesen an den Rahmen zu drücken, den Schlüssel im Schloss umzudrehen bis das beruhigende Klicken zu hören war. Prüfend drückte er die Klinke herunter, die Tür rührte sich nicht.
Das war gut. Nein, mehr als das. Das bedeutete, dass das, was das Ding in seinem Kopf versucht hatte ihm einzureden, noch ein wenig unwahrscheinlicher erschien. Wieso sollte man ihm die Gelegenheit geben, sich einzuschließen, wenn es das doch nur schwerer machte, an ihn heranzukommen?
Wie aufs Stichwort erklang die Stimme erneut. „Wieso? Damit du dich sicher fühlst! Du weißt, wie gerne Er spielt, oder?"
Das stimmte. Auch das war eine Sache, die Jonny wohl niemals vergessen würde, egal, wie sehr er es auch wollte. Die Erinnerungen würden ihn begleiten, irgendwann vielleicht verblassen, in ferner Zukunft, wenn er denn die Gelegenheit haben würde, eine solche zu erleben, aber mit Sicherheit würden sie nie ganz verschwinden.
Also ja. Vielleicht war das alles hier ein Spiel.
Aber wenn man es rational betrachtete, dann war das schlichtweg um einiges unwahrscheinlicher, als dass Jonny einmal in seinem Leben Glück gehabt hatte und auf Leute getroffen war, die ihm wirklich helfen wollten.
„Ich werde mich nicht vollkommen sicher fühlen", murmelte er leise, während er den Schlüssel zurück auf den Tisch legte und sich daran machte, das Bett zu beziehen. „Aber ich werde mir tatsächlich erlauben, mich darüber zu freuen, mal wieder bequem, trocken und im Warmen schlafen zu können, ob dir das nun passt oder nicht!"
Warm war es allerdings gar nicht wirklich, wie er nun erst richtig feststellte. Ein Blick auf den Heizungsregler, der auf Null stand, erklärte auch schnell, warum. Ein Detail, das sich leicht beheben ließ.
Dieses Mal knurrte die Stimme bloß. Schien keine Lust mehr dazu zu haben, zu diskutieren, und Jonny konnte nicht behaupten, dass er das schade fände.
Möglichst schnell fuhr er mit dem Bettbeziehen fort, griff dann nach den beiden Handtüchern und der Tasche von Sapphire und wandte sich in Richtung Bad.
Auch, wenn er erschöpft war und trotz seiner noch immer durchnässten Klamotten nicht mehr wirklich fror, eine heiße Dusche würde sich jetzt mit Sicherheit unglaublich angenehm anfühlen.
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Besser, ihr rennt!
HorrorKaum jemand wohnt gerne in der Eastside von Red Creek, die von Armut, Kriminalität und Gewalt geprägt ist. Doch mit Beginn einer Mordserie, bei der die Opfer auf grausame Weise getötet, verstümmelt und zur Schau gestellt werden, scheint sich absolut...