Kapitel 18 - Kontrollverlust

13 4 2
                                    

Miriam stand am Waldrand und betrachtete Brien, wie er dort am Boden kauerte. Sie hatte ihr gesammeltes Holz bereits an die Stelle gebracht, an der sie sich getrennt hatten und war losgegangen, um ihn zu suchen. Jetzt hatte sie ihn gefunden und wusste nicht, was sie tun sollte. Sollte sie ihn ansprechen? Sollte sie einfach wieder zurück gehen und darauf warten, dass er irgendwann nachkam?

Sie spürte, dass sich alles in ihrer Magengegend zusammenzog und auch dieses schmerzhafte Stechen in ihrem Herz war zurück. Miriams Blick löste sich von Brien und wandte sich auf die Gestalt, die vor ihm auf dem Boden lag. Laurel. Ihr Bruder. Sie hatte ihren Bruder umgebracht. Jetzt merkte sie erst, wie kalt es sie ließ. Ja, der Schmerz war immer noch da, aber sie empfand keine Trauer mehr. Ihr liefen nicht mehr die Tränen über die Wangen und sie hatte auch nicht mehr diese Schuldgefühle. War das das Monster in ihr, was sie so kalt werden lassen hatte? Oder war sie wirklich so? Miriam schluckte. Sie wollte nicht so gefühlskalt und so gefährlich sein, sie wollte ihr altes Leben zurück. Sie wollte alles zurück, so wie es früher war, so wie es war, bevor dieses ganze unnatürliche Zeug in ihr Leben gekommen war.

Miriam wechselte ihren Blick wieder zu Brien. Auf diese Entfernung konnte sie ihn überhaupt nicht einschätzen. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, weil er mit dem Rücken zu ihr saß. Sie wusste nicht, ob er traurig, wütend, verletzt oder alles auf einmal war. Egal, wie er sich gerade fühlte, auf Miriam war er bestimmt nicht gut zu sprechen. Er wusste mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit, dass sie es gewesen war, die Laurel das angetan hatte, denn die schwarzen Flecken voller Dunkelheit waren unverwechselbar.

Er wollte dich schon einmal töten. Er hat sogar zugegeben, dass er dich töten wollte und jetzt wird er es erst Recht tun.

Miriam wollte etwas erwidern, den Stimmen in ihrem Kopf wiedersprechen, doch sie merkte im selben Augenblick, dass sie es nicht konnte. Es stimmte, Brien hatte gesagt, dass er ursprünglich vorgehabt hatte, sie umzubringen. Und jetzt war er vermutlich so am Boden zerstört, dass er zu allem in der Lage wäre. Es wäre am besten, Miriam würde schnell davon laufen. Brien konnte ihr sowieso nicht helfen. Er war ohne seine Zauberkräfte machtlos und würde ihr in ihrem Plan nichts nützen. Sie musste das irgendwie alleine mit Aralas schaffen, so oder so. Zur Not würden Lizzy und Mr. Jones ihr bestimmt auch helfen.

Du willst fliehen, ist das dein Ernst? Dich in irgendeinem dunklen Loch verstecken, beten, dass er dich nicht findet und dich dann von ihm im Schlaf überraschen lassen? So feige hätte ich dich nicht eingeschätzt. Ich hätte gedacht, du wärst stärker.

Ich bin nicht feige, aber was soll ich denn sonst tun?

Ihn vernichten. Ihn auslöschen, dann kann er dir nichts anhaben. Wenn du wartest und dich versteckst, wird sein Verlangen nach Rache nur größer werden. Dann wird er gefährlicher und du willst doch nicht sterben oder? Außerdem weiß ich, dass es dir gefallen wird, die Angst in seinen Augen zu sehen. Die Angst, wenn er am Boden liegt und um Gnade winselt. Du hast es schon einmal getan, du kannst es auch ein zweites Mal.

Verschwinde aus meinem Kopf! Du kannst mir nichts anhaben, du bist nicht real!

Miriam hielt sich mit beiden Händen die Ohren zu und schloss die Augen, doch es half nichts. Zu allem Übel wurde ihr jetzt auch noch schwindelig und sie hatte mit einem Mal fürchterliche Kopfschmerzen. Vor Schmerzen sank sie auf den Boden, doch es wurde dadurch nicht besser, sondern beinahe nur noch schlimmer.

Willst du, dass es aufhört? Vernichte ihn!

Miriam wusste nicht warum, sie wusste nicht warum ich so wenig Kontrolle über sich selbst hatte und so wenig zu entscheiden. Es fühlte sich fast so an, als wäre sie gefangen in ihrem eigenen Körper. Zögerlich rappelte sie mich wieder auf und ging langsam auf Brien zu. Er kniete immer noch mit dem Rücken zu ihr vor Laurel und hatte sie anscheinend nicht bemerkt. Leise schlich Miriam sich an, bis sie direkte hinter ihm stand. Sie stand so dicht hinter ihm, dass sie ihn hätte berühren können, wenn sie ihre Hand nach ihm ausgestreckt hätte. Es faszinierte sie in irgendeiner Weise, dass sie gerade sein Leben in den Händen hielt. Es lag an ihr. Es war ihre Entscheidung.

Riechst du das? Riechst du die Angst, die er ausstrahlt? Er hat Angst vor dir und das obwohl er noch nicht einmal weißt, dass du da bist. Du kannst ihn vernichten, spürst du schon die Lust, die in dir hoch kommt?

Miriam streckte langsam meinen Arm aus, hielt jedoch inne, kurz bevor sie den weichen Stoff des Pullovers, den Brien trug, berühren konnte. Sollte sie das wirklich tun? War sie wirklich so böse? Hatte sie so wenig Kontrolle über sich selbst? Ließ sie sich wirklich so leicht manipulieren?


Tut mir leid wegen des späten Updates, schlaft gut :)

Schattenflügel - Verwandlung bei VollmondWo Geschichten leben. Entdecke jetzt