Den Tag über dachte ich nach. Wie könnte ich die Wahrheit ergründen?
Viele Möglichkeiten fielen mir nicht ein, ich wusste im Gegensatz zu Kailan und dem Herrn nichts über die Vorgehensweise in solchen Angelegenheiten. Villeicht könnte ich mich mit dem Herrn zusammentun? Diesen Gedanken verwarf ich wieder. Mit dem Herrn wollte ich nicht zusammenarbeiten und ich bezweifelte, dass der Liebeskranke eine große Hilfe sein würde, wenn er sich weiterhin von seinen Emotionen vergiften ließ. An diesem Punkt war ich alleine mit der unaufgedeckten Wahrheit.
Am einfachsten wäre es wohl Kailan einfach zu fragen. Also, wie könnte ich Kailan die Fragen stellen, die ich wissen wollte und sicher sein, dass er ehrlich antwortet? Denn ich wollte es wissen. Ich wollte wissen ob er etwas mit dem Tod dieser Frau zu tuen hatte. Was damals passiert war, an dem Tag wo sie verschwand.
In Gedanken versunken tat ich meine üblichen Aufgaben bei Schotiji in der Küche. Da wir nicht oft redeten fiel ihr mein Schweigen nicht auf, erst als ich nach Rondras Unterricht mit Rondra und Tallis im Garten war, plagten die beiden mich immer wieder mit Fragen über meinen Geisteszustand. Um sie abzulenken schlug ich schließlich vor, dass Rondra und Tallis doch heimlich auf Wiol reiten könnten.
Der weiße Hengst war wie üblich zurückgeblieben, als Kailan mit seinem Vater zur Arbeit aufgebrochen war.
Inzwischen hatte ich eine Vermutung warum das so war. Wiol war es gewesen, der damals die schicksalhafte Sänfte getragen hatte. Das der Hengst nun nicht mehr geritten wurde, wunderte mich nicht. Das er so offensichtlich Rondras Liebling war dafür umso mehr.
Tallis gab sich gelangweilt, schien sich aber insgeheim zu freuen und Rondra war wie von Sinnen vor Freude. Ail trenste den Schimmel mit einem reichlich verzierten Zaumzeug und striegelte ihn sorgfältig.
Rondra nahm kurzerhand ihre Ohrringe und die Hälfte ihrer Ketten ab und gab sie Ail zum Halten. Der hing sie sich um und stolzierte zu ihrer Belustigung wie ein geschmückter Gockel. Sie lachte und klatschte in die Hände.
Ich hob sie hinter Tallis aufs Pferd und ermahnte meinen Bruder, der die Zügel hielt, es nicht zu wild zu treiben. Wir wollten nicht, dass Rondra herunterfiel. Er nickte ungeduldig und trabte an. Ein wenig besorgt sah ich ihnen hinterher, wie sie in Runden auf der Koppel ritten.
Ail begann mir etwas zu erzählen, von der Weinplantage auf der er gearbeitet hatte, während ich weiter meinen Gedanken nachhing. Doch mir wollte einfach nichts einfallen!
Bevor sich der Himmel rosa gefärbt hatte, trieb ich Rondra und Tallis schon wieder ins Haus. Nicht auszudenken wenn sie die beiden Männer auf dem Pferd gesehen hätten! Beide beschwerten sich über diese Maßnahme lautstark und waren immerhin einmal in einer Sache gleicher Meinung. In Tallis Fall stimmte mich das erleichtert. Da Reiten ein großer Teil unseres früheren Lebens gewesen war, hatte ich Sorge gehabt es würde bei ihm ebenfalls bittersüße Erinnerungen an Bärin und Hirsch, die beiden Stuten unserer Familie, wecken.
Nachdem sich die Beiden leicht verstimmt wieder in Rondras Gemächer begeben hatten, half ich Schotiji bei der Vorbereitung des Abendessens. Bevor aber der Herr und Kailan über die Türschwelle treten konnten, hatte ich mich zu den Kindern nach oben begeben. Ich wollte ihn nicht ansehen müssen, es war zu schmerzhaft. Ich musste meine Gefühle außen vor lassen, bis ich mir sicher war das ich ihm vertrauen konnte.
Ich fand die beiden Kinder kichernd auf dem Boden sitzend vor. Rondra hatte die grünblauen Augen von Tallis schwarz umrandet und puderte ihm grade das Gesicht. Auch Wangenrot und Lippenstift trug sie ihm auf.
Noch nie hatte ich meinen Bruder so gesehen, ich brach in Gelächter aus obwohl Rondra sich ziemlich geschickt angestellt hatte. Beleidigt verschränkte Tallis die Arme und zog einen rot geschminkten Schmollmund. ,,Tialda, lache mich nicht aus!"
Rondra lächelte unheilverheißend und tauschte einen listigen Blick mit ihm. ,,Da du gelacht hast, Tialda, erkläre ich dir als Strafe..." Sie legte überlegend den Finger an die Lippen, obwohl es klar war, dass sie sich schon entschieden hatte. ,,Das Selbe wie Tallis! Komm her und setz dich, ich hole einen anderen Kohlestift."
Ich hielt still, als sie in meinem Gesicht herum pinselte. Und in diesem Moment hatte ich ganz plötzlich einen Einfall.
Nach dem Abendessen half ich Schotiji beim Aufräumen in der Küche und wartete bis sie zu Bett gegangen war.
Dann schlich ich mich in die Vorratskammer. Auf einem langen Brett an der Wand standen in einer ordentlichen Reihe ein halbes Dutzend Weinkrüge. Ich hatte Schotiji einst danach gefragt, sie hatte mir erklärt, dass die Weine nach ihrem Alkoholgehalt sortiert waren. Von links nach rechts. Für die Weinsoße die sie zu Hähnchen- und Schweinefleisch zubereitete, bediente sie sich immer an dem Krug ganz rechts. Dieser Wein war am leichtesten.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und nahm vorsichtig den Krug, der am weitesten links war, vom Brett.
Den Krug in der einen Hand und in der anderen zwei Becher balancierend, betrat ich Kailans Gemach. Er erhob sich und hob in einem Ausdruck der Überraschung die Augenbrauen. ,,Tialda, Was verschafft mir die Ehre, so spät Abends?"
Ich marschierte in den Raum, wich seiner Umarmung aus und lächelte rätselhaft: ,,Meine Gedanken verhalten sich in einer Weise, die mich nicht schlafen lässt."
,,Und deswegen der Wein?"
Ich stellte den Krug und die zwei Becher auf den Tisch. ,,Ich habe dich den ganzen Tag über nicht gesehen. Ich dachte wir könnten einen Schluck zusammen trinken?"
Mein Plan war so simpel, dass er schon wieder albern war. Ich wollte das Kailan die Wahrheit zu mir sprach und die Worte, die jemand in Trunkenheit sprach, waren die wahrsten von seiner Person. Deswegen würde ich ihm viel Wein zu trinken geben und dann vorsichtig Fragen stellen. Wenn ich die Antworten bekommen hatte, die ich wollte, würde ich ihm noch mehr zu trinken geben, so das er sich am Morgen nicht mehr erinnerte. Dann würde ich meinen Becher nehmen, ausspülen und ihn zurück in die Küche räumen. Es sollte am nächsten Morgen so aussehen, als hätte er den Wein alleine getrunken.
Der Plan war wirklich nicht besonders, doch wie ich es sah, hatte ich nichts zu verlieren. Wenn er mir nicht antwortete, oder etwas anderes schief ging, so müsste ich mir eben etwas neues überlegen. Alles war besser als die Unwissenheit die mich momentan plagte. Ich wollte doch nur wissen ob er unschuldig war.
,,Sicher." Kailan wirkte immer noch leicht überrascht, schien sich aber nichts dabei zu denken, als er sich niederließ. Ich setzte mich ihm gegenüber und goß uns beiden Wein ein. Das Spiel konnte beginnen.
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Tialda
Historical FictionDas junge Mädchen Tialda wird als Sklavin genommen, als die Dunja ihre Provinz erobern. Durch einige Umwege landet sie schließlich in dem Haushalt einer reichen Familie, wo nichts so ist wie es scheint... Gründe es zu lesen: Es gibt altmodische Spra...