21. Die verrückte Stute

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"Doch. Das war ganz lustig. Der hat sich keine zehn Minuten auf meinem Rücken gehalten.", kicherte Felicitas. "Nicht dein Ernst...", murmelte ich, völlig fassungslos. Sie hatte sich wieder so aufgeführt wie früher? Mit Marco? Besorgt warf ich einen Seitenblick auf den jungen Mann, der damit beschäftigt war, die Zäune abzulaufen, um eventuelle Schwachpunkte, Verletzungsgefahren oder Unsicherheiten ausfindig zu machen. "Wie gesagt. Er war ja auch nicht wirklich gut. Reiten ist etwas anderes." Und damit ließ sie mich stehen und stolzierte, ganz in ihrer Marnier, wieder davon.

Da stand ich also. Vollkommen sprachlos von ihren Aussagen. Denn das war nicht nur Provokation gewesen, sondern es schien, als wäre meine gesamte Arbeit im vergangenen Sommer für die Katz gewesen. Na gut, sie griff jetzt zumindest nicht mehr jeden an, der zwei Beine hatte. Noch eine Weile war ich nicht in der Lage, mich zu bewegen, denn der emotionale Schock, die Stute wiederzusehen und so etwas gesagt zu bekommen, steckte mir noch tief in den Gliedern. Bis mich plötzlich jemand am Arm berührte und eine vertraute Stimme hinter mir sagte: "Bist du soweit? Dann können wir wieder gehen." "Bist du sie jemals geritten?", murmelte ich, immer noch entsetzt. "Die verrückte Stute?", antwortete Marco. Ich nickte. "Ja, einmal. Aber um ehrlich zu sein... Das war kein angenehmes Erlebnis und auch das letzte Mal, dass jemand sie geritten ist. Sie hat mich beinahe ins Krankenhaus befördert..." Nachdenklich starrte er die braune Stute an, die wieder etwas abseits der Herde stand. "Wie das?", wollte ich besorgt wissen, doch ich ahnte nichts Gutes. "Sie aus Leibeskräften gebuckelt und sich fast mehrmals selbst überschlagen. Als ich das noch eine Weile aussitzen konnte, hat sie gemeint, sie muss mich direkt gegen die Wand schlagen, was ihr dann auch gelungen ist. Wenn du mich fragst, dann ist dieses Pferd wirklich nicht mehr normal. Der echte Grund, warum wir sie noch haben, ist eigentlich die Tatsache, dass mein Vater sie nicht verkaufen kann. Er will aber nicht zugeben, dass er an dem Pferd gescheitert ist und meint deshalb immer, er nimmt sie sich demnächst mal vor. Das sagt er schon seit meinem Unfall, der vor zwei Monaten war. Aber wenn du mich fragst, dann traut er sich genauso wenig mehr auf sie, wie ich oder die restlichen Stuntreiter. Die paar Monate, nachdem du sie hattest, war sie auch ganz brav, doch dann fing es langsam wieder an...", erzählte er.

"Nimm sie mit.", meinte ich, einem plötzlichen Einfall folgend. "Wie bitte?" Marcos Stimme klang fassungslos. "Du hast richtig gehört. Wir nehmen sie mit zum Hof zurück. Da ich davon ausgehe, dass ich wohl die Einzige bin, gegenüber der sie wenigstens noch etwas Respekt besitzt, werde ich ihr wohl nochmal mit ihr arbeiten müssen.", wiederholte ich meine Aussage ausführlicher. "Das erklärst du aber Mario und nicht ich.", zuckte mein Gesprächspartner mit den Schultern und drehte sich um. Ich pfiff Vito zu mir, der auch sofort angaloppiert kam. "Ich brauche mal deine Trense.", erklärte ich, nahm ihm das Lederstück ab und machte das Gebiss los. Dieses steckte ich anschließend in die Tasche und nahm mir das übriggebliebene Reithalfter, womit ich Felicitas aufzäumte, die zwar unwillig schaute, sich aber nicht gegen mich wehrte.

Anschließend ritt ich Vito vollständig frei zurück zum Hof, der das brav mitmachte und zog die verrückte Stute hinter mir her, die seit einem warnenden Tritt meines Falben, etwas Abstand hielt. So trotteten wir im Schritt zurück zum Hof. Eigentlich hatte ich mich noch auf einen Galopp gefreut, doch der fiel wohl aus. Denn die Braune war auch im Schritt anstrengend genug. So erreichten wir zu dritt wieder die vertraute Umgebung. Mario steckte kurz den Kopf aus einem Fenster im Stall, als er das Geklapper der Hufe auf dem Hof hörte, entdeckte Felicitas und kam dann zu uns. "Warum habt ihr sie mitgebracht?", fragte er verwundert und deutete auf die Ursache allen Übels, das ich am Zügel hatte. "Frag Hanna. Das war ihre Entscheidung.", gab sein Sohn trocken zurück und rutschte von Diabolos Rücken, um ihn zurück in den Stall zu bringen. "Ich hatte nur das Gefühl, dass ich dringend wieder mit ihr arbeiten sollte.", erklärte ich und schwang mich ebenfalls wieder auf den Boden. Da mein Füße unterwegs etwas eingefroren waren, trotz den warmen Socken, führte der kleine Sprung nach unten zu einem schmerzenden Stich in meinen Zehen. Mir entfuhr ein kurzes "Aua" und ich humpelte dann ebenfalls zum Stahl, um meinen Falben zu versorgen. Mario drückte ich Felicitas Zügel in die Hand. "Nimm mal bitte kurz.", wies ich ihn an und etwas perplex nahm er sie entgegen. Ich brachte meinen Hengst schnell in den Stall zurück und eilte dann zu meinem Meister zurück.

Moondancer - Maître des ChevauxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt