9. Diabolo

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Ich blickte mich um und rief die blauen Energieströme in mein Sichtfeld. Mein Unterbeswusstsein hatte wohl geahnt, dass sie es waren, die mich so knapp über dem Boden hielten, denn sonderlich überrascht war ich davon nicht. Dem Verlauf der Ströme folgend sah ich direkt zu Sylvain, der wohl die Ursache dieses Übels war. Konzentriert starrte er in meine Richtung, der blaue Kreis um seine Pupillen war nicht zu übersehen. Er schien die Macht in sich zu bündeln, denn die riesige Ladung an Energie schien nur so aus seinem Inneren zu pulsieren. Gleichzeitig floss aber die Lebensenergie anderen Menschen in seinem nahen Umfeld ebenfalls zu ihm. Was machte er da?! War ihm bewusst, dass er anderen Lebewesen Schaden zufügte? Er nahm die Energie unserer Kollegen in sich auf, um mich über dem Boden festzuhalten. Erst jetzt, da ich meine Aufmerksamkeit auch den anderen schenkte, fiel mir auf, dass sie sich unheimlich langsam bewegten. Wie in einer extremen Zeitlupe. Da es seine Energieströme waren, oder beziehungsweise die, die er den anderen geklaut hatte, fiel es mir leicht, Kontakt aufzunehmen. "Lass mich runter!", fauchte ich ihn über die Verbindung an, indem ich versuchte meine Gedanken direkt in die Ströme zu leiten und ihn so zu erreichen. Zuerst wusste ich nicht, ob es funktioniert hatte, doch dann ertönte auch seine Stimme mächtig in meinem Kopf. Wäre ich nicht Bewegungsunfähig, hätte ich mir die Ohren zugehalten. "Da war ein Stein, Pferdemädchen. Du hättest dich schlimm verletzt." Es schwang keinerlei Emotionen darin mit. So konnte ich nicht sagen, ob er wirklich besorgt war oder sich nur über mich lustig machte. "Wer bist du?", wollte ich wissen, doch diesmal lachte er wirklich. "Jemand, der weitaus mächtiger ist, als deine Rasse es je sein wird", sprach er in Rätseln. Innerlich kroch ich zurück, wurde klein bei der gewaltigen Macht, die in seiner Stimme mitschwang. Das Problem war nicht, dass ich mich nicht mithilfe der Magie verteidigen konnte und ihm so schutzlos ausgeliefert war -das war nur das kleinere Übel-, sondern, dass er Recht hatte. Wenn er mich mit einem Fingerschnippe umbringen wollte, konnte er das tun. Skrupellos und ohne Gewissen. "Was willst du?", murmelte ich, jetzt leicht in die Enge getrieben. Ich fühlte mich wie ein Kaninchen in einer Falle. Wartend darauf, dass man getötet wird und man kann nichts tun.

"Dich beschützen, Pferdemädchen." Wieder verwendete er diesen Namen... Warum? "Hör auf, mich Pferdemädchen zu nennen.", gab ich also schwach zurück. "Wieso? Das bist du doch, oder nicht?" Sylvain hob fragend die Augenbrauen. "Schon... Aber woher weißt du das?", wollte ich wissen. "Das verrate ich dir nicht." Wieder klang seine Stimme kalt, frostig. Wieder wollte ich mich unter der Macht wegducken. Wieder wurde mir bewusst, dass ich immer noch gefesselt war. "Lass mich runter.", wiederholte ich meine Aufforderung von vorhin. Und diesmal gab er endlich nach. Ich spürte, wie mich diese unsichtbare Kraft losließ, ich sanft auf dem Boden aufkam und sich endlich die anderen Lebewesen aus ihrer Zeitlupe lösten. An meinem Hinterkopf spürte ich den Stein, vor dem mich dieser misteriöse junge Mann bewahrt hatte. "Alles ok?", hörte ich Marcos besorgte Stimme. Sie holte mich direkt zurück in die Realität. "Ja, es ist alles in Ordnung. Aber ihr solltet dafür sorgen, dass hier keine Steine rumliegen." Ich rappelte mich auf und hob den runden Kiesel auf. Dann holte ich aus und schmiss ihn weit von mir.

"Hast du dich verletzt?", fragte er unruhig und warf einen kurzen Blick auf die restliche Strecke. "Nein, zum Glück nicht.", gab ich einsilbig von mir und blinzelte unauffällig zu meinem Retter. Dieser schien damit beschäftigt, seinem Pferd beizubringen, wie man sich mit Reiter hinwirft. "Gut, dann können wir ja weitermachen.", machte sich mein Trainingspartner wieder bemerkbar und machte sich auf den Weg, um Jovito einzufangen, der ziellos auf der Lichtung umherlief. Ich pfiff leise, um ihn auf mich aufmerksam zu machen. Zwar bezweifelte ich, dass er es über den Lärm der Lichtung gehört hatte, doch trotzdem drehte er sich um und lief in meine Richtung. Marco nahm ihn schließlich am Zügel und führte ihn das restliche Stück.

Moondancer - Maître des ChevauxWo Geschichten leben. Entdecke jetzt