80- Samstag Abend

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Eindringlich betrachte ich das rückenfreie rote Kleid am Haken, vor dem Spiegel. Ich habe es vor drei Wochen für den Abschlussball heute gekauft. Bis vor ein paar Stunden habe ich nicht gedacht, dass ich überhaupt zum Ball gehen würde. Ich wollte eigentlich nicht gehen, aber nach einem ausführlichen Gespräch mit Liz und Hannah habe ich mich dazu entschieden ein falsches Lächeln aufzusetzen und allen vorzugaukeln, dass ich mich darauf freue das Schulende nochmal so richtig zu feiern. Gib mir bitte direkt die Kugel.

Woher soll ich jetzt so schnell ein Kleid bekommen? Ich kann doch nicht mit einem rückenfreien Kleid auf den Ball gehen. Der Verband ist noch nicht ab und selbst wenn er es wäre, würde eine hässliche 10 cm breite Narbe zum Vorschein kommen.

Ich gehe durch meine Kleider und entdecke es. Ein wunderschönes blaues Kleid, der Rücken ist bedeckt. Ich ziehe es über meine schon gemachten Haare und versuche keine Schminke an den Ausschnitt zu bekommen.

Das Kleid, das mir Tylers Mutter zum Einzug geschenkt hat. Es ist perfekt.

"Brooke, Tyler ist hier.", ruft meine Mom von unten hoch.

Ich ziehe mir schnell dazu passende silberfarbene Schuhe an und krame meine Tasche raus, bevor ich endlich nach unten laufe.

"Wow.", sagt Tyler nur als er mich sieht.

"Du siehst wirklich schön aus, Spätzchen.", sagt Dad nun und gibt mir einen Kuss auf meinen Kopf.

"Danke.", erwidere ich und lächle ihn an.

"Also Tyler, lass sie nicht alleine und bring sie um 12 zurück.", richtet sich Dad nun mit ernster Stimme an Tyler. Er mochte Tyler eigentlich immer, aber er gibt ihm Mitschuld für das was mir passiert ist. Ich habe ihn mit Mom darüber streiten hören. Er hat gesagt, dass Tyler nicht auf mich aufgepasst hat und ich deswegen in diesem Klassenraum war. Ich hasse Dad dafür wie er zu allen ist. Es ist als würde er mich nur noch mit Samt Handschuhen anfassen und alle anderen wie Dreck behandeln.

"Ja, ich passe auf sie auf.", erwidert Tyler nur aufrichtig und lächelt leicht.

"Das hat ja auch letztes mal so gut geklappt.", murmelt Dad gerade so laut, dass alle ihn hören können.

"Dad.", "Peter.", sagen Mom und ich gleichzeitig und gucken ihn verdutzt an.

"Das habe ich verdient, aber ich verspreche ich werde ihr nicht von der Seite weichen.", erwidert Tyler nun ernster.

"Nichts hast du verdient. DU hast nichts falsch gemacht.", sage ich und werfe Dad einen wütenden Blick zu.

"Bis um 12 Uhr.", sage ich laut und knalle die Tür hinter mir und Tyler zu, als wir auf dem Weg zum Auto sind.

Er hält mir die Tür auf und ich steige ein.

"Es tut mir unglaublich doll leid.", sage ich als ich mich endlich wieder etwas beruhigt habe.

"Er hat Recht.", erwidert Tyler, den Blick auf die Straße gerichtet. Ich merke wie angespannt er ist. Seine Finger krampfen sich eng um das Lenkrad und bei einem Blick in sein Gesicht sehe ich den Muskel seines Kiefers, wie er nahezu raus springt.

"Witzig, dass du das denkst. Ich frage mich, ob es überhaupt irgendetwas gibt, wobei er in letzter Zeit Recht hat.", sage ich gedankenverloren und starre aus dem Fenster.

"Tyler du weißt, dass all das nicht deine Schuld ist. Im Gegenteil. Hätten du, Liz und Dylan die Klassenräume nicht abgeklappert... wer weiß wie das alles geendet hätte.", rede ich mit ruhiger Stimme weiter.

"Dylan war es, der dich gerettet hat. Ich kam zu spät.", erwidert er nur kalt.

Es bricht mir das Herz ihn so zu sehen.

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