Ich wachte auf. Gestern war es wieder etwas später geworden, aber das war mir gerade egal, schließlich hatte ich heute frei. Ich machte mich fertig und sah mich dann im Spiegel an. Es saß alles perfekt und auch meine Figur war in Bestform, zufrieden lächelnd ging ich hinunter in die Küche. Ich setzte den Kaffee auf, sah in der Zeit auf mein Handy und las die Nachrichten. Ein paar meiner Kollegen und Kolleginnen, darunter auch Willemijn, hatten geschrieben. Die meisten Nachrichten las ich und ein paar beantwortete ich auch. Danach machte ich mir Müsli mit frischem Obst. Als alles fertig war begann ich mein Frühstück und schaltete das Radio ein. Damit konnte mein Morgen beginnen. Nachdem ich aufgegessen und meinen Kaffee getrunken hatte, schminkte ich mich ganz dezent, schnappte mir meine Sonnenbrille, welche ich dann auch aufsetzte, nahm meine Tasche und verließ das Haus. Mit meinem Auto fuhr ich Richtung Innenstadt, ich wohnte etwas abgelegen, aber dennoch nicht zu weit entfernt und eher zentral. Als ich dann in der Nähe der Stadt war, parkte ich das Auto und ging den Rest zur Fuß. Ich wollte ein wenig Schmuck kaufen und eventuell ein neues Kleid, für die nächste Premiere. Als erstes machte ich mich auf den Weg zum Schmuckgeschäft. Dort fand ich einen Ring und dazu passende Ohrringe, sowie auch eine Kette. Ich bezahlte und überlegte, wo ich als nächstes hingehen könnte. Die Stadt war relativ voll und ich war froh mich für die Sonnenbrille entschieden zu haben, denn so war es unwahrscheinlicher erkannt zu werden. Heute war einer dieser Tage an denen ich einfach unerkannt durch die Stadt bummeln wollte. Selbst als Willemijn gefragt hatte, ob ich nicht etwas mit ihr unternehmen wollte, hatte ich abgelehnt. Ich hatte mich für das nächste Geschäft entschieden und betrat dieses. Das Geschäft war nicht besonders groß, aber die Kleider waren wunderschön. Ein dunkles, knielanges Kleid, mit leichtem Blütenprint fiel mir sofort ins Auge. Als ich es in der Umkleide anprobierte, dachte ich die ganze Zeit an das, was in den letzten Tagen alles geschehen war. Dazu zählten unter anderem auch die letzten Proben vor der Premiere und mein Kurzurlaub in Italien. Ich beschloss das Kleid zu kaufen. Die Proben waren so weit ganz gut verlaufen und der Urlaub, mit meiner Schwester Luana, war einfach wunderschön gewesen. Mit meinen neuen Errungenschaften auf dem Arm und völlig in Gedanken schlenderte ich also weiter durch die Straßen, jedoch holte mich bald darauf ein unsanfter Stoß zurück in die Realität. Jemand hatte mich wohl 'übersehen' und war in mich gerannt. Ich war etwas gereizt und wollte mich gerade lauthals beschweren, als ich die zierliche Blondine erkannte. Es war meine ehemalige Kollegin Lucy. „Lucy. Was machst du denn hier?" fragte ich sie mit einem Lächeln. Die Frau sah mich an. „Oh Roberta, tut mir leid, ich habe dich total übersehen." nach einer kurzen Pause wurden ihre Augen immer größer. „Oh mein Gott Roberta!" quietschte sie mir entgegen. „Schön dich endlich mal wieder zusehen. Gut schaust du aus. Wir haben uns so lange nicht mehr gesehen. Hast dich ganz schön verändert. Was verschlägt dich denn nach Berlin? Ich dachte du bist mit Elisabeth auf Tour." Ich unterbrach ihren Redeschwall: „Ja es freut mich auch dich zu sehen und ich weiß ja nicht, ob es dir nicht entgangen ist, aber Elisabeth spielt bald im Admiralspalast." Weiter kam ich nicht, denn schon wieder begann sie zu plappern. „Oh, stimmt, tut mir leid, ich spiele auch bald in Berlin. Bin gerade noch auf Wohnungssuche, ist ja gar nicht so einfach hier, bei den Preisen. Wir müssen unbedingt öfter etwas zusammenunternehmen, wenn wir schon in derselben Stadt spielen. Hast du überhaupt Zeit dafür? Ich meine du musst doch sicher so kurz vor der Premiere proben und ich muss ja auch noch Proben" . Ich lauschte ihr und versuchte zu folgen. „Lucy, jetzt komm erst mal runter, ich verstehe ja nur die Hälfte." sagte ich grinsend und fuhr dann fort: „Liebste Lucy, willst du mit mir einen Kaffee trinken gehen?" Lucy antwortete: „Ja, Roberta, ja ich will" wir prusteten los. Nachdem wir uns ein wenig beruhigt hatten, hakte sie sich bei mir unter und gemeinsam schlenderten wir zu meinem Lieblingscafé. Es war so schön sie endlich mal wieder zu treffen. Wir suchten uns einen Tisch in einer Ecke, von dem man herrlich das Geschehen beobachten konnte. „So und jetzt erzähl mal was dich hierhertreibt, und zwar so, dass man mehr als die Hälfte versteht." forderte ich sie freundlich auf. Lucy kam meiner Aufforderung nach und begann von ihrem Engagement in Tanz der Vampire zu erzählen und endete damit, dass sie momentan auf Wohnungssuche sei. Ich hatte ihr genau zugehört und freute mich, dass sie ebenfalls in Berlin spielen würde. Ich bot ihr an bei mir zu wohnen, erstens war meine Wohnung groß genug für zwei Personen, zweitens war die Miete dann nur noch halb so teuer und drittens würde es sicherlich ein Spaß werden mit Lucy in einer WG zu wohnen.
Ein paar Tage später war Lucy bei mir eingezogen und wir hatten gemeinsam einiges in unserer freien Zeit unternommen. Es war aber nicht so unbeschwert wie früher. Nein, natürlich nicht, dazu hatten wir uns viel zu sehr verändert. Lucy war zwar ab und an immer noch hyperaktiv und eher glindafiziert, aber trotzdem waren einfach zu viele Jahre ohneeinander vergangen. Wir hatten uns, während der Zeit bei Wicked, alles erzählt und gemeinsam über alles gelacht. Zusammen mit Willemijn, aber sie war jetzt weit weg. In Stuttgart. Lucy und ich waren hier. In Berlin. Ich vermisste Willemijn, dem zu dritt waren wir das perfekte Trio gewesen. Plötzlich hörte ich nur ein Klirren, es riss mich total aus den Gedanken. „LUCY!" schrie ich etwas aufgebracht durch die Wohnung. „Ich wäre dir sehr verbunden die Wohnung, samt Einrichtung, nicht vollkommen zu zerstören." Aus der Küche kam nur ein leises: „War nur das Glas" zurück. Ich schüttelte den Kopf und holte den Staubsauger, um die Scherben einzusammeln. Als ich die Küche betrat stand da eine Lucy, die so tat als wäre nichts gewesen. Ich steckte den Stecker in die Steckdose und saugte die Scherben weg. Hatte ich überreagiert? Ich denke nicht. Sie hatte mir in Stuttgart ähnliche Worte an den Kopf geworfen, als ich aus Versehen ihre Vase runtergeworfen hatte. Doch sie schien es nicht so locker zu nehmen. „Lucy, ist doch nicht schlimm, das passiert auch mir mal" meinte ich als ich fertig war. Doch sie verschwand einfach. Sie hatte ihre Sachen mitgenommen, vermutlich musste sie zum Theater. Ich hatte heute erst später Probe und so hatte ich noch den Rest vom Vormittag bis hin zur Probe für mich. Auch bei mir hatte sich einiges verändert, ich hatte mich weiterentwickelt, sowohl persönlich als auch stimmlich. Es waren Sachen geschehen, die würde ich ihr nicht sagen können und eine Wohnung zu teilen, mit jemandem vor dem man Geheimnisse hatte war vielleicht nicht die beste Idee, aber es war zweckmäßig und schließlich nur für eine bestimmte Zeit. Also würde ich mich zusammenreißen und mich damit arrangieren müssen. Ich machte mir Gedanken darüber, wie zwei Menschen sich so auseinander Leben können. In unserem Beruf kam es nicht selten vor, dass man sich nach dem gemeinsamen Engagement aus den Augen verlor und nicht alle Freundschaften überstanden dies, aber es musste doch Gründe dafür geben, sich so dermaßen voneinander zu entfernen. Manchmal hatte ich das Gefühl, ich hätte eine fremde in meine Wohnung gelassen. Mit der Ausnahme von unserem ersten Wiedersehen war Lucy bisher eher ruhig gewesen. Ob es an mir lag? Wir hatten es nie wirklich geschafft den Kontakt zu halten. Es war anders als bei Willemijn und mir, aber das wollte ich nicht vergleichen. Lucy schien sehr überrascht gewesen zu sein, und sie hatte mich fast nicht wieder erkannt. Hatte sie mich vielleicht sogar vergessen? Möglich wäre es. Aber hätte sie dann so übertrieben euphorisch reagiert? Ich sollte mit ihr reden, aber nicht jetzt. Vielleicht in ein paar Tagen oder doch lieber Wochen. Nach den Premieren, wenn der Probenstress vorbei war und die Anspannung abklang. Ich machte noch den Abwasch und stellte dann die Wäsche an. Danach setzte ich mich aufs Sofa und las ein Buch. Wenn man schon ein wenig mehr Zeit hatte, sollte man diese schließlich auch ausnutzen. Willemijn rief an und sagte mir, dass sie versuchte zur Premiere zu kommen, aber es mir nicht versprechen konnte. Ich erklärte ihr dann, dass ich mich freuen würde, aber dass ich es auch verstehe, wenn sie es nicht schafft. Wir unterhielten uns noch eine Weile. Sie erzählte, was seit unserem letzten Gespräch alles bei ihr los war und ich tat das gleiche. Willemijn wollte mir zuerst nicht glauben, dass Lucy auch hier war, aber so war das nun einmal. Die Niederländerin freute sich für mich und ich wollte es dabei belassen. Vielleicht irrte ich mich ja mit der Vermutung, dass sie sich so stark verändert hatte. Irgendwann beendeten wir unser Telefonat und ich beschloss zu kochen. Ich wollte auf jeden Fall vorm Theater noch essen. Für Lucy kochte ich mit. Es war nichts kompliziertes, Nudeln mit italienischer Tomatensauce. Lecker und unkompliziert. Außerdem dauerte es nicht so lange und man wurde satt. Nach dem Essen zog ich mich um, packte meine Sachen und verließ dann das Haus.
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Bleib noch eben hier
FanfictionRobertas neues Engagement bei der Elisabeth-Tour in Berlin verläuft anders als geplant. Nicht, dass ihre unerwartete Mitbewohnerin ihr schon genug Nerven raubt. Nein, ihre Vergangenheit holt sie ein und als sie immer mehr Gefühle für ihren Kollegen...