Kapitel 25: Hamburg. Neue Stadt. Neues Glück?

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Am nächsten Morgen, nach dem Frühstück, packten wir unsere Koffer in den Kofferraum und ein letztes Mal sah ich in meine Wohnung. Ich rannte durch jeden Raum und schaute, ob auch wirklich alles gut aussah, schließlich sollte es ordentlich sein, wenn ich wiederkäme. Alles was nicht unbedingt mit nach Hamburg musste, hatte ich hiergelassen. Meine Freundin würde ab und zu nach der Wohnung schauen. Ich war ihr so unendlich dankbar dafür. „Robbylein, Hamburg wartet" ertönte die Stimme von Mate. „Ja, ja ich komm ja schon" murmelte ich. „Noch 5 Minuten" „Das hast du eben schon gesagt Roberta" kam zurück, doch ich ging nicht darauf ein. Plötzlich fand ich mich kopfüber baumelnd auf seiner Schulter wieder. „Mate, lass mich sofort runter" kreischte ich und zappelte, doch er ließ nicht locker. „Wobei eigentlich ist die Aussicht ganz schön hier unten. Aus dieser Perspektive gefällt mir dein Hintern irgendwie noch besser." lachte ich. Der Ungar schloss die Tür hinter sich und schloss ab. Dann ließ er mich mit den Worten; „Wir wollen ja kein Aufsehen erregen", wieder runter. Leicht boxte ich ihm in die Seite. „Ey! Jetzt hatte ich mich gerade daran gewöhnt" beschwerte ich mich gespielt empört. Doch er legte nur seinen Arm, eher freundschaftlich, um mich und ging die Treppen hinunter. Als wir allerdings auf die Straße gingen, ließ er auch das bleiben. Wer weiß schon wer uns zusammen sehen könnte, nicht das böse Gerüchte verbreitet wurden und wir seine Beziehung mit Judith gefährden. Zu meinem Glück würde sie nur ab und an nach Hamburg kommen, so hatten Mate und ich viel Zeit für uns. Langsam näherten wir uns den Autos. Uns blieb nichts anderes möglich als beide zunehmen, da wir mindestens ein Auto brauchten und niemand allein Fliegen wollte. Den Zug zu nehmen hätte ewig gedauert und so hatten wir uns geeinigt hintereinander her zu fahren. Da ich ein besseres Navi hatte, würde ich vorne fahren dürfen. Meinen Kollegen ärgerte das etwas, aber was sollte man machen. Ich öffnete mein Auto mit dem Schlüssel und umarmte Mate locker. Zu gerne hätte ich ihn jetzt geküsst, aber zu groß war die Gefahr das uns jemand sieht. Ihn schien das weniger zu jucken, denn in diesem Moment spürte ich seine Lippen an meinem Haar. „Bis später mein Engel, pass auf dich auf. Fahr vorsichtig" sagte er mir noch. „Mach ich. Pass auch auf. Man sieht sich dann in Hamburg" nach diesen Worten stieg ich ein. Er ging seine letzten Schritte zum Wagen und tat es mir gleich. Dann ging es los.

Auf der Autobahn merkte ich erst, dass es wirklich besser war allein zu fahren, denn wir hätten uns gegenseitig vermutlich viel zu sehr abgelenkt. Ich hatte mir schon oft überlegt, wie es wohl war auch mit ihm in der Öffentlichkeit zusammen ein Paar zu sein, das ganze Versteckspiel nicht mehr spielen zu müssen. Es wäre doch um einiges leichter. Allerdings ging es nicht und eine Trennung von Judith schien auch nicht in absehbarer Ferne. Vermutlich würde es unser Verhältnis auch verändern, denn gerade die jetzige Situation machte die ganze Sache doch irgendwie interessant. Ich hatte immer etwas, worauf ich mich freuen konnte und er hatte mir gesagt, dass er mich liebt. Jemanden zu haben, der einen liebt, egal wie man ist, war vor allem im Moment das wichtigste für mich.

Die Stunden vergingen und am Nachmittag kamen wir in Hamburg an. Wir parkten die Autos und luden alles aus. Mate, der den Mietvertrag abgeschlossen hatte und somit die Schlüssel hatte, schloss die Tür auf. Wir waren ab und an schon mal hier gewesen, auch wenn ich immer gemeint hatte, dass ich auch bei Enrico oder in einem Hotel unterkommen könnte. Die Wohnung war etwas kleiner als die in Berlin, reichte für uns zwei jedoch völlig aus. Ich hatte ihm beim Einräumen geholfen und so traf sie sogar meinen Geschmack. Trotzdem würde ich immer für Berlin tendieren, auch wenn Hamburg tatsächlich von der Stadt her schöner war. Die Frage nach einem geeigneten Ort für eine eigene Wohnung hatte sich sowieso letztes Jahr geklärt, nach langem hin und her zwischen Hamburg und Berlin, beides wegen den Jobs und weil Hamburg einfach schön war, hatte ich mich letztendlich für Nürnberg entschieden. Dort war ich aufgewachsen, dort lebte meine Familie und dort fühlte ich mich einfach wohl. Nicht, dass ich mich woanders nicht wohlfühlte, aber meine Heimatstadt war einfach der Ort, neben Italien, an dem ich am besten abschalten konnte, wenn ich mal Urlaub hatte oder arbeitslos war. Letzteres klang hart, war aber nun mal die Realität, wenn kein Engagement anstand, doch selbst dann hatte ich noch den Job bei meinen Eltern im Restaurant, kurz gesagt, eigentlich hatte ich immer noch was zu tun.

Mate riss mich aus den Gedanken. „Hast du Hunger?" fragte er, doch ich vereinte. Schulterzuckend verschwand er in die Küche und nahm sich einen Apfel. Genüsslich aß er diesen. Ich entschuldigte mich und räumte mein Zimmer ein, bezog das Bett und ließ den Koffer verschwinden. Ab morgen würde die Therapie beginnen. Etwas Angst hatte ich schon, aber Mate hatte mir angeboten mich hinzubringen und mich danach auch wieder abzuholen, dieses gab mir ein bisschen Kraft.

Die Autofahrt hatte mich so geschafft, dass ich abends noch auf dem Sofa, in Mates Arm einschlief.

Am nächsten Morgen wachte ich in meinem Bett auf. Der Wecker piepte und ich stellte ihn aus. Mein erster Gedanke war, dass ich heute zum ersten Mal zur Therapie musste. Die Angst davor machte sich in mir breit. Selbst der Gedanke, dass Mate mitkam, beruhigte mich kein bisschen. Vielleicht sollte ich liegen bleiben, dann würde ich einfach sagen ich wäre krank. Für den Moment war ich total überzeugt von der Idee, aber dann fiel mir ein, dass ich es einfach nur vor mir herschob. Außerdem hatte ich sowohl Mate als auch Willemijn versprochen diese Therapie zu machen, um die Geschehnisse nicht weiter zu verdrängen. Das Fazit dieser Überlegungen war, dass alles nichts half, ich musste da heute durch. Vielleicht war es ja auch gar nicht so schlimm wie ich es dachte. Also quälte ich mich aus dem Bett. Es wäre so schön gewesen, den ersten Tag in Hamburg, liegen bleiben zu dürfen. Ich suchte mir also Klamotten raus und ging duschen. Nach dem Duschen ging ich runter und zauberte ein kleines Frühstück für Mate und mich. Gerade als der Kaffee fertig war, kam Mate diskutierend die Treppe runter. Er telefonierte. Einige Wortfetzen bekam ich mit. „Nein, es ist meine Entscheidung", „Da ist nichts." und „Mach doch was du willst". Ich brauchte nicht lange, um zu realisieren, dass er wohl mit Judith redete. Sie stritten und um ehrlich zu sein, hatte ich nicht sonderlich viel Mitgefühl. Es war eine schöne Vorstellung, wenn sie getrennt wären, dann wäre ich die einzige Frau in seinem Leben, jedoch war er auch so schon genug für mich da. Als er mich begrüßte, zuckte ich zusammen. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass er rein gekommen war. „Morgen" meinte ich und reichte ihm dann den Kaffee. Wir unterhielten uns kurz. Dann musste ich bald schon zur Therapie. Mate fuhr und begleitete mich bis zu dem Zimmer. Ich war ihm so dankbar dafür, dass er mitgekommen war. Nach dem Gespräch fiel ich ihm weinend in den Arm, ich war erleichtert und doch war es so schrecklich, dass alles zu erzählen und zu verarbeiten. Doch anstatt Fragen zu stellen, hielt er mich einfach beschützend im Arm und strich mir beruhigend über den Rücken. Es war nicht viel was er tat und doch alles was ich jetzt gerade brauchte. Der Ungar bot mir an mich, beim nächsten Mal, wieder zu begleiten. Ich nickte und war froh, auch das nächste Mal nicht allein zur Therapie zu müssen. Als ich mich dann wieder etwas beruhigt hatte, gingen wir Arm in Arm zu seinem Wagen. Ich zitterte immer noch ein wenig, aber ich schaffte es. Auf dem Beifahrersitz nahm ich wieder platz und schaltete das Radio ein. Während der ganzen Fahrt sprachen wir kein Wort und ich starrte einfach in die Ferne. In der Wohnung angekommen, kramte ich nach der Schachtel Zigaretten und ging damit nach draußen in den kleinen Garten. Die Zigarette brauchte ich jetzt, um mich ein wenig zu beruhigen. Es war wirklich erstaunlich was eine Zigarette so alles bewirken konnte. Nachdem ich geraucht hatte, ging es mir tatsächlich um einiges besser und ich setzte mich mit einem Glas Wasser in das Wohnzimmer. Dort war Mate, doch ich ignorierte ihn. Ich war nicht wirklich in der Stimmung jetzt irgendwelche Gespräche zu führen und so stellte ich den Fernseher an und schaute den ein oder anderen Film. Gegen Abend aß ich mir einen halben Apfel, doch wirklich Appetit hatte ich nicht. Danach ging ich, ohne etwas zu sagen, in mein Bett und versuchte zu schlafen.

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