Kapitel 19: Eine Niederländerin zu Besuch

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Es klingelte, als ich gerade im Bad fertig war. Der Lärm des Staubsaugers war bereits einige Minuten vorher verstummt. Ich hörte wie die Haustür geöffnet wurde. „Mate! Schön dich zu sehen", ertönte da auch schon die Stimme der Niederländerin. Das Badezimmer versuchte ich möglichst unbemerkt zu verlassen, allerdings gelang mir dies nicht, wie ich ein paar Sekunden später feststellte. Nachdem ein: „Danke. Freut mich ebenfalls. Gut schaust du aus" aus dem Mund des Ungarn kam, folgte nun ein leicht hysterisch klingendes und langgezogenes „Roberta" von der Brünetten. Dicht gefolgt von einer herzlichen Umarmung. Es war so schön sie nach längerer Zeit endlich wieder in die Arme schließen zu können. „Hallo mein Lieblingsaffe. Schön, dass du den weiten Weg vom Dschungel nach hier gefunden hast" begrüßte ich Willemijn grinsend. „Wie geht es meiner Lieblingskaiserin denn in der Hauptstadt?" fragte die Niederländerin mich dann und so begannen wir eine kurze Konversation. Irgendwann unterbrach Mate uns dann, um sich zu verabschieden. Er würde etwas mit Maximilian machen, bevor dieser heute Abend spielen müsste. Mir sollte es ganz recht sein, denn so konnte ich meiner Freundin alles erzählen. Besonders die Tatsache, dass Willemijn die perfekte Person war, um über die Sache mit Mate und somit auch über die letzte Nacht zu reden, machte es mir erheblich leichter. Es tat gut, dass sie einfach nur zuhörte und mich in den passenden Momenten in den Arm nahm. Wir hatten das Gespräch zum Glück vorher schon ins Wohnzimmer verlegt, so saßen wir auf dem Sofa und redeten. Es schmerzte über die ganze Geschichte mit Mate zu reden und trotzdem tat es so unfassbar gut. Irgendwann, während der Unterhaltung, kamen mir einfach die Tränen. Ganz vorsichtig wischte die Niederländerin mir diese immer wieder von der Wange. Dann nahm sie mich stumm in den Arm, doch anstatt, dass ich aufhören konnte, kam jetzt alles aus mir heraus. Beruhigend redete sie auf mich ein, auf ihre Worte konzentrierte ich mich nicht, weshalb ich auch nicht wusste was sie sagte, allerdings wirkte der Klang ihrer Stimme wahre Wunder und mit der Zeit hatte ich mich wieder komplett beruhigt. Willemijn ergriff das Wort und wechselte mich somit gekonnt das Thema. Sie erzählte von Proben, Vorstellungen und dem ganzen Kram. Ich war ihr sehr dankbar dafür, denn es lenkte mich etwas ab. Eine Woche hatte sie jetzt frei und würde diese Zeit würde sie nutzen, um mir Gesellschaft zu leisten. Nach einer Weile kochten wir zusammen, das Ergebnis war eine Mischung aus niederländischem und italienischem Essen und es schmeckte mir zugegebenermaßen superlecker. Auch Willemijn schien es zu schmecken. Während des gemeinsamen Essens planten wir den Rest des Tages. Da Willemijn ziemlich fertig von der langen Anreise war, beschlossen wir uns einfach einen Film anzusehen. Wir hatten uns schnell auf 'Arielle' geeinigt. Es war einfach ein toller Film und da wir ihn beide in und auswendig kannten, machte es auch gar nichts, dass wir uns nebenbei unterhielten. Mittlerweile wusste sie auch von dem unbekannten Anrufer. Sie hatte die wildesten Fantasien zu dem Thema, in der ein oder anderen kamen auch Ex-Freunde und so weiter drin vor. Gemeinsam begannen wir denn über ehemalige Beziehungen gequatscht, wobei sie da nicht so viel über eigene Erfahrungen erzählen konnte, denn sie war ja glücklich mit Bart verheiratet. Dennoch wusste sie über jede meiner Beziehungen und einige meiner One-Night-Stands Bescheid. Sie war die Person in meinem Leben, der ich alles anvertrauen konnte, zwar hatte ich auch meine Familie, aber dort war es nicht immer so leicht über so etwas zu sprechen. Natürlich verstanden sie meine Entscheidungen und freuten sich auch, wenn ich neue Jobs hatte, aber dennoch hatten sie es nicht unbedingt verstanden, als ich mich von Florian getrennt hatte, obwohl ich ihn noch so sehr liebte. Die Niederländerin dagegen, hatte mir während dieser schweren Zeit unterstützt und mich immer wieder aufgebaut. Ich war so dankbar sie zu haben.

Mates Sicht 

Ich hatte richtig Mist gebaut, wie konnte mir eine Frau nur so dermaßen den Kopf verdrehen, dass ich meiner Freundin untreu werden konnte? Der Abend und die Nacht waren wunderschön gewesen, gar keine Frage, doch als ich heute Morgen neben Roberta wach wurde, war mir erst so einiges klar geworden. Ich hatte gedacht sie würde noch schlafen, doch da sah ich schon in ihre wunderschönen Augen. Schnell hatte ich die Flucht ergriffen, bevor ich es nur noch schlimmer machen würde. Während des Frühstücks wechselten wir kaum ein Wort und dann verschwand sie auch schon wieder ins Bad, schließlich würde Willemijn uns besuchen kommen. Nachdem ich gestaubsaugt hatte, klärte ich mit Max ab, dass ich nachher noch vorbeikommen würde. Er musste zwar heute Abend ins Theater, aber ich brauchte jetzt Ablenkung und da Kurosch auf dem Weg zu Marle war, blieben mir nicht viele Möglichkeiten, denn viele mussten heute Doppel-Shows spielen. Nach einem kurzen Plausch mit der Kala-Darstellerin verabschiedete ich mich. Eigentlich suchte ich noch ein einziges Mal den Blickkontakt, bevor ich verschwand, doch Roberta wich meinen Blicken aus. Zurecht. Ich hatte mich echt benommen wie der letzte Mensch. Der Alkohol hatte mir die Sinne vernebelt, aber das war keine Ausrede und schon gar keine Entschuldigung. Das mit Judith war schön, dass stand außer Frage, aber das mit Robby war so aufregend. Ihre Art machte mich wahnsinnig und wie sie mich geküsst hatte. Die Italienerin hatte mir ganz schön den Kopf verdreht, allerdings hatte sie ja mittlerweile auch einen ziemlich guten Ruf was One-Night-Stands betraf, auch wenn das gestern deutlich mehr war. Außerdem konnte ich ihr die Schuld ja schlecht in die Schuhe schieben, denn ich war ja derjenige, der mitten in der Show die Beherrschung verloren und sie etwas leidenschaftlicher geküsst hatte. Damit hatte alles angefangen. Dazu kamen dann noch die Nachrichten des Unbekannten, die sie total zerstört hatten. Immer wieder war ich für sie da, immer wieder hatte sie sich ängstlich an mich geklammert und immer wieder freute ich mich, wenn ich Roberta ab und an lächeln sah. Es konnte ja niemand ahnen, dass das ganze so aus dem Ruder lief. Plötzlich hatte Judith sich gemeldet, zu einem der ungünstigsten Zeitpunkte, den sie sich hätte aussuchen können, dann der Unfall, ich hatte Roberta für meine Freundin gehalten, als ich im Krankenhaus lag, hatte sie nicht als meine Kollegin erkannt und als mir das ein paar Tage später bewusst geworden war, hätte ich mich selbst ohrfeigen können. So oft hatte ich mich entschuldigt und sie hatte immer wieder abgewinkt. Es sei nicht schlimm gewesen, es hätte ihr nichts ausgemacht. Doch ich wusste, dass sie nur die toughe Roberta gab, sie war nun mal Italienerin und manchmal überwog diese Seite und dann war ihr italienischer Stolz besonders stark. Da konnte man dann auch nichts mehr dagegen machen.

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