Kapitel 8: Endproben

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Mates Sicht

Auf Anfrage von Max, wollte ich bei Roberta nach dem Rechten schauen. Also klopfte ich und trat einfach rein, doch was ich dann sah schockierte mich. Meine liebenswerte Kollegin, war scheinbar am Boden zerstört, sie weinte bitterlich. Als sie mich erblickte, sah sie schnell weg und ich nahm sie tröstend in den Arm. Allerdings stoppte sie nicht, sondern begann erst so richtig. Es tat mir weh sie so zu sehen und ich nahm sie in den Arm, ich wollte sie beschützen, ihr Sicherheit geben oder was auch immer sie gerade braucht. Ich wollte ihr den Beistand geben, den sie von ihrer Familie im Moment nicht bekommen konnte. Auf meine Frage was los sei, antwortete sie aber lediglich, dass ihre Hand schmerzte. Ich nahm es hin, aber glauben, dass es nur deshalb war, wollte ich nicht. Ein paar Minuten später, saßen wir dann beim Arzt, wo wir uns auch locker eineinhalb Stunden aufhielten, bis wir endlich fertig waren. Danach ging es zurück zum Theater, Robby war sichtlich genervt von der Schiene und für einen kurzen Moment schien sie ganz die Alte zu sein. Als ihr Handy klingelte, sah sie panisch auf den Display, worauf sich ihre Mimik aber wieder etwas entspannte. Spätestens jetzt wurde mir erst so richtig bewusst, dass sie vor etwas oder besser gesagt jemandem Angst hatte. Bevor ich jedoch weiter darüber nachdenken konnte, wurde ich von Fans abgefangen, auf die Frage ob das Roberta sei, die da telefonierte, antwortete ich nur: „Die ist schon seit einer Stunde am Proben" und damit ließen die Fans schnell davon ab. Nachdem ich fertig war, schien auch meine liebe Kollegin fertig zu sein und wir gingen gemeinsam ins Theater.

Auf dem Weg zur Bühne fing ich sie nochmal kurz ab. Ich wollte ihr Mut zu sprechen, aber letztendlich gab ich ihr einen Kuss auf ihre wunderschönen braunen Haare und zog sie in eine Umarmung. Die sonst so fröhliche und selbstbewusste Italienerin, wirkte für mich plötzlich so verletzlich. Wie konnte ich nur für sie da sein, wenn sie mit niemandem sprach? Wie sollte ich ihr denn helfen, wenn ich nicht wüsste wobei? Es verletzte mich irgendwie, dass ich so hilflos war. Das Einzige was ich momentan für sie tun konnte, war ihr eine wundervolle Show zu spielen. Ja, ich würde die nächsten Tage nur für sie spielen. Langsam wurde mir Bewusst, dass es schon einige Wochen so ging, sie war weniger mit uns unterwegs, weniger draußen, flüchtete von der Stagedoor und war kaum noch zu erreichen. Was war denn bloß los mit ihr und warum sagte sie nichts? Ich schob die Gedanken beiseite und auch Robby schien dies zu tun. Die Proben verliefen sehr emotional und mit ihrer Stimme brachte sie selbst mich zum Weinen, so zerbrechlich sie auch wirkte, in ihrem „Wenn ich tanzen will" lag heute anscheinend besonders viel Wut. Meiner Meinung nach spielte sie schon immer mit viel Emotionen, aber diese Version war mir neu.

Nach dem ersten Teil der Probe fiel sie mir einfach nur in den Arm, legte ihren Kopf leicht an meine Brust und klammerte sich an mich fest. Währenddessen stand ich reglos da und atmete ihren Duft ein. Für gewöhnlich würde ich sie ja necken, aber das würde sie nicht verkraften, zu stark war die Sache die sie zerstörte, nicht äußerlich, aber von innen, es fraß sie auf und lange würde sie es weder auf der Bühne geheim halten können, noch der ganzen Sache stand halten. „Mate..." begann sie ganz leise. „Ich.. ich" doch weiter ließ ich sie nicht sprechen: „Schhhh, alles gut. Du musst mir nichts erklären. Ich bin bei dir" ich begann sie zu trösten, alles so, dass möglichst niemand etwas mitbekam. Um auch dieses weiterhin zu verhindern, hob ich meine Kollegin sanft hoch und trug sie bis zum Sofa in meiner Garderobe. Dort ließ ich sie ab, setzte mich hin und spürte, wie sie ihren Kopf auf meine Beine schob und sich dann auf das Sofa legte. Ganz leise summte ich ihr was vor und bald vernahm ich ihr ruhiges Atmen. Sie war eingeschlafen.

Roberta's Sicht

Ich schoss in die Höhe, schweißgebadet saß ich nun da. „Roberta, alles ist gut, du hast nur geträumt" vernahm ich eine leise Stimme, daraufhin spürte ich eine Hand sanft über meinen Kopf streicheln. Normalerweise wäre ich nach solch einem Traum, nicht so schnell wieder ruhig, doch es half. Jetzt fühlte ich mich sicher, aber es hielt nicht lange, denn dann fiel mir der Grund wieder ein. Mein Traum handelte von dem Unbekannten, er hatte in meiner Wohnung gewartet, er hatte mir aufgelauert und er hatte mich fertig gemacht. Jedoch hatte ich nichts gesehen, nur eine schwarze Gestalt. Vielleicht sollte ich mir Urlaub nehmen, mich doch krankschreiben lassen, aber genau das wollte er. Damit hätte ich verloren und der Unbekannte gewonnen, nein, das konnte ich auf keinen Fall zulassen. Ich würde kämpfen. Elisabeth hatte gekämpft und auch Elphaba wäre nicht ans Ziel gekommen, wenn sie aufgegeben hätte. Ich hatte so viele starke Frauen gespielt. Jetzt hieß es für mich weiterkämpfen und nicht aufgeben.

Mates Stimme zog mich zurück in die Gegenwart. „Robby alles in Ordnung?" fragte er besorgt. „Ja, alles gut" antwortete ich ihm und merkte selbst wie falsch diese Worte waren, doch Mate bohrte nicht weiter nach. Es war besser so, ich wollte ihn da nicht auch nicht mit reinziehen, ich würde es schon allein schaffen.

Die Pause war zu Ende und jetzt ging es an die Proben mit Max. Ein wenig traurig darüber, dass ich mich nicht so fallen lassen konnte wie ich es bei Mate tat, begann ich wieder. Als wir dann 'Ich gehör nur mir' probten war es mir egal was die anderen von mir dachten. Ich sang einfach darauf los, die ganze Wut kam hervor, ich sah wie die Kollegen kamen und mir zusahen. Meine Stimme war kräftiger als sonst, zumindest soweit ich das beurteilen konnte. Es tat gut alles herauszusingen, aber danach war ich völlig fertig. Ich musste nach Hause. Es ging einfach nicht mehr.

Unter dem Vorwand der Schmerzen, verabschiedete ich mich. Ich schnappte mir die Sachen aus meiner Garderobe und machte mich fluchtartig auf den Heimweg. Ich bereute es jetzt doch ein wenig nicht mit dem Auto gekommen zu sein und so beeilte ich mich zur S-Bahn zu kommen, damit ich schnell zu Hause war. Doch der Rückweg zog sich ewig lang. Nach gefühlten Stunden konnte ich endlich die Wohnungstür aufschließen. Ich verschloss diese hinter mir wieder und fiel weinend zu Boden.

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