Kapitel 12: Die Neue

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Mates Sicht

Ich beobachtete sie. Sie lag in meinem Arm, meine starke und temperamentvolle Italienerin, sie wirkte so zerbrechlich. Langsam spürte ich, wie sie sich entspannte, bis ich ihre ruhige Atmung vernahm. Darauf schlussfolgerte ich, dass sie eingeschlafen war. Eigentlich wollte ich aufstehen, doch die Angst davor, sie wieder zu wecken hielt mich davon ab. Ich beobachtete sie also beim Schlafen, sie wirkte so friedlich, so zufrieden und doch wusste ich, dass die Wahrheit anders aussah. Leider. Auch ihren Geruch hatte ich noch nie so bewusst wahrgenommen und ich musste mir eingestehen, dass er mir gefiel. Ich dachte darüber nach, wie ich sie am besten vor dem Fremden schützen konnte. Am liebsten würde ich ihr die ganze Last einfach abnehmen, es hatte mir eben fast das Herz gebrochen, als ich sie am Boden liegen sah. Dieser komische Vogel hatte sich ja einfach verdrückt. Mir war er von Anfang an nicht besonders sympathisch gewesen, aber Roberta zuliebe, hatte ich versucht mir ihm klar zu kommen. Irgendwann bewegte meine Kollegin sich und riss mich damit aus meinen Gedanken. Sie umklammerte mich fest und dann summte sie leise vor sich hin. Ich versicherte mich das sie noch schlief und hörte ihr dann zu. Ich kannte das Lied nicht, aber die Tatsache, dass sie im Schlaf vor sich hin summte, fand ich irgendwie süß. Jedoch war sie meine Kollegin und außerdem, ich war sicherlich nicht in sie verliebt. Das war unmöglich. Ich wusste nicht wie viel Zeit vergangen war, aber irgendwann wachte sie auf, sie blickte mich mit ihren großen, blauen Augen an und lächelte. Eine Strähne hatte sich in ihr Gesicht verirrt und ich strich es sanft weg. Der Schlaf schien ihr gut getan zu haben. Sie streckte sich und ich stand auf. Mein Handy klingelte und ich entschuldigte mich kurz, danach verließ ich das Zimmer. „Judith schön mal wieder von dir zu hören. Wie geht's dir so?" „Hallo Mate" ertönte es aus dem Hörer. „Mir geht's soweit ganz gut. Nur meine Wohnung ist halb abgefackelt. Kann ich bei dir unterkommen? Oder bist du gar nicht mehr in Berlin" Es freute mich ihre Stimme zu hören. „Ich möchte gar nicht wissen wie du das schon wieder geschafft hast. Momentan wohne ich bei meiner Kollegin, aber sie hat bestimmt noch Platz. Ich frage sie gleich mal." Nach Judiths Antwort, schrie ich durch die Wohnung. „Robby, hast du was dagegen, wenn Judith hier mit einzieht. Sie hat ihre Wohnung abgefackelt" Von meiner Kollegin kam die Zustimmung und so holte ich Judith eine Stunde später vom Bahnhof ab. Sie fiel mir um den Hals und wir küssten uns. Es war schön sie endlich mal wieder zu sehen. Roberta hatte ich mit einem schlechten Gewissen zuhause gelassen, aber sie wollte partout nicht mit. Vielleicht war es auch besser so, so würde Judith ihr nicht zu Beginn die Augen auskratzen, denn ich befürchtete, dass die Beiden des Öfteren aneinandergeraten würden. Beide hatten sie nun mal viel Temperament. Zusammen fuhren wir zur Robertas Wohnung, die meine Kollegin und ich, kurzerhand in 'Zweckgemeinschaft' umbenannt hatten. Dort angekommen, stellte ich sie erst einmal vor. „Roberta, das ist Judith, eine sehr gute Freundin von mir. Judith, das ist Roberta, meine liebenswerte Kollegin" Sie musterten sich von oben bis unten. Als erste meldete sich Robby: „Freut mich dich kennen zu lernen" und reichte ihr die Hand. Judith tat es ihr nach. Danach zeigte ich ihr das Zimmer und dann den Rest der Wohnung. Es schien ihr nicht zu gefallen, dass ich sie nicht als meine Freundin vorgestellt hatte, aber sie hatte es ja geheim halten wollen. In ihrem Zimmer küssten wir uns wieder. „Ich liebe dich" flüsterte ich ihr entgegen. Sie wiederholte diese Worte, mit ihrer wunderschönen Stimme.


Robertas Sicht

Ich wusste es, es war eine von diesen Frauen, die aussahen wie alle anderen. Sie hatte gefärbte Haare. Zwar ohne Ansatz, aber trotzdem konnte man es erkennen, wenn man wollte. Florian hatte mir geschrieben, er könnte zurück ins Hotel und so war das weibliche Geschlecht in der Überzahl. Allerdings wusste ich nicht, ob ich das gut finden sollte, Sie hatte mich gemustert, von Kopf bis Fuß, ihre Mimik war dabei weniger freundlich. Mate schien es nicht zu bemerken. Aber er schien glücklich zu sein. Mit ihr. Ich wollte kurz ins Bad, da hörte ich auch schon das Liebesgeflüster aus ihrem Zimmer. Eigentlich belauschte ich ja niemanden, aber das hatte ich zufällig aufgeschnappt. Meine Stimmung sank wieder, erst legte er sich zu mich, kümmerte sich super um mich, trug mich fast auf Händen und verheimlichte mir dann, dass er eine Freundin hatte. Ich hasste ihn dafür. Er würde es schon merken. Spätestens im Theater, er würde vor meinen Sprüchen, die er angeblich ja so vermisste, nicht mehr retten können. Ich verschwand also kurz ins Bad. Ich fühlte mich schlecht. Na ja, ändern würde ich es sowieso nicht können. Außerdem würde ich wohl damit klarkommen. Es war ein wenig wie bei Wicked: 'Er könnt es sein, doch ich bin es nicht' Jetzt bloß nicht in Selbstmitleid versinken. Ich hatte echt wichtigeres zu tun, als meinem Kollegen nach zu heulen, obwohl ich sowieso nicht etwas mit ihm angefangen hätte, zumindest nicht während der Elisabethzeit.

Ich machte mich auf den Weg in die Küche. „Ich koche heute" sagte ich etwas lauter. Dann kramte ich auch schon die Töpfe raus. Ich füllte sie mit Wasser und stellte sie auf den Herd. Danach schnitt ich etwas Gemüse klein. Ich briet etwas Hähnchen an und schnitt es dann in kleine Stücke. Nebenbei kochte ich Reis und fertigte eine Sauce. Das Gemüse tat ich mit in die Pfanne. Als letztes kam die Sauce dazu. Ich hatte noch einen kleinen Salat gezaubert. Danach richtete ich alles an. „Essen ist fertig" rief ich, nachdem ich den Tisch gedeckt hatte. Die beiden kamen in die Küche und setzten sich hin. Judith fragte, was es war und ich erklärte es ihr. Ich hatte nach einem italienischen Familienrezept gekocht und hoffte, dass es ihnen schmeckte. Als letzte hatte ich mich an den Tisch gesetzt, die anderen beiden hatten sich schon bedient. Auch ich füllte meinen Teller etwas. Ich war zufrieden mit dem Essen und zumindest Mate schien es auch zu schmecken. „Ich hoffe du magst italienisch" wendete ich mich an Judith und sie nickte stumm. Soweit also zum Thema Konversation mit der Neuen. Sowas konnte mich ja echt aufregen, wenn man sich nicht einmal gescheit mit jemandem unterhalten konnte, weil die andere Person gar nicht erst interessiert an einem Gespräch war. Ich war mir sicher, sie war eine tolle Frau, aber ihre Art mir gegenüber gefiel mir nicht. Vielleicht würde sich das mit der Zeit ändern. Mein Kollege lobte mich beziehungsweise mein Essen.

Ich fühlte mich etwas geschmeichelt, allerdings hielt es nicht so lange an, denn mir fiel ein, dass ich ab morgen früh mit seiner Freundin allein war, das würde sicher spaßig werden. Irgendwie würde ich es wohl überleben, meinen Urlaub ließ ich mir von ihr bestimmt nicht vermiesen und vielleicht war sie morgen ja etwas freundlicher. Nach dem Essen saßen wir noch gemütlich etwas zusammen. Wir unterhielten uns etwas, doch dann verabschiedete ich mich auch schon von den Beiden. Ich war müde und der erste freie Tag hatte mich fast mehr geschafft als die Proben vor den ersten Previews, erst hatte Florian mich geküsst, danach hatte er mich verletzt, mir gesagt er liebte mich, später bekam ich eine Nachricht von dem Unbekannten, dann hatte ich mit Mate gekuschelt und jetzt war Judith hier. Das alles musste ich erst einmal verarbeiten und dazu musste ich schlafen. In Ruhe und vor allem auch lange genug.

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