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Doch auf dem Weg nach Hause kommen mir meine Zweifel. Meine Eltern werden so oder so mitbekommen, dass ich verprügelt wurde, so wie ich aussehe. Ich kann mich nicht ewig verstecken. Und was, wenn sie es sehen? Es ist nicht meine Art mich zu prügeln, sie werde mich dann so lange ausquetschen bis ich erzähle, dass ich mehr oder weniger gemobbt werde. Und dann werden sie mich so lange ausquetschen bis ich erzähle warum. Sprich, wenn ich jetzt nach Hause gehe werden sie herausfinden, dass ich mich ritze. Sie werden alles mitbekommen. Auch wenn sie mich lieben, ich weiß dank Jin wie sie zu psychischen Krankheiten stehen. Sie halten es für Unsinn, sie denken es wäre nur eingebildet. Sie haben sogar mal gesagt, wenn sie Jin Eltern wären hätten sie ihn rausgeschmissen. Sie sind wirklich die letzten Menschen denen ich das erzählen kann. Was soll ich nur machen?

Ich habe solche Angst rausgeschmissen zu werden, mein Vater würde sicher keinen Halt davor machen, und meine Mutter würde dann sowieso zu ihm halten. Ich wäre vollkommen aufgeschmissen. Ja, Yoongi wohnt allein und ich könnte ihn überreden, dass ich zu ihm ziehe, er würde es mir wahrscheinlich sogar ohne zu zögern anbieten, aber ich kann ihn nicht so lange belasten. Ich kann ich nicht den ganzen Tag sein Leben schwer machen, ich habe so gut wie kein Geld und bisher auch keinen Job, er müsste sämtliche Sachen für mich mit bezahlen. Das kann ich ihm nicht ewig antun. Aber vielleicht kann ich jetzt ein paar Nächte bei ihm schlafen, nur bis die Wunde an meiner Lippe soweit verheilt ist, der Rest wäre ja leicht machbar. Ich könnte mir einfach sowas wie einen Abdeckstift für die blauen Flecken organisieren, das bekomme ich schon hin. Der Entschluss steht fest, ich werde jetzt wohl oder übel Yoongi fragen müssen. Ich tippe seine Nummer mit etwas zitternden Händen in mein Handy, eigentlich will ich ihn nicht mit sowas belasten, aber es ist wohl momentan die beste Lösung.

"H-hey Yoongi. Ich wollte fragen ob ich vielleicht ein paar Nächte bei dir schlafen kann, nur bis die Wunde an meiner Lippe verheilt ist, meine Eltern dürfen nicht sehen dass ich verprügelt wurde. Wäre das okay?" Meine Stimme zittert leicht, aber Yoongi scheint es nicht einmal zu stören, er stimmt sofort freudig zu, sodass ich mich auf den Rückweg zu ihm mache.

Dort angekommen schreibe ich meinen Eltern schnell eine Nachricht, sie haben noch nie irgendwas gesagt, wenn ich woanders schlafen wollte, sie sind ja sowieso die meiste Zeit arbeiten. Auch wenn sie mich liebhaben, die Beziehung zwischen uns war noch nie so eng wie bei anderen Familien, sie arbeiten nun mal beide Vollzeit und haben nicht so viel Zeit für uns, außerdem war ich schon immer gern alleine. Auch in der Zeit mit Jin habe ich auch öfter ein paar Nächte außerhalb geschlafen, immer wenn es ihm besonders schlecht ging, einfach um da zu sein, falls...er etwas vorhat. An diesem einen Tag habe ich das ja leider nicht geschafft. Jedenfalls, meine Eltern werden bei sowas keinen Verdacht schöpfen.

"Hey Namjoon, wie kommst, dass du dir auf einmal doch solche Sorgen darüber machst?" Er steht schon in der offenen Tür als ich die Treppe hoch komme, den Rucksack nimmt er mir direkt ab.

"Naja, eben ist mir klar geworden, dass sie dann vermutlich auch rausfinden würden, dass ich mich ritze. Ich bin kein Mensch, der sich prügelt, sie würden also herausfinden, dass ich gemobbt werde. Und den Grund dafür würden sie dann ja auch herausfinden, daher kann ich ihnen so nicht unter die Augen treten. Ich will nicht, dass sie es herausfinden." Sage ich, während ich mich meiner Schuhe und Jacke entledige. Den Fakt, dass sie mich vermutlich vor die Tür setzen würden, lasse ich getrost aus, Yoongi scheint auch nicht weiter nachfragen zu wollen. Ich denke, er versteht dass man seinen Eltern jetzt nicht unbedingt mitteilen möchte, dass man depressiv und/oder soziophobisch ist.

"Kann ich verstehen, dann komm erstmal mit. Ich leihe dir ein paar gemütliche Klamotten, dann waschen wir erstmal deine Schuluniform, da sind noch Blutflecken drauf. So kannst du morgen ja wohl kaum zur Schule." Sagt er und schaut auf mein weiß-rotes Hemd.

"Ja, das stimmt wohl. Aber ich gehe morgen hin, sonst hat Jungho ja sozusagen gewonnen."

"Mutest du dir nicht zu viel zu? Außerdem, sich mit Jungho anzulegen, kann wirklich etwas gefährlich werden. Was, wenn du noch schlimmeres abbekommst als das? Oder wenn sie dich noch anders blamieren wollen?"

"Yoongi, ich schaffe das. Die Menschen in dieser Schule finden mich sowieso schon komisch, ich meine fast alle wissen, dass ich mich ritze. Außerdem, ich habe ja auch noch Hobi und die anderen, sie sind ja schließlich auch noch mit uns befreundet. Ich muss da jetzt einfach durch, ich schaffe das. Versprochen." Er sieht mich ein wenig erleichtert an, ich hoffe er hat mir das geglaubt. Dass ich selbst unglaubliche Angst habe in diese Schule zu gehen und noch mehr blamiert habe, werde ich ihm nicht erzählen. Auch wenn ich weiß, dass es nichts schlimmes ist, ich will irgendwie trotzdem keine Schwäche zeigen. Ich will ihm auch nicht noch mehr Sorgen machen.

"So, jetzt komm jedenfalls mit, ich leihe dir jetzt ein paar Sachen und eine Zahnbürste, dann können wir gleich einen Fernsehtag machen und deine Sachen waschen. Es ist ja schließlich erst später Nachmittag." Gesagt, getan, nach zwanzig Minuten sitzen wir beide mit Snacks auf dem Sofa und schauen einen Anime, so wie wir es sonst bei Übernachtungen auch gemacht haben...

-

Inzwischen liegt Yoongi schon in seinem Bett, ich liege auf dem Ausklappsofa, was auch in seine, Zimmer steht. Eigentlich schlafen wir ja auch beide in dem Bett, daran ist ja nichts schlimmes, aber Yoongi bestand darauf, dass ich allein in dem Bett und er auf dem Sofa schläft, damit der mich nachts nicht aus Versehen tritt, wegen den blauen Flecken. Ich konnte es wenigstens noch so drehen, dass er in dem Bett und ich auf dem Sofa schlafe, ich mache ihm ja schon genug Probleme und da soll er wenigstens das weiche Bett bekommen.

Allerdings ist es wieder da. Der Drang. Ich habe schon versucht, mich einfach so lange zu kratzen bis es wehtut oder sonstige Alternativen, aber es hilft nicht. Ich muss es jetzt wieder tun, die Frage ist wie. Doch dann kommt mir die Idee.

Ich schleiche mich vorsichtig aus dem Raum, darauf bedacht ihn nicht zu wecken. Auf dem Esszimmertisch liegen noch unsere Schulsachen, ich nehme meinen kleinen Anspitzer und mein Verbandszeug und gehe ins Bad. Die Tür verschließe ich hinter mir, ich setze mich mit dem Rücken daran angelehnt vor seine kleine Badewanne.

Mithilfe meines Fingernagels schraube ich die kleine Schraube aus dem Anspitzer, sodass man die Klinge herausnehmen kann, diese Idee habe ich schonmal in einem Buch gesehen und es funktioniert tatsächlich. Die kleine Klinge habe ich erst mit dem Desinfektionsspray aus dem Verbandskasten desinfiziert, die Schnitte sollen sich ja nicht entzünden. Dann setze ich die Klinge vorsichtig an meinem Arm an, den Ärmel habe ich so weit hochgeschoben, dass kein Blut heran kommen kann.

Ich ziehe sie erst langsam durch meine Haut, sie schneidet nicht so gut. Die Klinge ist recht stumpf. Daher drücke ich bei den nächsten Schnitten mehr zu, ziehe schneller durch. Immerhin kann ich damit so fest drücken wie ich will, die Klinge ist erstens kleiner und zweitens stumpf, sodass ich damit nicht z tief schneiden kann. Ich merke auch, dass es dieses mal nicht gefährlich werden kann, daher mache ich einfach weiter ohne Sorge.

Es tut mir so Leid Yoongi, aber ich halte es langsam nicht mehr aus...

Sociophobia° ~ Namjoon FFWo Geschichten leben. Entdecke jetzt