„Sag mal Lucy, was hast du da eigentlich im Gesicht?", räuspert sich Blake plötzlich leise, ohne von seinem Handy aufzuschauen. Da ich heute kein Training geben muss - die Grippewelle lässt grüßen - und meine Eltern nicht zu Hause sind, haben wir uns dazu entschlossen, gemeinsam Zeit zu verbringen. Blake liegt mit seinem Handy auf meinem Bett und ich bin in ein Buch vertieft.
Irgendwie habe ich das Gefühl, dass der Blauäugige seit sechs Tagen - dem Tag, an dem wir in der Trampolinhalle waren - anders ist. Er hat mich nach der Schule nicht mehr nach Hause gebracht, mich auf dem Pausenhof mehr oder weniger ignoriert und ist generell ziemlich verschlossen. Er ist kaum wiederzuerkennen.
Die Zeit ohne ihn habe ich dazu genutzt, um ein Gespräch mit meinen Freundinnen zu suchen, doch sie haben alle drei komplett abgeblockt. Anscheinend ist ihnen unsere Freundschaft nicht mal ansatzweise so wichtig, wie mir.
„Was meinst du?", hinterfrage ich schließlich Blakes Worte und lege mein Buch zur Seite. Manchmal kann ich aus dem Blondhaarigen einfach nicht schlau werden und dieser Moment gehört eindeutig dazu. „Na, du. Du", druckst er verlegen herum und fuchtelt mit seinen Händen vor meinem Gesicht herum. Kann er nicht normal mit mir reden?
„Ich, was?", hake ich leicht genervt nach und fahre die Konturen meines Gesichtes nach. Findet er es etwa schlimm, dass ich ungeschminkt bin und meine Haut deshalb an einigen Stellen gerötet ist? „Du-"
„Sag mir doch einfach, dass du mich ungeschminkt hässlich findest, Blake", stoße ich ihm spielerisch in die Seite. Doch anstatt mein Lachen zu teilen, bleibt er vollkommen ernst. Wow. Er findet mich also tatsächlich nur geschminkt hübsch. „Oh", raune ich. „Jetzt weiß ich ja Bescheid."
Warum müssen die Menschen immer so verdammt oberflächlich sein? Ich könnte zwar ein hübsches Gesicht haben, aber wenn mein Charakter hässlich wäre, so wäre ich als gesamter Mensch hässlich. Ich muss zugeben, dass mich Blakes Denkweise traurig macht und verletzt. Ich dachte, er hätte sich in den letzten Tagen geändert.
„Lucy", setzt Benannter verzweifelt an, während er den Pickel oberhalb meiner rechten Augenbraue fokussiert. „Nein nein, ist schon okay", wimmele ich ihn ab, da ich es nicht ertragen könnte, wenn er gemeine Bemerkungen von sich geben würde. Es ist wirklich lächerlich, dass ich dachte, Blake würde mich so akzeptieren, wie ich bin. Und dazu gehört auch mein ungeschminktes Ich. Nur weil ich kein Make Up trage, bin ich ja immer noch dieselbe Person.
„Es ist nur so, dass ich Pickel hasse. Die sind nämlich echt ekelig", schüttelt sich Blake, ehe er wieder auf sein Handydisplay starrt. „Das ist etwas vollkommen Natürliches. Ich bin sechszehn Jahre alt und mitten in der Pubertät. Ich hätte auch gerne so reine Babyhaut wie Mayleen, aber die habe ich nun einmal nicht." Verständnislos wende ich mich von dem Blondhaarigen ab und verstecke mein Gesicht hinter dem Buch.
Herzlichen Glückwunsch, Blake, du bist offiziell ein oberflächliches Arschloch!
Tatsächlich verletzt mich sein angewiderter Blick so sehr, dass mir eine Träne über die Wange kullert. „Ach ja, du musst nicht bleiben, wenn dich mein Anblick so sehr verstört. Du kannst auch gehen", gebe ich leise von mir und hoffe insgeheim, dass er bleibt.
Doch mal wieder täusche ich mich in Blake.
„Okay. Wir sehen uns." Mit diesen Worten hastet der Blauäugige aus meinem Zimmer, ohne mir überhaupt einen letzten Blick zuzuwerfen. Der perfekte Ferienbeginn.
Von Wut geleitet erhebe ich mich von meinem Bett und husche ins Badezimmer. Ich habe mich noch nie richtig geschminkt, doch irgendwann ist anscheinend immer das erste Mal. Wenn Blake unbedingt eine Schminkpuppe haben will, dann bekommt er auch eine!
DU LIEST GERADE
Paper Hearts
ChickLit„Seit ich ihn kenne, besitze ich ein Herz aus Papier."- Lucienne Sawyer Es erfordert nur einen Moment der Schwäche, eine Sekunde der Unachtsamkeit, einen Herzschlag der Verzweiflung und schon hat sich Blake Archer in Lucys Leben geschlichen. Dass ih...