- Kapitel 19. -

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- Kapitel 19. - 

Mit geöffneten Mund sah ich ihn an und konnte nicht antworten. Ich hatte damit gerechnet, doch jetzt wo er es sagte, traf es mich doch. Meine Gefühle spielten verrückt und ich wusste, dass ich mich zu ihm hingezogen fühlte, doch ich liebte ihn noch nicht. Vielleicht änderte es sich ja irgendwann? Evan sah mich nervös an und wartete wahrscheinlich immer noch auf eine Antwort. Sollte ich es wagen? Sollte ich ihm eine Chance geben und ihn womöglich verletzen, wenn ich es doch nicht mehr kann? Oder sollte ich lieber direkt nein sagen?

„Nathalia?“ Ich sah auf. Unbewusst hatte ich meinen Blick gesenkt. Er wartete. Sollte ich? Ja. Ich tat es einfach. Es konnte nur schief gehen. Ich schlang meine Arme um seinen Hals und küsste ihn. Dabei bemerkte ich, dass er nicht sofort erwiderte. Doch es dauerte nicht wirklich lange, bis er mich gegen die Tür drückte und ihn erwiderte. Meine Gedanken schaltete ich aus, dass war das Beste, dachte ich.

„Ich muss jetzt rein“, nuschelte ich zwischen zwei Küsse und sackte leicht weg. Das merkte auch er und entfernte sie sich weiter von mir. Dann nickte er. Er brachte mich mit rein, bis zur Haustür. Keiner sagte etwas, doch zuletzt sprang ich über meinen Schatten und bat ihn herein. Man hörte nur uns. Ich schaltete das Licht ein und entdeckte direkt einen Zettel auf der Kommode. Als ich den Zettel las, spürte ich wieder Küsse in meinem Nacken. Ich kicherte ungewollt.

„Wir sind alleine“, sagte ich und drehte mich zu ihm um. Er zog mich wieder zu sich und hauchte mir einige Küsse unters Ohr. Eine wohlige Gänsehaut breitete sich aus.

„Weißt du eigentlich, wie glücklich du mich machst“, flüsterte er dabei.

„Vielleicht“, gab ich zurück und hielt mich an seinem T-shirt fest. Danach zog ich ihn in mein Zimmer und ließ ihn sich hinsetzen. Ich schnappte mir mein Top und meine Schlafboxershort und ging ins Badezimmer, damit ich mich ein wenig frisch und umziehen konnte. Als ich zurück kam, sah ich Evan schon grinsend in meine Bett liegen.

* * * * * * *

Händchenhaltend betraten Evan und ich den Schulhof. Es war komisch, dass musste ich zu geben, doch nun konnte ich es nicht mehr ändern. Mir blieben Evans glücklichen Blicke nicht verschont. Immer wenn ich zu ihm sah, lächelte ich.Natürlich bemerkten unsere Freunde sofort, dass wir Händchen hielten. Dagegen konnte man schlecht etwas machen. Karolina kam direkt auf mich zu gesprungen und schrie, dass sie sich total freute und wünschte uns viel Glück, dabei hatte ich noch gar nichts gesagt. Tim, James, Toni und sogar Marie kamen zu uns.

„Viel Glück. Du schaffst das“, flüsterte James, der ganz genau wusste, wie unsicher ich war Ich nickte. Die anderen beiden Jungs umarmten mich auch. Marie ebenfalls, danach verabschiedete sie sich mit hochrotem Kopf. Wahrscheinlich wegen den Jungs. Nachdem es geklingelt hatte, verabschiedete sich Evan von mir. Wir gingen zusammen in den Unterricht. In Englisch begannen wir eine Partnerarbeit. Wir sollten uns in vierer Gruppen aufteilen und dann verschiedene Aufgaben bearbeiten und eine kleine Zusammenfassung der vorgeschriebenen Themen schreiben. Ich musste ja jetzt nicht extra erläutern, wer in meiner Gruppe war oder? Wir versammelten uns um einen Tisch und besprachen, die ersten zehn Minuten, wie wir voran gehen wollten, danach schweifte das Thema aber ab und sie wollten wissen, was gestern passiert war. Seufzend erzählte ich ihnen alles. Ich bemerkte das Stirnrunzeln von James, ignorierte es allerdings. In der Pause verließen wir gemeinsam den Raum. Wir waren relativ spät dran, weshalb schon alle Schüler auf dem Pausenhof waren. Ich lachte gerade über irgendetwas, was Karo gesagt hatte, als mir plötzlich schwarz vor Augen wurde und ich das Gleichgewicht verlor.

Ich bekam mein Bewusstsein zurück, als ich auf eine Trage gehievt wurde. Mir tat der Kopf weh, weshalb ich meine Augen wieder schloss. Doch der Sanitäter hatte es mitbekommen.

„Wie geht es ihnen?“

„Mir tut alles weh“, sagte ich und hustete.

„Wir bringen Sie jetzt erst einmal ins Krankenhaus, damit sie durch gecheckt werden können“, informierte er mich. Ich antwortete nicht mehr und hörte nur noch etwas rascheln. Er machte irgendetwas, wusste aber nicht was, weil ich meine Augen nicht öffnen wollte. Im Krankenhaus musste ich mich, wieder einmal, verschiedenen Untersuchungen unterziehen. Als ich dann endlich in mein Zimmer kam, warteten schon meine Familie auf mich. Die Krankenschwester ließ uns alleine.

„Der Arzt kommt später“, sagte sie beim Gehen. Meine Eltern sahen mich besorgt an. Sie schickten Karolina und Evan vor die Tür, denn sie wollten unbedingt mit mir reden. Es ging darum, dass sie sich wirklich Sorgen um mich machten, denn sie wussten einfach nicht weiter. Sie konnten es sich genauso wenig erklären, wieso ich immer wieder zusammenbrach, warum ich ständig krank oder angeschlagen war und warum ich immer ohne Elan war. Zuerst dachten ich, dass es daran lag, dass ich mich gerade von Shane getrennt hatte, doch jetzt nach Wochen, wo ich teilweise überhaupt nicht mehr an ihn dachte, wurde es schlimmer und das war nicht normal.

Kurz nachdem meine Eltern Karolina und Evan wieder herein geholt hatten, kam der Arzt dazu und begann zu reden. Er wusste selbst nicht, was man noch machen konnte. Meine Eltern sahen verzweifelt aus und ich seufzte. Dann musste ich, mit meinen Zusammenbrüchen eben leben. Karolina verabschiedete sich als erstes von uns, weil sie noch irgendetwas zu erledigen hatte. Danach verabschiedeten sich meine Eltern. Sie würden mich morgen wieder abholen, denn ich sollte noch eine Nacht zur Beobachtung bleiben. Evan blieb bei mir. Er hatte sich zu mir gelegt und schlang seine Arme um mich. Sein fester Griff hielt mich fest und sein Duft vernebelte mir meine Sinne. Das war gut, denn dann brauchte ich wenigstens nichts aufpassen.

Am nächsten Morgen holten mich meine Eltern ab. Als ich erwachte war ich alleine. Evan musste irgendwann gegangen sein, denn er musste ja zur Schule. Mich ärgerte es wirklich, dass ich schon wieder sehr viel vom Unterricht verpasste, denn es war schwer alles wieder aufzuholen.

„Ruhen sie sich aus. Ich werde sie jetzt bis zu Beginn der Ferien krank schreiben. Überanstrengen Sie sich bitte nicht zu sehr“, sagte der Arzt, als er sich von uns verabschiedete. Ich seufzte und nickte. Mein Vater fuhr uns nach Hause. Da die Beiden nun zur Arbeit mussten, war ich alleine zu Hause. Deshalb machte ich es mir auf dem Sofa gemütlich und schaute mir irgendwelche Serien an, bevor ich einschlief.

*
* *

Die Zeit bis zu den Ferien verging schleppend. Aber sie verging. Vor zwei Tagen hatte ich Evan erzählt, dass ich nach Holmes Chapel fahren würde und meine Oma besuchte. Er war sauer auf mich, denn er hatte sich gefreut die Ferien mit mir zu verbringen, doch da ich zu meiner Oma fuhr, ging das nicht. Er musste es einfach verstehen.

Nun stand ich am Bahnhof und wartete, zusammen mit meinen Eltern, auf die Bahn. Sie würde in fünf Minuten kommen und mich dann nach England bringen.

Anything but a last wish #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt