- Kapitel 02. -

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Kapitel 02. - Shanes Sicht 

„Willkommen zu Hause mein Schatz“, sagte mein Mum und schloss mich in die Arme. Ich erwiderte sie und wir standen eine ganze Weile dort und sagten nichts. Mein Dad kam dazu und wir begrüßten uns ebenfalls.


„Hey Mum und Dad. Ich will euch jetzt nichts vor den Kopf stoßen aber ich möchte unbedingt zu Nathalia, denn ich habe sie so vermisst und außerdem ging sie die letzten Tage nicht ans Handy und so“, sagte ich gequält und rannte schon fast wieder zur Tür.


„Shane“, meinte meine Mum und sie hörte sich nicht sehr glücklich an. Fragend drehte ich mich zu ihr um und sah sie fragend an. Was war los? War irgendetwas mit Nathalia passiert? Gleich breitete sich ein komisches Gefühl in mir aus, doch ich konnte es nicht zu ordnen. Ich hoffte, dass es meiner Freundin gut ging..


„Du hast einen Brief von Nathalia bekommen, hier.“ Sie übergab mir eine Brief. Er war noch nicht geöffnet, aber sie hatten es wahrscheinlich an der Schrift, auf dem Umschlag, erkannt, dass es von Nathalia war. Vorsichtig nahm ich ihn entgegen. Mein Dad räusperte sich noch einmal und mein Blick landete auf ihm. Den Brief hielt ich währenddessen, wie ein Heiligtum, in der Hand und zitterte.


„Wir haben ebenfalls erfahren, dass Nathalia und ihre Familie wegziehen. Wohin wollte uns ihre Oma nicht sagen. Fakt ist aber, dass sie wahrscheinlich schon weg ist..“ Meine Augen weiteten sich. Das konnte nicht wahr sein, das durfte nicht wahr sein. Nicht meine Nathalia. Nein, nicht sie. Geschockte ging ich an meinen Eltern vorbei und setzte mich in die Küche. In der Hand hielt ich immer noch diesen Umschlag mit dem Brief darin. Sollte ich ihn lesen oder wollte ich überhaupt lesen, was in diesem Brief stand?

Mit zitternen Händen öffnete ich den Umschlag und faltete den Brief auseinander. Zu erst fielen mir, dunkle Tropfen auf dem Blatt auf und ich ging davon aus, dass es getrocknete Tränen waren. Ich schloss meine Augen kurz und öffnete sie dann wieder. Dann sah ich meine Eltern unschlüssig in der Tür stehen und ich wusste was sie dachten oder fühlten. Sie hatten Mitleid. Ich zwang mich, meine Aufmerksamkeit wieder auf den Brief zu richten und begann zu lesen.

Shane.
Ich denke mal, wenn du diesen Brief liest, werde ich nicht mehr da sein. Du wirst mich auch nicht mehr erreichen können und du wirst auch nicht wissen, wo ich mich aufhalten werde. Es tut mir Leid, doch ich denke einfach, dass dies die beste Lösung für uns beide ist, denn machen wir uns nichts vor. Du hast dein eigenes Leben und in dieses passe ich schon lang nicht mehr hinein.

Wenn ich ehrlich bin, weiß ich gar nicht, was ich jetzt noch sagen soll. Mir tut es einfach nur schrecklich weh, dass ich jeden Tag eine neue Schlagzeile ins Gesicht geklatscht bekomme und nicht einmal mehr weiß, was nun wahr ist und was nicht. Auch, wenn wir uns sehen, fühle ich mich so, als würdest du nur noch aus Mitleid mit mir zusammen sein und nicht mehr, weil du mich liebst.


Mir stiegen die ersten Tränen in die Augen und ich wendete meinen Blick zur Seite und holte tief Luft. Wieso hatte sie nie mit mir geredet, wenn sie so dachte und warum hat sie geschwiegen? Wir hätten das doch klären können. Ungewollt begann ich zu schluchzen und mein Herz zog sich so schmerzhaft zusammen. Sie war die erste, die ich jemals geliebt hatte und werde. Abermals zwang ich mich dazu, auf den Brief zu schauen und weiterzulesen. Doch dies wurde schwerer, denn es traten immer mehr Tränen in meine Augen und liefen an den Wangen herunter.

In den letzten Wochen ist sehr viel passiert, zu viel meiner Meinung, und ich weiß auch nicht wie ich damit umgehen soll. Mittlerweile liege ich jeden Abend wach, weil ich weine. Weil sich mein Herz zusammen zieht und ich das Gefühl habe zu ersticken und warum? - Weil ich dich abgöttisch liebe und genau deswegen, muss ich jetzt die Notbremse ziehen und aussteigen. Aussteigen aus einem Leben wie dieses hier. Nenne mich ein Egoisten oder schwach. Damit kann ich leben, denn vielleicht bin ich es. Nicht nur vielleicht, sondern ganz sicher. Ich bin sowohl ein Egoist als auch schwach. Zu schwach für dieses Leben an deiner Seite und zu schwach um es dir ins Gesicht zu sagen, denn ich hätte Angst vor deiner Reaktion. Deiner Reaktion auf meine Worte, die mir eh schon so unendlich schwer fallen. 

Mir war bewusst, dass wir eine schwere Zeit durch machten, aber das sie so schwer für sie war, wusste ich nicht. Ich wusste nicht, dass sie so sehr darunter litt und sich immer wieder in den Schlaf weinte. Automatisch sprang ich auf und sah mich panisch um. Ich musste sofort zu ihr. Dabei wusste ich nicht einmal ob sie noch da war oder nicht. Doch ich hoffte es so sehr, denn ich musste unbedingt mit ihr reden und sie davon abhalten aus meinem Leben zu verschwinden, denn ich konnte ohne sie doch nicht glücklich sein.


„Shane, wo willst du hin“, fragte meine Mum und sah mich danach an. Ich sah erst zu dem Brief in meiner Hand und danach zu meiner Mum.


„Ich muss unbedingt zu Nathalia“, schniefte ich und sah auf den Boden. Abermals liefen mir die Tränen an der Wange herunter. Ich rieb mir meine Augen und bemerkte kurze Zeit später das brennen darin.


„Du weißt doch gar nicht ob sie noch da ist“, seufzte meine Mum und legte mir eine Hand auf meine Schulter. Doch ich schüttelte sie ab. Ich wollte nicht ihre Nähe, sondern die von Nathalia. Wann erwachte ich endlich aus diesem Albtraum.


„Ich muss es versuchen Mama“, weinte ich und rannte einfach in den Flur. Wütend und tieftraurig zog ich mir schnell meine Schuhe an und öffnete die Tür. Im selben Moment trat Nathalia's ganze Familie aus dem Haus ihrer Oma. Ihre Eltern verabschiedeten sich ziemlich schnell von der Oma, doch Nathalia stand eine ganze Weile dort und umarmte ihre Oma. Wie angewurzelt stand ich an der Tür und sah zu ihr herüber. Meine Tränen liefen immer weiter. Sie stoppten nicht und ich wollte sie auch nicht stoppen. Es tat zu sehr weh. Jetzt sogar noch mehr, als vor ein paar Minuten, denn ich sah sie. Vor mir. Wie sie sich von ihrer Oma verabschiedete und danach mit gesenkten Kopf zum Auto ihrer Eltern ging. Sie riss die Tür auf und sah im selben Moment zu mir. Sie hatte ebenfalls geweint, dass sah man. Viel zu spät realisierte ich allerdings das sie wirklich da stand und zu mir sah.


„Nathalia“, schrie ich und lief auf sie zu. Doch sie reagierte nicht. Noch einmal rief ich ihren Namen, diesmal lauter. Dabei stieg sie ziemlich schnell in das Auto und es fuhr davon. Ich wollte ihr hinterher. Rannte dem Auto nach, doch es war weg, viel zu schwer. Mit Tränen in den Augen fiel ich auf meine Kniee. Das konnte nicht sein. Sie durfte nicht einfach so weg sein.


Wie aus dem Nichts begann es auch noch zu regnen. Ich nahm es nicht als böses Omen, doch ich konnte es nicht fassen. Das durfte nicht sein. Ich schrie immer wieder ihren Namen, doch keiner hörte mich. Niemand. Ich war verloren. Ohne sie war ich verloren.


„Ich brauche dich doch Nathalia“, schluchzte ich und schlug mit meiner Hand auf den harten Asphalt. Ich konnte nicht ohne sie.. Nicht mehr.

Anything but a last wish #Wattys2016Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt