- Epilog -
Shane
Ich hatte mir niemals ausmalen können, wie ein Leben ohne Nathalia sein konnte. Selbst, als wir getrennt waren, hatte ich die Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft nicht aufgegeben. Ich hatte mich immer an ihr festklammern und Kraft tanken können. Auch, als wir nicht mehr zusammen waren. Doch jetzt war sie gestorben und ich hatte meinen Anker gefunden. Meinen Anger, der mich, egal in welcher Situation ich mich befand, gerettet und mich nach vorne gucken lassen hatte. Die Fans merkten, dass sie fehlte, auch wenn sie sie nicht kannten. Unser Management, welches Nathalia nicht ausstehen konnte, hatte der gesamten Band eine Pause von drei Monaten gegeben, damit wir uns aufs trauern konzentrieren konnten. Doch nach drei Jahren ist dieser Schmerz genauso präsent wie am ersten Tag. Dieser Schmerz erinnerte mich daran, dass ich noch am Leben war. Er erinnerte mich daran, dass ich weiter machen musste, denn das war ich Nathalia einfach schuldig.
Mein Handy klingelte und riss mich sowohl aus meinen Gedanken als auch aus dem Text, welchen ich Nathalia vorsang. Widerwillig holte ich mein Handy aus der Tasche. Es konnte ja etwas wichtiges sein. Unser neues Projekt zum Beispiel. Doch als ich auf dem Display nur die Nummer von Kendall sah, schaltete ich es aus und legte es wieder in meine Tasche. Sie wusste genau, wann meine Zeiten waren, die ich auf dem Friedhof verbrachte um mit Nathalia zu reden, ihr vorzusingen oder einfach nur bei ihr zu sein. Doch immer wieder rief Kendall mich an, als machte sie dies mit Absicht. Ich sah zum Grabstein und stand dann auf. Wahrscheinlich war es wieder einmal an der Zeit zu gehen. Ich klopfte den Sand von meiner Hose ab, nahm meine Gitarre und ging zu meinem Wagen. Auf dem Weg dorthin traf ich noch auf den Friedhofswärter, der mir einen schönen Tag wünschte. Er hieß Joseph und war Mitte vierzig. Wir verstanden uns ziemlich gut. In den drei Jahren war schon fast so etwas wie Freundschaft entstanden. Wahrscheinlich nicht zuletzt, dadurch, dass ich einer der Einzigen war, wer regelmäßig herkam und einen sehr ungewöhnlichen Besuch hatte, da ich von Anfang an meine Gitarre dabei hatte und ihr vorsang. Natürlich hatte ich mir damals die Erlaubnis dafür geholt, weil ich mir nicht sicher war, ob es erlaubt war. Doch Joseph hatte nichts dagegen, somit begann diese Tradition und eine etwas andere Freundschaft.
Ich startete den Motor und fuhr direkt zum Flughafen, denn unser neues Projekt würde bald starten und wir wollten uns vor Ort noch ein wenig bereit machen, weshalb wir schon eine Woche früher dorthin flogen. Nathalia hätte es in Chicago gefallen.
„Hey Baby", flüsterte Miranda mir ins Ohr, als ich bei meiner Gruppe angekommen war. Miranda war meine Freundin, seit einem halben Jahr. Nicht, weil ich sie liebte, sondern weil unser neuer Manager das wollte. Er hatte es allerdings sehr geschickt eingefädelt, denn Miranda wusste nicht, dass sie eigentlich nur eine Fake – Freundin war, sondern sie liebte mich wirklich und das tat mir unglaublich leid, denn ich musste ihr Tag ein, Tag aus ins Gesicht lügen und ihr sagen, dass ich sie ebenfalls liebte.
„Hey Mi." Ich lächelte und drückte ihr, notgedrungen, eine Kuss auf die Wange. Sie wusste über Nathalia Bescheid und sie akzeptierte es. Selbst, wenn sie dies nicht tun würde, hätte sich für mich nichts geändert. Ich wäre trotzdem einmal im Moment zu ihr gefahren, hätte ihr vorgesungen und Zeit bei ihrem Grab verbracht. Soviel war klar und dies würde ich mir auch nicht verbieten lassen. Miranda und ich setzten uns nebeneinander ins Flugzeug. Mark und Dean saßen mir gegenüber. Wir unterhielten uns. Doch keiner der Beiden versuchte das Gespräch auf diesen Tag zu legen. Ich bemerkte wie Miranda sich an mich kuschelte und mir immer wieder verliebte Blicke zuwarf. Armes Mädchen. Vielleicht konnte ich sie auch irgendwann lieben? Zwar nicht so wie ich Nat geliebt habe, aber vielleicht ein bisschen, denn Miranda hatte bedingungslose Liebe verdient.
„Ich finde es echt klasse, also das neue Album", lenkte Mark meine Gedanken ab. Ich nickte und beugte mich ein wenig auf meine Knie. Es entstand eine hitzige Diskussion, welche Lieder am meisten gemocht werden, welche wir denn nun auf unserer Tour spielen sollten. Dabei vergaßen wir die Zeit und erschraken fast, als es hieß, dass wir gleich landen würde. In einem Van fuhren wir danach zusammen zum Hotel und legten uns dort aufs Ohr. Damit wir heute Abend fit waren. Doch ich legte mich ohne Miranda hin, denn sie wollte ein wenig in die Stadt. Sie konnte noch alleine rumlaufen, denn irgendwie interessierten sich die Fans nicht für sie. Warum auch immer.
„Man Shane. Jetzt sei doch mal vorsichtig, irgendwann bringst du einen Fan noch zum Fallen, wenn du immer alle direkt umrennst", meckerte Dean und boxte mich gegen die Schulter. Ich grinste ihn an, denn wir wussten Beide genau, dass er kein Stück besser war, als ich. Dean und ich hatten uns gerade aus dem Hotel geschlichen, weil wir ebenfalls shoppen gehen wollten. Zwei Stunden Schlaf hatte uns gereicht. Unerkannt kamen wir aus dem Hotel und unerkannt kamen wir in der Stadt an. Wir wollten uns nicht trennen, weil sonst würde einer von uns vermutlich zu spät zurück kommen und das war gewiss nicht Dean.
Lachend rannten wir durch die Straßen. Von einem Laden in den Nächsten. Es war echt witzig bis zu dem Zeitpunkt, als ich in jemanden hineinrannte. Ihre Tasche flog zu Boden und ich hörte sie nur genervt seufzen hören. Trotzdem sah ich sie an, ohne meinen Blick von ihr wenden zu können. Es war unmöglich.
„Shane, komm. Entschuldige dich", flüsterte Dean. Ich sah ihn kurz an. Sah er denn nicht, was ich sah?
„Dean, sie ist Nat aus dem Gesicht geschnitten."
„Ich weiß, trotzdem." Seine Antwort bestätigte, dass er es ebenfalls sah, doch ich konnte mich immer noch nicht von der Stelle rühren. Sie hatte ihre Sachen mittlerweile alle zusammen gesammelt und stand auf, schenkte mir einen argwöhnischen Blick und verschwand, ohne ein Wort zu sagen. Erst als sie aus meiner Sichtweite verschwunden war, schaffte Dean es, mich von der Stelle wegzubewegen. Ob ich sie jemals wieder sah?
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Anything but a last wish #Wattys2016
ChickLitDu hast mir gezeigt, was es bedeutet zu lieben, aber gleichzeitig hast du mir auch gezeigt, wie schnell man von dieser einen Person, die man liebt, verletzt werden konnte. Du warst diese eine Person, bei der ich mich immer wohlfühlte. Die Person...