Kapitel 2

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Als wir nach Hause zurückkehrten, zog Cerberus mir die hübsche rote Seide aus, die er mir gegeben hatte, und kettete meine Knöchel und meinen Hals wieder an sein Bett, damit er mit Leon trinken gehen konnte, bevor der Vertreter eintreffen und ihr Leben ruinieren konnte.

Es kotzte mich an. Ich war ein Hund, der an einem Hundebett gekettet worden war, während er sich betrank, feierte und mit Frauen schlief. In der Zwischenzeit ließ er mich hier, mit einer Flasche Wasser und einer Schüssel drei Tage altem Reis gefesselt zurück. Es war nicht einmal mehr warm. Ich wollte es nicht anrühren. Durch meine Lebensjahre als Sklave hatte ich gelernt, das Essen, das meine Besitzer mir gab, nicht anzurühren, wenn es nicht vor meinen Augen zubereitet worden war.

Leider war mir nun auch schrecklich langweilig. Ich kletterte in sein Bett und machte es mir in seinen schwarzen Seidendecken und -lacken gemütlich, als ich seufzend den Kopf auf meinen Arm ablegte und durch das Fenster auf die wunderbar gotisch gestaltete Terrasse starrte. Obwohl Cerberus der Fluch meiner Existenz war, war er ein sehr guter Dekorateur.

Ein schwarzer Rabe flatterte um sich, um auf die Fensterbank Platz zu nehmen. Ich runzelte die Stirn und sah dabei zu, wie es, in der Hoffnung etwas zu essen zu finden, zuckte und herumhüpfte. Ich rutschte so leise wie möglich aus dem Bett und hielt dabei meine Ketten fest, damit sie nicht klirrten, doch dem Vogel entging meine Bewegung trotzdem nicht und er flog davon. Ich seufzte, ging aber trotzdem zu der Reisschale und stellte sie auf die äußere Fensterbank ab. Dann zog ich mich zum Bett zurück und legte mich in der völligen Stille hinein und schwieg einige Minuten ohne mich zu rühren.

Wie zu erwarten, schossen heftig Schlagende schwarze Flügel durch die Luft, als der Rabe zurückkehrte, um sich auf die Fensterbank zu stellen. Er sah sich um, als ob er mit einer Falle rechnete, bevor er den Kopf in die Schüssel senkte und ein paar Reiskörner schluckte. Schweigend sah ich der Rabe beim Essen zu und erinnerte mich plötzlich an ein anderes Mal, als ein Rabe gekommen war, um mich milde zu unterhalten.

Ich war vor Ewigkeiten fünf geworden. Damals war ich ein kleines Kind, kaum mehr als einen Meter groß gewesen. Doch war ich bis dahin bereits daran gewöhnt, was mein Meister von mir wollte. Er nahm mich jeden Abend in sein Bett und warf mich dann morgens raus, um ihm das Frühstück zu bringen. Anfangs hatte ich geweint und geschluchzt und gelegentlich hatte ich noch immer erbärmlich gewimmert und geheult, wenn er mir weh tat. Dann ging ich zu meiner Aufpasserin, einer Wasserdämonin. Sie hieß Aurora. Ihr Haar was so blond wie Stroh und ihre Augen so blau wie der Himmel.

"Aurora", hatte ich geweint, als ich zu ihr ging, "er hat schon wieder die Reitpeitsche benutzt. Ich verstehe nicht, was ich falsch gemacht habe." Aurora hatte geseufzt und zu der Zeit hatte ich es nicht bemerkt, aber jetzt, wo ich daran zurückdachte, war sie wahrscheinlich genervt von mir gewesen. Sie hatte sich gebückt, um mein Gesicht mit ihrer Schürze sauber zu wischen, meine grüne Tunika zu richten und meine beige Reithose hochzuziehen, damit sie nicht an meinen Knien hang.

"Hör jetzt auf, dich darüber aufzuregen, Blainilein", murmelte sie und benutzte das -lein als Ausdruck der Zärtlichkeit. "Du weißt genau, warum er die Reitpeitsche benutzt hat. Du musst ihn mit deinen Zähnen gekratzt haben. Komm, lass uns deinen Mund auswaschen, sonst wirst du krank. Der Samen des Mannes ist verabscheuungswürdig." Sie hatte meine Hand genommen und mich aus der Küche zum Wascheimer und zum Brunnen geführt. Sie ließ mich den Eimer auffüllen und sah dabei zu, wie ich mit der Holzkurbel kämpfte, die viel zu groß für mich war.

"Macht mich das auch verabscheuungswürdig?" erinnerte ich mich, sie gefragt zu haben. Sie nickte.

"Du wirst es lernen zu sein. Alle Sklaven sind verabscheuungswürdig." hatte sie geantwortet. Ich erinnerte mich, dass ihre Worde mich verletzt hatten. Ich hatte damals nicht verstanden, was sie meinte, aber jetzt, Jahrhunderte später, verstand ich ihre Worte sehr gut und ich akzeptierte sie. Irgendwann wurden wir alle verabscheuungswürdig. Vergiftet von den Meistern, die uns benutzt und weggeworfen hatten.

Wächter [malexmale] (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt