Kapitel 9

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Ich stellte fest, dass Cerberus eine komplexe Kreatur war.

Er war sehr einschüchternd. Er überragte die meisten Leute, denen er begegnete. Er hatte ein Hauch Aristokratie an sich, strahlte aber auch gleichzeitig eine rohe animalische Kraft aus. Es ging in Wellen von ihm aus. Er konnte einfach dastehen und auf alle herabstarren, fast wie Zeus aus seinem Berg Olymp. Durch seinen gotischen Kleidungsstil wirkte er noch düsterer und bedrohlicher.

Aber dann gab es Zeiten, in denen er kindlich war. Als wir zum Beispiel von dem Treffen in Inferi zurückkehrten, holte Cerberus als erstes alle Arten von Snacks aus der Küche und stapelte sie in den Entspannungsraum auf dem Kaffeetisch. Er stellte alles so auf, wie sie letzte Nacht gewesen waren, aber letzte Nacht war ich fälschlicherweise Cerberus zu nahegekommen, und jetzt, besonders jetzt, konnte ich diese weißen Gefühlsbänder sehen, die sich um ihn drehten und tanzten und mir zuwinkten. Warme Lichter, die versprachen, mich zu trösten und zu lieben und mich für immer zu halten...

Aber ich wusste, wie schnell diese weißen Lichter vor Hass und Wut rot und schwarz werden konnten. Ich konnte es nicht riskieren, und ließ mir nicht anmerken, wie ich für Cerberus empfand. Ich gab vor, noch derselbe zu sein, wie letzte Nacht.

Das, was mich wütend machte und mich gleichzeitig schmerzte, war die Tatsache, dass ich mich schuldig fühlte, all dies Cerberus vorgetäuscht zu haben, nur damit ich diese traurigen Welpenaugen nicht sehen musste, die um Liebe und Zuneigung baten.

Für Cerberus war Liebe etwas völlig Neues und das verstand ich. Er wurde erschaffen, nicht geboren und musste mit dem Gott der Unterwelt aufgewachsen... Nun, das erklärte den Mangel an Liebe und Trost in seinem Leben. Er liebte das Gefühl und er sonnte sich darin und ernährte sich davon.

Aber jeder, der keine Lieber erfährt, würde sie leicht aufgeben. Liebe entstand schnell und konnte wie ein Licht erlöschen, wie es bei Henry der Fall gewesen war. Mein Hals schloss sich, aber ich schluckte den Klumpen der sich gebildet hatte herunter, als ich mich zu Cerberus in den Entspannungsraum dazugesellte, der den Fernseher zum Musikkanal gewechselt hatte. Ein sanftes Lied erklang und Cerberus sah mich mit geduldigen, aber eifrigen Augen an, die im Kronleuchterlicht leuchteten. Ich schob die Gefühle von Bedauern und Schmerz beiseite, schnappte mir die Flasche mit der Spirituose, um ein paar tiefe Schlucke daraus zu nehmen, bevor ich zu Cerberus ging. Cerberus überraschte mich, indem er die Flasche nicht einmal anrührte, bevor er sich aufrecht hinstellte, um mit dem Tanzen zu beginnen.

"Okay", sagte ich, als ich schließlich meine Stimme wiederfand. "Dieser Tanz ist sehr sanft. Beweg dich nicht schnell oder grob. Lassen einfach die Musik in dich eindringen und lass dich von ihr führen." Cerberus nickte und als ich anfing mich zu bewegen, machte er meine Bewegungen nach. Es war amüsant zu sehen, wie er zuerst herumfuchtelte, doch er lernte schnell und fing mit der Zeit an, sich angemessener zu bewegen.

Das Schlimmste war, dass ich es liebte, ihm beim Tanzen zu zusehen, und ich war mir nicht einmal sicher, wieso. Er hatte mich geschlagen, vergewaltigt und gedemütigt, aber irgendwie sah ich ihn mit anderen Augen. Es war, als würde er versuchen, jemand anderes zu sein und es genießen. Vielleicht lag es daran, dass er sich so viel Mühe gab, weshalb ich ihn gerne zusah, oder die Art und Weise, wie er seine Hüften rotierte, wie seine Hände sich bewegten, oder seine harten Muskeln sich bewegten. Seine geschlossenen Augen waren ein Indiz dafür, dass er sich wirklich auf die Musik konzentrierte. Er tat dies nicht nur, um sich mit mir gut zustellen.

Das versuchte ich mir einzureden. Dass es mir nur um sein Äußeres ging. Um das, was ich sah.

Denn ich durfte mich jetzt nicht verlieben und ich würde es nicht zulassen, dass ich mich wieder so schwer verliebte, wie ich mich in Henry verliebt hatte. Mein Magen krampfte sich durch die plötzliche Welle der Trauer zusammen, die mich fast aus dem Gleichgewicht brachte. Weitere unerwünschte Erinnerungen gingen mir, gegen meinen Willen, durch den Kopf.

Wächter [malexmale] (Übersetzung)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt