• 𝐊𝐀𝐏𝐈𝐓𝐄𝐋 4 •

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Molly

Schweigend folge ich Kats – wie soll man sagen – lebhaften Erzählungen, die sie mit wilden Gesten untermalt, bis sie schließlich mit folgenden Worten endet: „Du musst mir einen neuen Traum geben!"

Um ein Haar wäre mir die Kinnlade heruntergeklappt, doch ich schaffe es, meine üblichen ruhigen Züge nicht zusammenfallen zu lassen.
„Das geht nicht, Kat", beginne ich und versuche so ausgeglichen wie möglich zu klingen, aber sie unterbricht mich bereits.

„Klar geht das!", ihre Lippen sind immer noch zu einem nahezu euphorischen Lächeln verzogen, „letztes Mal hast du keine fünfzehn Minuten gebraucht und ich hatte die nächsten fünf Jahre irgendetwas, das ich erreichen konnte!"

Auch wenn die kindliche Begeisterung in ihren schokoladenbraunen Augen niedlich wirkt, kann ich nicht anders, als zu seufzen: „Wir reden jetzt schon länger als fünfzehn Minuten und dir ist nichts eingefallen!"

„Nein, ich rede seit über fünfzehn Minuten", korrigiert sie mich, „letztes Mal hast du die Fragen gestellt!"
Ich muss ein weiteres Seufzen unterdrücken: „Es geht trotzdem nicht! Ich kann nicht die ganze Nacht mir dir reden und außerdem bin ich müde von der Arbeit, deshalb-."

„Dann reden wir eben morgen weiter", schlägt Kat sofort vor, während sie schon aufsteht. Sie greift nach ihrer Jacke auf der Lehne und will sich abwenden, als ich sie zurückrufe.

„Kat-."
Bei dem Blick, den sie mir zuwirft, verlassen all die abweisenden Worte meine Zunge und rutschen meinen Rachen in einem Schwung hinunter. Verdammt, Glitzer hatte Recht – sie ist wie eine viel zu niedliche Babykatze, die man mit nach Hause nimmt, auch wenn man weiß, dass sie einem später die Gardienen zerkratzen wird.

„Hast du überhaupt eine Bleibe für die Nacht?", frage ich daher ergeben.
„Noch nicht, aber-."
„Willst du auf der Coach schlafen?"
Beinahe fasziniert leuchten ihre Augen auf: „Darf ich wirklich?"

„Mach es dir bequem!", murmle ich und verschwinde eilig im Flur, während Kat hinter mir das Sofa in Betracht nimmt. Ich habe keine drei Schritte gemacht, bis mich bereits Glitzers böser Blick trifft, der offenbar im Flur auf mich gelauert hat.

„Guck nicht so!", zische ich leise, wobei ich an ihm vorbei in mein Zimmer gehe. Er folgt mir direkt. Seine ohnehin schon schmalen Augen hat er jetzt zu schlitzen geformt.

Sobald die Tür hinter uns zufällt, beginnt Glitzer auch schon loszuschimpfen: „Du bist einfach zu nett, Molly, wirklich! Wieso schmeißt du das kleine Adrenalinbündel nicht raus!"

„Weil sie eine Babykatze ist!", schnaube ich und beginne, meinen Schlafanzug aus dem Schrank zu suchen. Mit den Händen in den Hüften bleibt er im Raum stehen.

„Ist sie nicht! Das bildest du dir nur ein!"
„Ja, vielleicht tue ich das. Dann schmeiß du sie doch einfach raus!"

„Das ist nicht fair", klagt Glitzer, der seine wütende Haltung nun aufzugeben scheint und sich stattdessen auf mein Bett fallen lässt.

„Wieso nicht?"
„Weil", mein Mitbewohner stößt ein leises Seufzen aus, „weil sie-."
„-wie eine Babykatze ist", vervollständige ich seinen Satz. Nur widerwillig nickt Glitzer.

Es ist wirklich erstaunlich, wie nervig und liebenswürdig jemand zur selben Zeit sein kann, aber Kat kann es einfach! Vielleicht kann sie es auch gar nicht, sondern hat diese unglaubliche Fähigkeit einfach von Geburt an.

„Ok", Glitzer holt tief Luft, wobei er seine Gedanken zu sammeln scheint, „wir lassen sie heute Nacht hier schlafen und morgen findest du ihr einen Traum, damit das Problem gelöst ist!"

„Und wenn ich keinen finde?"
Um ehrlich zu sein habe ich nicht die leiseste Ahnung, wie ich es beim ersten Mal geschafft habe. Ich kann mich ja nicht einmal mehr an das ganze Gespräch erinnern!

„Dann fang lieber an zu beten", knurrt Glitzer, ehe er von meinem Bett aufspringt und mit einem wippenden Hüftschwung, wie nur er ihn drauf hat, das Zimmer verlässt.

Wieder einmal seufzend bleibe ich zurück, doch die angenehme aufkommende Stille wehrt nicht lang, denn schon im nächsten Augenblick beginnt mein Handy schrill zu klingeln.

„Was ist?", frage ich in den Höher, ohne mir anzusehen, wer angerufen hat.
„Schiffke ruft!"

Mehr braucht Luke nicht zu sagen. Schon hat er aufgelegt und ich bleibe mit dem Tuten des Handys am Ohr reglos stehen. Dieses Mal ist das nächste Geräusch, das meine Lippen verlässt, kein Seufzen, sondern viel mehr ein genervtes Stöhnen – das kann ja was werden!

„Glitzer!", rufe ich, während ich in den Flur und weiter bis zur Küche eile. Nun ist mein entspannter Abend also vollkommen ins Wasser gefallen – nicht, dass er das bei Kats Ankunft nicht schon gewesen wäre.

„Was ist denn jetzt schon wieder?", höre ich ihn aus seinem Zimmer rufen. Wenn seine genervte Stimme noch eine Oktave höher wäre, würde gleich wahrscheinlich ein Song von Celine Dion durch die Wohnung schallen – ist es immer, wenn er sich abreagieren muss!

„Es gibt eine Dorfversammlung!"
Kat, die sich über ihren Wanderrucksack gebeugt hatte, fährt neugierig herum: „Darf ich mit?"

„Tu dir keinen Zwang an!"
„Ich will mit!", beharrt sie.
Ich weiß ohnehin, dass ich sie nicht davon abbringen kann, wenn sie wirklich mitkommen möchte – das habe ich in den letzten Minuten bereits gelernt!

„Dann beeil dich! Es scheint dringend zu sein!"

𓅿

Schiffke ruft! Ihr habt es gehört! Mittwoch geht's weiter!!

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