Unsere Mittagszeit verbrachten Henry und ich mit einem kleinen Stadtbummel am Place Massena, wo wir sowohl unseren Proviant aufrüsteten, als auch eine nette Imbissbude entdeckten, bei der wir sogleich auch jeweils eine große Tüte Pommes für jeden von uns kauften. Shopping selbst war zwar nicht in unserem Sinn, dennoch schlenderten wir gemütlich an den Geschäften vorbei und schauten uns in Ruhe die Ausstellungsstücke in den Schaufenstern an. Währenddessen gaben wir zu jedem Kleidungsstück, Outfit oder nur Accessoire unsere Meinung kund, wobei wir auch den ein oder anderen Witz rissen. Als mein Blick auf ein kleines Souvenirgeschäft fiel, kam mir plötzlich eine Idee.
„Lass uns Postkarten verschicken!", rief ich aus, völlig von dieser Idee verzückt. Außerdem hatte ich ja noch die Postkarten aus Barcelona, die ich eigentlich für mich zur Erinnerung behalten wollte, doch sie zu verschicken war die deutlich bessere Alternative. Jetzt, wo wir recht entspannt unterwegs waren und uns sogar entgegen meinen Befürchtungen meistens ziemlich gut verstanden, war eine Versendung von ein paar Postkarten doch eine tolle Sache! Eigentlich machte ich das in jedem Urlaub, wo ich eine an Lizzy, zwei an meine Großeltern und eine an das Elternteil verschickte, mit dem ich gerade nicht im Urlaub war. Genauso mochte ich es, selbst Postkarten zu erhalten. Es war zwar nur eine Kleinigkeit, aber dennoch erheiterte es mir den Tag, wenn ich ein paar Urlaubsgrüße im Briefkasten vorfand.
Henrys Augenbrauen schossen überrascht in die Höhe. „Postkarten?"
„Ja, du weißt schon – das sind diese ultradünnen Pappstücke mit bearbeiten Bildern von besonderen Orten, die man mit einem Satz beschriftet und dann in die Heimat zu Familie und Freunden schickt. Meist per Post."
Henry verdrehte die Augen. „Ich weiß, was Postkarten sind, du Naseweis. Ich war bloß überrascht."
„Dann frag nicht so blöd", schoss ich zurück und bevor er weiter darauf eingehen konnte, deutete ich mit einer meiner letzten Pommes in der Hand auf den Postkartenständer. „Also was ist jetzt? Willst du auch ein paar Postkarten verschicken?"
„Postkarten sind total unnötig", gab er ohne Umschweife zu und zuckte mit den Schultern. Begeisterung sah definitiv anders aus. „Die aufgedruckten Fotos sind entweder hässlich oder vollkommen unrealistisch und am Ende schmeißt man Postkarten doch immer weg, also warum soll ich dafür Geld ausgeben?" Er steckte sich eine Pommes in den Mund. Empört öffnete ich den meinen. Diese Kulturbanause hatte wohl zu viele Fußbälle gegen den Kopf geschossen bekommen!
„Du wirfst die Postkarten weg? Das grenzt an ein kulturelles Sakrileg!", brüskierte ich mich und mit jedem Wort verzog sich seine Miene zu einem Ausdruck völliger Irritation.
„Was soll ich denn mit gewöhnlichen Fotos, auf deren Rückseite sonnige Grüße aus einem Touristenhotspot, ich war heute am Strand und morgen machen wir Sightseeing?", rechtfertigte Henry sich und hob verständnislos die Arme.
„Es geht doch nicht darum, was da hinten draufsteht, sondern um die Tatsache, dass derjenige an dich denkt, wenn er im Urlaub ist! Außerdem freut sich doch jeder, wenn man mal schöne Post im Briefkasten findet."
Ein kleines Seufzen entwich ihm. „Wenn du Postkarten verschicken willst, dann tu es. Du solltest nicht wegen meines ‚kulturellen Sakrilegs' darauf verzichten." Als er mich zitierte, malte er – soweit es seine Pommestüte in der Hand erlaubte – imaginäre Anführungszeichen in die Luft.
Ich zog die Augenbrauen zusammen. „Hast du überhaupt jemals eine Postkarte verschickt?"
„Nope." Er steckte sich nonchalant die letzte Pommes in den Mund und zerknüllte dann die Tüte.
„Dann werden wir das heute ändern. Du wirst eine Postkarte schreiben, dann wird sich zumindest deine Familie freuen", entschied ich einfach und war recht zufrieden mit meinem Ziel. Wie konnte man Postkarten denn so verabscheuen, wenn man nie eine geschrieben hatte? Wenn ihm der Text auf den Postkarten so sehr abschreckte, dann sollte er sich was Besseres überlegen.
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Alle Wege führen nach Rom
Teen Fiction*ABGESCHLOSSEN* „Willst du nicht hierher kommen?", ertönte Henrys Stimme. Ich drehte mich zu ihm um und entdeckte ihn am Mittelgang, wo er auf zwei freie Plätze direkt nebeneinander deutete. Ich zog beide Augenbrauen nach oben. „Das Pensum deiner l...