35. Italienisch für Anfänger

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„Also mir wäre das nicht passiert."

„Hab du erstmal einen Führerschein!"

„Lernt man in der Fahrschule nicht bei jeder Fahrstunde erst die Tankanzeige zu kontrollieren? Sorry, blöde Frage – denn in deiner Fahrschule offensichtlich nicht."

Wütend blieb ich stehen und wirbelte zu dem Besserwisser herum. „Du hast die Tankanzeige doch auch nicht kontrolliert, sonst hättest du mich beim Fahrerwechsel drauf hingewiesen. Also tu jetzt nicht so, als wäre dir das in unserer ohnehin schon sehr verzwickten Lage nicht passiert!"

Unfassbar! Es war wirklich alles cool gewesen zwischen uns – bis wir Nizza beinahe hinter uns gelassen hatten, denn dann kratzte der Motor wegen Treibstoffmangel ab. Natürlich wollte Herr Mein-Vater-baut-Autos-bei-Ferrari sich nicht die Blöße geben, dass er offensichtlich doch kein Wunderautofahrer war und postulierte mit seiner drakonischen Haltung, er hätte sehr wohl die Tankanzeige im Auge gehabt und aufgrund meines Theaters über seine nicht existente Fahrerlaubnis völlig vergessen, mir Bescheid zu geben. Ich glaubte ihm kein Wort, immerhin hatten wir beide andere Sorgen als die Tankfüllung gehabt.

„Ich dachte, ich müsste dir nicht Bescheid geben, da du doch schon einen Führerschein hast!", schoss er zurück und verschränkte stur die Arme vor der Brust. Dieses Großmaul wollte doch nur nicht zugeben, dass er mit seinem Ferrari-Status noch lange kein Kfz-Gott war! „Wenigstens konnten wir den Wagen noch auf dem Parkplatz des China-Restaurants parken, bevor wir mitten auf der Landstraße stehen geblieben wären."

Ohne darauf zu antworten drehte ich mich wieder um und setzte unseren Weg an der Straße entlang fort. Seit gut einer halben Stunde liefen wir auf dem Fahrradweg einer alten Bundesstraße entlang, seit wir den gestohlenen Mercedes am China-Restaurant am Rande von Nizza hatten stehen lassen müssen. Ich hatte absolut kein Verständnis für Henrys obstinate Perspektive auf unsere Lage, denn den Wagen irgendwo stehen lassen und uns nach einer neuen Mitfahrgelegenheit umzusehen war doch genau unser Plan gewesen – der leere Tank hatte die Fahrt nur etwas verkürzt. Trotzdem ließ er es sich nicht nehmen, mir großspurig unter die Nase zu reiben, dass ich es als Fahrerin hätte besser wissen müssen. Dieser Kohlkopf sollte sich mal an die eigene Nase fassen und erstmal seinen Führerschein bestehen – am besten mit einem nicht gestohlenen Auto.

Henry seufzte hinter mir und beschleunigte das Tempo, um wieder neben mir her zu laufen. „Bist du jetzt beleidigt?"

„Nein, weil ich diesmal recht habe! Den Wagen irgendwo stehen zu lassen war doch unser Ziel, also verstehe ich nicht, warum du jetzt darauf rumhacken musst, dass ich die Tankanzeige nicht beachtet habe." Ich war wütend und je mehr ich redete, desto stärker überschlug sich meine Stimme. „Es tut mir leid, dass ich den Tank nicht vorher kontrolliert habe, aber falls du es vergessen hast: Wir sind auf dem Weg zur Klassenfahrt als Einzige in den falschen Flieger gestiegen und saßen erst in Barcelona fest, ehe wir uns dazu entschieden haben, per Anhalter quer durch Europa zu fahren, was bisher mehr mit Aufregung als mit Entspannung zu tun hatte, und dann haben wir einen fucking Wagen gestohlen, um vor irgendwelchen Straßenschlägern fliehen zu können, und als wäre das nicht schon stressig genug, erfahre ich, dass der Typ, der hinterm Steuer sitzt, genau dort nicht sein sollte! Also nochmal ein riesengroßes Sorry, Señor Ferrari, dass mein Fokus vorhin nicht auf der fucking Tankanzeige lag!"

„Hey, es tut mir leid." Erst als Henry mich sanft an der Schulter packte und mich so zum Stehenbleiben zwang, bemerkte ich die heißen Tränen, die mir über die Wangen rollten. „Komm her." Ehe ich mich versah, befand ich mich in seinen Armen und heulte. Der ganze Stress der letzten Tage floss aus meinen Augen und sammelte sich in Henrys T-Shirt, während dieser mich nur an seine Brust drückte. Er sagte nichts und strich mir nicht auf unbeholfene Art beruhigend über den Rücken und dafür war ich ihm sehr dankbar.

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