PoV. Michael
Aufgeregt näherte ich mich dem alljährigen Jahrmarkt in meiner Stadt, den ich schon jedes Jahr, seitdem ich sechs Jahre alt war, besuchte. Tief atmete ich einmal ein und nochmals aus und fühlte mich sofort wieder völlig wohl. Außer, dass er vielleicht etwas moderner geworden war, hatte sich hier nichts geändert. Die Hüpfburg für die Kinder, die Essensstände, das Dosenwerfen, das meterhohe Riesenrad, das Entenangeln und auch die vielen verschiedenen Greifautomaten, die schon jahrelang meine absolute Lieblingsattraktion waren, befanden sich seit 15 Jahren jedes Jahr an der gleichen Stelle. Wahrscheinlich war das mir der liebste Ort, an dem ich jemals sein könnte und bestimmt war es für mich auch die beste Zeit im Jahr. Alles war einfach so perfekt und herrlich gewohnt. Ich liebte wirklich alles daran, aber je länger ich hier meine Zeit verbrachte, desto bewusster wurde mir, wie einsam ich doch eigentlich war. Damals kam ich hier mit meinem Vater oder mit damaligen Schulfreunden her, zu denen ich nun aber keinen Kontakt mehr pflegte und seitdem mein Vater verstorben war, hatte ich meinen besten und auch einzigen Vertrauten verloren. Trotzdem wollte ich unsere Tradition weiterführen, obwohl das bedeutete, dass ich völlig alleine hier herumlief und mir meine Zeit vertrieb.
Schnurstraks begab ich mich sofort auf den Weg zu den vielen Greifautomaten und war schon bereit dafür mein ganzes Kleingeld auszugeben, das ich extra für den Jahrmarkt jedes Jahr sparte. Die angenehme Abendluft flog mir durch Gesicht, weshalb sich schnell eine Gänsehaut auf meiner blassen Haut bildete. Eigentlich verbrachte ich die letzten Jahre nur noch meine Zeit bei den Greifautomaten. Seitdem ich zu alt für die Kinderattraktionen geworden war und auch niemanden mehr hatte, mit dem ich beispielsweise Riesenrad fahren konnte, wurde das zu meinem liebsten Zeitvertreib. Die Greifautomaten waren die beste Lösung, wenn man alleine herkam und außerdem war ich wirklich gut darin, etwas zu gewinnen. Mein Vater war ein absoluter Profi gewesen und hatte mir damals all seine Tricks beigebracht, weswegen ich so gut wie immer etwas gewann. Ich konnte die Stimme meines Vaters bis heute noch hören. Er war immer der Meinung gewesen, dass das Glück, das man dazu benötigte, in unseren Genen lag und auch, wenn das wahrscheinlich das Unlogischste war, das ich je gehört hatte, hatte ich ihm das brav geglaubt und dabei immer fröhlich gegrinst.
In Gedanken an diese verrückte Erinnerung fing ich schon an das Glück meiner Familie ein nächstes Mal auszutesten und warf die erste Münze des Tages in den Automaten. Konzentriert versuchte ich ein ziemlich kitschig aussehenden Teddybären mit dem Greifarm zu fangen, aber als ich ihn am Greifer hatte und nach oben ziehen wollte, verließ mich mein Glück und Mr. Teddybär landete sofort wieder auf seinen vielen Artgenossen. Enttäuscht zog ich die Luft ein, aber musste dennoch schnell anfangen zu grinsen.
"Tja, Paps. Es hat wohl doch nicht viel mit unseren Genen zutun.", flüsterte ich eher zu mir selbst, während ich die nächste Münze in den Automaten schob und es nochmal versuchte. Wahrscheinlich würde ich ihn ohnehin nie gebrauchen, da ich sowieso keinen Freund hatte, dem ich einen Teddy schenken konnte, aber mein Vater meinte jedes Mal, dass man so etwas kitschiges einfach immer gewinnen musste, wenn man schon mal dabei war. Er hatte wahrscheinlich tausende solche Teddys gewonnen und nie die Chance gehabt, es jemandem schenken zu können, da meine Mutter leider schon viel zu früh verstorben war und er sich auch nie auf eine neue Partnerin einließ. Ich denke einfach das lag daran, dass er meine Mutter irgendwie nie loslassen konnte.Genervt raufte ich mir die Haare, als ich Mr. Teddybär schon wieder fallen ließ. Obwohl es etwas war, was man gar nicht benötigte, war dieser große Ehrgeiz da, der dafür sorgte, dass man es unbedingt haben wollte. Eigentlich wusste ich ja, dass das nur so eine blöde Ego Sache war, aber irgendwie wollte ich einfach mal wieder etwas gewinnen und ignorierte das völlig. Gerade als ich die nächste Münze einwerfen wollte, hörte ich plötzlich ein tiefes verzweifeltes Seufzen neben mir, das mich von meinem Plan abgelenkt hatte. Interessiert schaute ich nach rechts und erspähte einen blondhaarigen jungen Mann, der gerade wütend gegen den Automaten trat. Für kurze Zeit blieb mir unbewusst der Atem stehen, da er schätzungsweise in meinem Alter war und dazu echt gut aussah. Außerdem war er ziemlich schlank und auch noch wirklich überraschend groß, was ihn ungemein auffallen ließ. Seine etwas längeren blonden Haare fielen ihm immer wieder ins Gesicht und er versuchte ständig sie gestresst hinter sein Ohr zu klemmen, was aber jedes Mal kläglich daneben ging. Grinsend schaute ich kurz zu Boden, aber dann wieder so schnell wie möglich zu ihm. Irgendwie wirkte es so, als würde er eines dieser Kuscheltiere dringend gebrauchen, aber ich beobachtete ihn eine Weile dabei, wie es einfach nicht zu funktionieren schien.
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Oneshots - #Kürbistumor & #Zomdado
FanfictionWillkommen zu meinem eigenen Oneshotbuch! Manchmal fliegen mir in bestimmten Situationen Ideen in den Kopf, die ich alle gerne umsetzen würde, genau das aber meistens nicht möglich ist. Also habe ich hiermit endlich eine Chance diese vielen kleinen...