Die dritte Chance - #Kürbistumor

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PoV. Patrick

Schläfrig klammerte ich mich an das Lenkrad, das ich nahezu jeden Tag in den Händen hielt, und versuchte mich so gut es ging auf die Straße zu konzentrieren. Draußen war es schon stockfinster und wahrscheinlich auch relativ kalt durch die kühle Nachtluft und der momentanen Jahreszeit. Mitten im Herbst waren die Nächte einfach nicht mehr so schön warm, wie in der Jahreszeit davor. Die Straßen waren fast wie leer gefegt. Nur einzelne kleine Autos überholten mich manchmal viel zu schnell und sorgten dafür, dass mir fast mein Herz stehen blieb. Ich wusste einfach, dass man es nachts auf der Autobahn nicht leicht hatte, besonders wenn man einen LKW fuhr und das schon seit Stunden. Trotzdem war mir noch nie etwas geschehen und dafür war ich mehr als nur dankbar. Viel zu oft hörte ich im Radio, wie ein kleines Auto wieder mit einem LKW zusammengestoßen war und jedes Mal dachte ich daran, dass ich das hätte sein können. Aber trotz dieser Tragödien liebte ich meinen Job und hoffte sehr, dass ich das noch viele weitere Jahre machen durfte. Ich liebte all die entspannten Fahrten einfach so sehr, wenn kaum jemand auf den Straßen war und die vielen Stunden, in denen ich nebenbei lauthals zu 80er Songs im Radio mit brüllte. Am besten waren aber die vielen Orte, die man sah und zu denen man fahren konnte. Auch, wenn ich die meiste Zeit die Straße begutachten durfte, gab es unzählige schöne Orte, an denen ich schon vorbeigefahren war. 
Eigentlich wusste ich schon seit ich klein war, dass es das war, was ich machen wollte. Mein Vater war auch LKW-Fahrer gewesen und war so unglaublich froh, als ich in seine Fußstapfen treten wollte. Trotzdem sorgte das Ganze auch dafür, dass man manchmal tagelang auf der Straße war und man dadurch kaum Zeit hatte, seine Familie zu besuchen. Eigentlich war ich auch ziemlich froh, dass ich noch keinen Partner gefunden hatte, da ich sonst kaum für die Person da sein könnte. Ich war aber sowieso erst 26 Jahre alt, weshalb das Alles auch noch lange Zeit hatte. Auch wenn die Einsamkeit mich manchmal von Innen zerfraß, wusste ich, dass es irgendwann soweit sein würde.

Müde rieb ich mir die Augen und bemerkte, dass ich mir schnell eine Raststätte suchen sollte, da ich meine Energie für diesen Tag auf jeden Fall aufgebraucht hatte. Kurz schielte ich auf die Uhr und glaubte kaum, dass ich nicht schon längst irgendwo angehalten war und ins Land der Träume abtauchte. Zu meiner Rettung erkannte ich in der Ferne ein Schild, auf das groß "Rastplatz" geschrieben war und atmete erleichtert aus. Es wäre wirklich unverantwortlich gewesen auch nur einen Kilometer weiterzufahren. Schnell bog ich ab und fuhr sofort auf den Rastplatz und bemerkte zu meiner Verwunderung schnell, dass hier heute gar kein anderer LKW rastete. Schulterzuckend hielt ich also an und atmete erschöpft ein und aus. Der heutige Tag war wirklich anstrengend gewesen, sodass ich ihn sofort beenden wollte.
Schleunigst öffnete ich die Fahrertür und sprang schnell aus dem LKW, um mir die Füße zu vertreten und mein Bett auch vorbereiten zu können. Nachdem alles soweit geregelt war, wollte ich aber nochmal dringend eine Toilette aufsuchen, weshalb ich auf das Gebäude zu ging und schnell fündig wurde. Als ich dann fertig war und mir nochmals gründlich die Hände gewaschen hatte, hörte ich plötzlich ein undefinierbares Geräusch, was mir Angst bereitete. Eigentlich hätte ich mich wohl zurück in den LKW begeben sollen, aber irgendwie hatte ich das unverständliche Verlangen herauszufinden, woher das kommen konnte. Also lief ich vorsichtig um das Gebäude und erkannte plötzlich einen schlafenden jungen Mann auf dem Boden, der sich unbequem an die Wand gelehnt hatte. Noch nie hatte ich verstanden, wie man überhaupt im Sitzen schlafen konnte und das hier war ja wohl noch eine Stufe unbequemer. Angespannt ging ich näher auf ihn hinzu und hockte mich vorsichtig vor ihn. Der junge Mann hatte ganz "normale" saubere Kleidung und wirkte irgendwie nicht so, als würde er schon seit längerer Zeit obdachlos sein. Und als ich ihn noch genauer betrachtete, stockte mir der Atem. Die langen braunen Haare, die leichte Stupsnase, die schmalen rosa Lippen, der zierliche Körper und die etwas blasse Haut. Der junge Mann war auf jeden Fall Manuel Büttinger, mit dem ich damals zusammen auf die gleiche Schule gegangen war. 

Oneshots - #Kürbistumor & #ZomdadoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt