Kapitel 5 - Spaghetti

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Ich musste lächeln und drehte mich um. Damiano stand vor mir, diesmal mit einem weißen Hemd und einer dunkelgrauen Anzugshose. Seine Füße steckten in denselben schwarzen Lederstiefeln wie am Tag davor und seine Haare hingen heute locker herunter. Falls mein Traum wahr werden würde, einmal in Italien zu leben, wäre ich mit ihm als Begleitung durchaus einverstanden.


Breit grinste ich ihn an. „Natürlich bin ich da, ich hatte schon die böse Vermutung, dass du mich bloß veräppeln wolltest.“, gab ich zu.
Gespielt empört verneinte er dies und bat mich hinein. Er hatte wohl einen Tisch reserviert.

Ich wusste schon gar nicht mehr was ich tat, aber vielleicht gehören Risiken und ein leichter Nervenkitzel zum Erwachsenwerden dazu. Also folgte ich ihm und wie ließen uns zu unserem Platz bringen. Diesmal waren wir drinnen, ich wusste nicht, dass es hier auch so eine noble Ecke gab.

„Zugegeben, ich hatte nicht damit gerechnet, dass es hier so fein sein könnte, sonst hätte ich mich etwas passender angezogen.“, teilte ich ihm mit, worauf er nur abwinkte.
„Ach quatsch, du siehst sehr hübsch aus Mariella.“, antwortete er mir.

Bevor ich darüber nachdenken konnte, was ich am Besten sagen würde, fuhr er fort.
„Entschuldige, falls dir diese Einladung zu direkt war. Im Nachhinein war ich mir unsicher, ob das so eine gute Aktion war, weil wir uns ja kaum kennen und das bestimmt auch etwas komisch war. Aber ich bin ein direkter Mensch und, naja, ich wollte dich gerne wiedersehen und mehr über dich erfahren.“

Ich versicherte ihm, dass ich mich sehr über die Einladung gefreut hatte und wir bestellten uns etwas zu trinken. Unsere Unterhaltung plätscherte angeregt dahin, als würden wir uns schon länger kennen. Aufmerksam lauschte ich seinen Erzählungen und erfuhr, dass er tatsächlich 20 Jahre alt war und in Rom wohnte. In Deutschland war er nur, um seinen Cousin zu besuchen, und in fünf Tagen würde er wieder abreisen.

Wir aßen gemütlich und lachten viel, die Harmonie war erstaunlich. Ich konnte sein wie ich bin und das gefiel mir, weil ich wusste, dass er mich mag. Lächelnd betrachtete ich ihn, wie er seine Spaghetti geschickt auf die Gabel wickelte.  

„Hast du nicht schon längst genug von Spaghetti? Du kommst schließlich aus Italien.“, fragte ich belustigt.
Er lächelte und winkte ab. „Das kommt Außenstehenden nur so vor. Es schmeckt halt einfach gut und ich wollte wissen, wie ihr Deutschen Spaghetti macht, schließlich bin ich hier zum ersten Mal.“

Auf seine Frage, ob ich schon einmal in Italien war antwortete ich wehmütig.
„Leider war ich nur ein Mal in Südtirol. Da ist es natürlich auch toll, aber ich würde so gerne Mal den Rest von diesem wunderschönen Land sehen. In Wirklichkeit weißt du, nicht nur auf Bildern. Ich hab schon unzählige Male Rom oder Venedig gezeichnet, sogar Genua, aber eben nur von Bildern aus. Weißt du wie toll es wäre, es einmal wirklich, real abzeichnen zu können? Mit allen Eindrücken, den Menschen, der Sprache, sogar den Gerüchen.“

Ich schwärmte vor mich hin, bis ich bemerkte, dass Damiano mich anstarrte. Er hatte seine Hände zusammengefaltet, lehnte seinen Kopf darauf und lächelte.
Unsicher hörte ich auf zu reden und lehnte meinen Kopf schief.

Er bemerkte dies und richtete sich auf. „Ich wollte dich nicht verunsichern. Ich höre dir nur gerne beim Reden zu. Ich finde es toll wie deine Augen leuchten, wenn du von etwas begeistert bist. Ich hoffe nur das war dir nicht zu direkt.“ Verlegen kratzte er sich am Kopf.

Nachdem ich dies verneint hatte, saßen wir nur da und lächelten uns an. In meinem Bauch breitete sich wieder dieses unbekannte Gefühl aus, während mir die Röte ins Gesicht stieg.

Gerade als ich ihn fragen wollte, wie er denn die deutschen Spaghetti findet, zerriss das Klingeln meines Handys die knisternde Stille. Es war meine Mutter. Ich entschuldigte mich bei ihm und trat nach draußen an die frische Luft.

„Mariella? Wo bist du schon wieder? Du warst gestern schon nicht da als ich nach Hause gekommen bin.“, hörte ich die aufgebrachte Stimme meiner Mutter.
„Es tut mir leid Mama, aber ich habe dir doch einen Zettel auf den Küchentisch gelegt. Hast du den nicht gesehen?“, fragte ich sie mit einem leichten schlechten Gewissen.
Sie verneinte dies, bestand aber trotzdem darauf, dass ich zeitnah nach Hause kommen sollte, da sie mich seit zwei Tagen bereits nicht mehr gesehen hatte. Und das noch an meinem Geburtstag.

Selbst nachdem ich ihr lautstark erklärt hatte, dass ich auf einem sehr gut laufenden Date war, ließ sie sich nicht von ihrer Meinung abbringen.
Schnaubend legte ich auf uns versuchte meinen Puls herunterzufahren, als ich hörte, wie sich jemand neben mir eine Zigarette anzündete. Ich drehte meinen Kopf und erblickte Damiano, der locker an der Wand gelehnt neben mir stand und mir die Zigarette entgegenstreckte. Wortlos nahm ich diese an und nahm einen tiefen Zug und pustete den Rauch Richtung Himmel.

„Also ich spreche kein Deutsch und ich könnte es mir ja einbilden, aber hast du da gerade von einem Date gesprochen?“, fragte er mich schließlich.
Ich erstarrte in meiner Bewegung. Ich hatte ein wenig lauter gesprochen als es mir lieb war und wollte es auch direkt verleugnen, als mich der Tatendrang überkam und ich nur einmal taff sein wollte.

„Ja, habe ich allerdings“, antwortete ich grinsend, „aber ich muss dir leider sagen, dass ich jetzt nach Hause muss. Weißt du, ich hatte gestern Geburtstag und meine Mutter hatte immer noch keine Gelegenheit mich zu sehen, sie besteht darauf, dass ich nach Hause komme, dass sie noch ein bisschen mit mir feiern kann. Aber bevor du etwas anderes sagen kannst, hast du Lust unser Date morgen fortzuführen? Ich kenne da einen schönen Platz und ich hätte große Lust auf ein Picknick.“

Sichtlich überrascht von meiner Sinneswandlung zog mich Damiano in seine Arme. Sofort pochte mein Herz wie verrückt. Sein Parfüm löste Schmetterlinge in meinem Bauch aus und ich war mir sicher, dass ich es nicht zum letzten Mal riechen wollen würde.

„Alles Gute nachträglich.“, flüsterte er in mein Ohr, was Gänsehaut bei mir auslöste, „das ist eine tolle Idee.“
„Dankeschön.“, hauchte ich kaum hörbar und löste mich schnell aus der Umarmung, in der Hoffnung, er hätte meinen rasenden Puls nicht bemerkt.
„Morgen um sieben treffen wir uns am alten Bahnhof. Der ist längst stillgelegt, aber manchmal setzte ich mich auf das Dach und schaue den Sonnenuntergang an. Man kann das ganz leicht auf Google Maps finden.“, schlug ich ihm vor.

„Ich freue mich sehr.“, antwortete er lächelnd.
Nachdem er darauf bestanden hatte, heute zu zahlen, erklärte ich mich dazu bereit alles für das Picknick vorzubereiten. Draußen vor dem Gebäude verabschiedeten wir uns.
„Und du bist dir wirklich sicher, dass ich dich nicht nach Hause bringen soll?“, fragte er zum vierten Mal. Wieder verneinte ich es und er gab sich geschlagen.

„Dann gute Nacht.“, murmelte ich bedrückt, unser Date schon früher als geplant abzubrechen.
Er kam mir näher als ich es erwartet hatte und hauchte mir einen Kuss auf die Wange.

„Ich freue mich sehr auf morgen.“, flüsterte er wieder und mir wurde heiß und kalt. Dann drehte er sich lächelnd um und verschwand in der Dunkelheit. 

resta con me - bleib bei mir | damiano david ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt