Kapitel 7 - Zeichnung

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Mit den Worten „Und wehe du erzählst es mir dieses Mal nicht sofort!“, hörte ich meine beste Freundin aus der Türe laufen. Kopfschüttelnd trottete ich wieder hoch in mein Zimmer. Michelle war für knappe drei Stunden hier gewesen und ich hatte noch viel Zeit, bis ich mich mit Damiano traf. Je später es wurde, desto aufgeregter war ich. Um mich abzulenken entschied ich mich dazu, eine Runde spazieren zu gehen.


Draußen war es warm. Nicht zu heiß, da es immer noch ziemlich bewölkt war, aber es war angenehm. Friedlich schlenderte ich durch die Straßen in Richtung Feld und dachte nach. Was sollte aus Damianos und meiner Freundschaft werden, wenn er in vier Tagen zurück nach Rom fahren würde? Gerade lernte ich ihn kennen und mochte ihn sehr. Und jetzt würde er einfach wieder gehen? Ich fragte mich, ob wir in Kontakt bleiben würden. Vielleicht schreiben wir uns ja Briefchen mit dem Parfüm und einem Bildchen des jeweils anderen, so wie es meine Mutter mit ihrem schwedischen Brieffreund immer gemacht hatte. Bei dem Gedanken musste ich schmunzeln.

Ich malte mir aus wie es wohl wäre, in Rom zu leben. Dabei fiel mir auf, dass ich gar nicht wusste, was Damiano so machte. Er hatte mir nur erzählt, dass er schon immer dort lebte, eine Wohnung mit einem Kumpel teilte und dass er gut kochen konnte. Ich nahm mir fest vor, heute Abend mehr über ihn zu erfahren.
Gegen Nachmittag trat ich verschwitzt in meine kühle Wohnung zurück. Die Wolken hatten sich verzogen und es wurde richtig heiß, sodass ich mich schnell wieder nach Hause begab. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich noch genau zwei Stunden Zeit hatte, bevor ich mich auf den Weg machen sollte.

Ich tapste ins Bad und nahm eine kühle Dusche, um meinen überhitzten Körper wieder auf eine normale Temperatur zu bringen. Das Wasser tat gut und ich fragte mich, was Damiano wohl gerade machte. Ob er auch so nervös war wie ich? Seinem Aussehen nach könnte ich mir aber vorstellen, dass ich nicht die erste Frau war, die bei seinem Anblick weiche Knie bekam. Wahrscheinlich war er es gewöhnt.
Schnell verdrängte ich diesen Gedanken aus meinem Kopf. Ich wollte ihm schließlich nichts unterstellen.

Als ich aus der Dusche stieg erschrak ich. Ich hatte eine Stunde mit meinen Tagträumen verschwendet und sollte auch noch das Picknick vorbereiten.
Ich flitzte in mein Zimmer wo ich mir schwarze Shorts und ein schlichtes rotes Crop Top ohne Ärmel überzog. Das Ganze rundete ich mit diversen goldenen Ketten und Ohrringen ab, ehe ich mir wieder meinen Hut schnappte und mich in die Küche begab.

Dort bereitete ich schnell Sandwiches, Tomate-Mozzarella und sogar Wassermelone vor. Zusammen mit einer Packung Keksen und Bier packte ich alles in meinen großen, schwarzen Lederrucksack, indem sich noch mein Zeichenblock befand. Da ich aber der Meinung war, man könnte sich überall Inspirationen holen, ließ ich ihn einfach drin und nahm ihn mit. Mit dem Rucksack auf dem Rücken und der Picknickdecke unter dem Arm machte ich mich nun fröhlich pfeifend auf den Weg zum alten Bahnhof.

Etwa 15 Minuten später lief ich – schon wieder fast zu spät- über den knirschenden Schotterweg hinüber zum Bahnhofgebäude, welches seit Jahren niemand betreten hatte außer feierwütige Jugendliche und ich, die sich gerne oben auf das Dach des Hauses oder sogar auf die alten Güterzüge setzte. Von diesem Ort hat man den perfekten Blick auf den Sonnenuntergang und – wenn es nicht bewölkt ist – auf die Sterne.
Ich hielt Ausschau nach Damiano, der aber noch nicht zu sehen war. Also entschied ich mich dazu, die Picknickdecke auf einem der Waggons auszubreiten. Diese Züge sind wirklich breiter als man denkt. Gerade als ich dabei war, alles auszuräumen, hörte ich eine mir mittlerweile allzu bekannte Stimme.

„Das ist ja wirklich ein ungewöhnlicher Ort.“

Vor Schreck fuhr ich herum. Ich war so konzentriert gewesen, dass ich ihn nicht kommen gehört habe.
„Hallo! Ja das stimmt, aber warte bis nachher die Sonne untergeht.“, antwortete ich ihm strahlend. Ich sehe bestimmt aus wie ein verknalltes Grundschulmädchen, dachte ich mir im Geheimen.

Ich streckte meine Hand nach ihm aus, um ihm nach oben zu helfen. Er ergriff sie lächelnd und ich war überrascht, wie groß seine Hand war. So perplex wie ich war dachte ich auch in dem Moment nicht daran, sie wieder loszulassen. Erst als er sich räusperte fiel mir auf, dass ich sie immer noch festhielt. Peinlich berührt versuchte ich das Thema zu wechseln.

„Also ich hoffe das ist in Ordnung, und ich weiß, dass ich mich mehr Mühe hätte geben können, auch mit den Keksen, aber mir ist die Zeit davongelaufen.“, erklärte ich, während ich auf das Essen deutete, was ich zwischen uns ausgebreitet hatte.

„Es ist wunderbar.“, entgegnete Damiano und öffnete sich ein Bier.
Auch er hatte heute kurze Hosen an und ausnahmsweise kein Hemd, sondern ein einfaches Tank Top. Seine Haare hatte er zu einem Dutt zusammengebunden und er trug keinen Eyeliner. Trotzdem war ich schon allein von seinem Anblick wieder hin und weg.

„Mir gefällt dein Hut.“
„Wie bitte?“, fragte ich schnell, komplett aus meinen Gedanken gerissen.

„Dein Hut. Er steht dir wirklich gut. Das hab ich mir am Freitag schon gedacht, aber da bist du zu schnell weg gewesen dass ich es dir hätte sagen können.“, erklärte er mir.
Nervös lächelte ich und setzte meinen Hut ab, um ihn in meinen Händen zu betrachten.

„Den hab ich wirklich schon lang, aber er gefällt mir so. Ich hab schon immer gerne Hüte getragen, ich kenne aber sonst niemanden der das tut.“

„Finde ich mutig.“, räumte Damiano ein, „das ging mir mit meinem Make-Up so. Aber es ist einfach ein Teil von mir geworden und es macht mich selbstbewusster.“

Mir gefiel seine Ansichtsweise sehr. Er faszinierte mich mit jedem Satz aufs Neue.

Gerade als er sich eine Zigarette in den Mund stecken wollte, schien ihm etwas einzufallen.
„Ich hab was vergessen!“, rief er und fing an, in seinem Rucksack herumzukramen, ehe er ein dünnes Päckchen herauszog und es mir entgegenstreckte.

„Das ist ein Geschenk für dich. Noch zum Geburtstag.“

Freudestrahlend nahm ich es an und packte es auch direkt aus, nachdem er mich dazu aufgefordert hatte. Zum Vorschein kamen ein nagelneuer Zeichenblock und eine kleine Karte, auf der geschrieben war:

Alles Gute zum Geburtstag, Bellina. Damit du Italien auch zeichnen kannst, wenn du mich mal besuchen kommst.

Glücklich und ohne viel darüber nachzudenken fiel ich ihm um den Hals.

„Vielen Dank Damiano, wirklich, ich freue mich total.“, murmelte ich in sein Ohr, während er nur lachen musste.

„Kein Problem, du hattest schließlich Geburtstag. Aber ich will deine Zeichnungen auch mal sehen, damit ich überprüfen kann, ob sich mein Kauf auch gelohnt hat.“ Neckisch stupste er mit in die Seite.

„Ich glaube, ich kann sie dir sofort zeigen.“, ließ ich ihn wissen, während ich meinen alten Zeichenblock aus meinem Rucksack kramte. Dabei bemerkte ich nicht, wie ein loses Blatt Papier aus dem Block fiel.

„Ich habe hier meinen alten Zeichenblock, da sind ein paar Bilder von Rom dabei. Du kannst mir ja sagen, ob die originalgetreu sind. Natürlich wäre es besser, wenn-…“

„Bin ich das?“

resta con me - bleib bei mir | damiano david ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt