Kapitel 4 - Aufgeregt

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Ich konnte erstmals wieder einen klaren Gedanken fassen, nachdem Michelles Redeschwall abgeklungen war. Sofort wollte sie wissen, wie er denn hieße, wie wir uns kennengelernt hatten und wieso er mysteriöse Nachrichten auf die Rückseite eines Kassenzettels kritzelte, und das noch auf Italienisch.


Ich erklärte ihr, wie ich ihn eben fast umgerannt hätte und dass er nur Italienisch sprach, ich aber sonst auch nichts über ihn wusste. Abgesehen von seinem Namen. Damiano.

Belustigt stieß mich Michelle in die Seite. „Besser kann der Tag doch nicht laufen oder? Du lernst einen total gutaussehenden Mann kennen, der rein zufällig auch noch Italiener ist und hast direkt ein Date? In deiner Haut würde ich gern stecken!“

Ich winkte ab. „Vielleicht ist es ja gar kein Date. Ich weiß ja auch nicht was er möchte. Denke ich zumindest. Oder doch? Was, wenn es doch ein Date ist? Ich weiß doch gar nicht wie sowas geht!“

Kopfschüttelnd hob Michelle die Hand, um zu signalisieren, dass wir gerne zahlen wollten.

Wir fuhren nach Hause und Michelle erzählte mir irgendetwas belangloses über die Jungs in ihrer Klasse, doch ich war mit den Gedanken ganz wo anders. Mir gingen diese Augen nicht aus dem Kopf. Selbst nicht, als ich schon zuhause war, mich bettfertig gemacht hatte und in meinem Bett lag. Ich hörte seine Stimme wie einen Ohrwurm beständig in meinem Kopf, und spürte seine starken Arme um meine schmalen Schultern. In dieser Nacht tat ich vor Aufregung beinahe kein Auge zu, erst gegen vier Uhr morgens fiel ich in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen wachte ich mit leichten Kopfschmerzen auf. Ich konnte nicht deuten, ob sie vom Alkohol kamen oder daher, dass ich zu lange wach war. Verschlafen schwang ich mich aus meinem warmen Bett und tapste in die Küche um mir eine Kopfschmerztablette zu holen.

Als ich gähnend zurück in mein Zimmer schlich, sah ich auf meinem Schreibtisch den zusammengefalteten Zettel. Sofort fiel mir alles wieder ein. Mein Geburtstag, die Sonne, das Bier und er. Damiano. In meinem Bauch breitete sich ein leichtes Kribbeln aus. Ich wusste nicht was los war, so etwas hatte ich noch nie zuvor gespürt und ich war es auch nicht gewohnt, dermaßen aus der Fassung gebracht zu werden.

Ich hatte keinen blassen Schimmer, was mich heute Abend erwarten würde, aber ich freute mich wahnsinnig, ihn wieder zu sehen. Ich fragte mich, ob es leichtsinnig war, mich mit jemandem alleine zu treffen, den ich kaum kannte. Doch obwohl ich nur seinen Namen wusste, traute ich ihm nichts Komisches zu. Vielleicht war er neu in Deutschland und versuchte einfach, ein paar Freunde zu finden.

Immer wieder versuchte ich den Gedanken an Damiano zu verdrängen, aber es gelang mir kaum. Immerzu dachte ich an ihn und wurde schon wütend auf mich selbst, weil ich der Meinung war, ich würde mich zu sehr in etwas hineinsteigern, so wie es meine Art war. Es war ja nicht so, als würde ich heute Abend heiraten. Ich traf mich nur mit einem netten Mann.

Den Tag verbrachte ich mit Zeichnen, gleich nachdem meine Tablette gewirkt hatte. Gekonnt setzte ich meinen Bleistift auf meinen Zeichenblock und kritzelte irgendetwas vor mich hin. Mir wollte nicht richtig einfallen was ich malen sollte, also vertraute ich auf mein Gedächtnis und versuchte, Damiano zu zeichnen, was mir nach ein paar Stunden auch relativ gut gelang. Stolz auf meine Arbeit legte ich das Blatt wieder in meinen Block und klappte ihn zusammen.

Ich warf einen Blick auf die Uhr und merkte, dass es schon höchste Zeit war, mich anzuziehen. Heue war es noch wärmer als gestern, weshalb ich mich für ein luftiges weißes Sommerkleid entschied, dazu eine Jeansjacke und hellbraune Sandalen. Mein Make-Up war dezenter als gestern und meine Haare band ich einfach in einen Dutt. Mehr oder minder zufrieden schrieb ich meiner Mutter, die wieder abwesend war, einen neuen Zettel, dass ich noch einmal unterwegs sein würde. Dann schnappte ich mir mein Fahrrad und radelte – so gut wie es nach dem Gedächtnis ging – in Richtung Sky Beach.

Gegen 19:50 Uhr lehnte ich mein Fahrrad an den Zaun, der um das Gebäude gezogen war. Erst jetzt fiel mir auf, wie unglaublich aufgeregt ich war. Was, wenn er mich gestern nicht an-, sondern ausgelacht hatte und mich nur ärgern wollte, indem er mich auf dem Arm nahm? Nervös fing ich an auf meiner Unterlippe herum zu kauen, als ich eine bekannte Stimme hinter mir hörte.

„Da bist du ja! Ich hatte schon Angst, du würdest nicht kommen.“

resta con me - bleib bei mir | damiano david ffWo Geschichten leben. Entdecke jetzt