Bel
Ich versuchte die Hitze in meinem Inneren zu bekämpfen, aber es war nicht nur das Feuer der Wut, das in mir wütete und das ich zu verbergen versuchte.
Meine Hände zitterten vor Zorn, als ich den Schlüssel an meinem Gürtel verstaute. Wutentbrannt schlug ich mit der Faust gegen die schwere Holztür, sodass die dünne Haut an meinen Fingerknöcheln unwillkürlich aufplatzte. Aber das störte mich nicht. Ich hatte schon Schlimmeres überstanden.
Der Schmerz lenkte mich einen Augenblick von meinem inneren Druck ab. Schon seit einer Weile hatte ich das Gefühl, es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis ich explodierte und die Welt um mich herum vernichtete. Ich musste einen Weg finden, diese gewaltige Macht in Schach zu halten, bevor die Energie so groß wurde, dass sie mich finden und vernichten würde.
Missmutig fuhr ich mir mit der Hand an den Hals. Eine Spur roten Bluts verteilte sich auf meinen Fingerspitzen. Das Miststück hatte mich tatsächlich gut erwischt.
Sie. Eleah Carswell. Sie war noch immer ein Rätsel für mich. Nicht nur, dass ihr Erscheinen mitten im Ozean absolut mysteriös war, nein, auch ihr Verhalten war es. Sie schien am Tag ihres Auftauchens etwas verwirrt gewesen zu sein, aber wer konnte schon wissen, was sie erlebt hatte und wie sich unsere Wege kreuzen konnten. Genauso wenig wusste ich, wie sie zu Galatea stand und welchen Plan sie verfolgte. Dass sie so ein harter Brocken war, so schweigsam, so voller Lügen und Geheimnisse nagte an meinem Selbstbewusstsein.
Seit mehr als zwei Wochen bekam sie nur noch das Nötigste an Wasser und Nahrung. Ihr Wille schien trotzdem weiterhin ungebrochen und sie stellte sich ahnungslos. Diese Tatsache machte mich wütend.
Noch wütender machte es mich, dass sie zwar einen gewissen Respekt vor mir zu haben schien, ich aber keine Angst in ihren Augen ausfindig machen konnte. Sie war stur und ich würde vermutlich noch härtere Geschütze auffahren müssen, wenn ich etwas aus ihr heraus bekommen wollte.
Und als ob das noch nicht schlimm genug war, hatte sie es auch noch geschafft, mich zu täuschen. Noch nie hatte mich jemand so hinters Licht geführt. Ihre gesamte Energie, die sie so unbekümmert und offen zur Schau trug, hatte sich von einer Sekunde zur nächsten vollständig aufgelöst. Ich konnte sie nicht mehr spüren und nur deshalb hatte sie mich austricksen und einen Fluchtversuch unternehmen können. Das machte mich am wütendsten. Ich schwor mir, ihr zu zeigen, was es hieß, mich für dumm verkaufen zu wollen. Das würde sie noch bitter bereuen.
Auch wenn die Wut meine Macht weiter entfachte, nährte und mich zu übermannen drohte, so konnte ich nicht leugnen, dass ihr kleiner Trick mir doch verdeutlichte, dass sie nicht zu sein schien, wer oder was sie vorgab. Vielleicht waren wir uns ähnlicher, als man auf den ersten Blick annehmen würde.
»Hast du endlich etwas aus ihr herausbekommen?« Graham riss mich aus meinen Gedanken. Er hatte scheinbar an Deck auf mich gewartet und fing mich unterwegs ab. Das hatte mir noch gefehlt.
Ich wischte mir das Blut von der Hand und schüttelte den Kopf. »Aber ich bin nah dran.«
Graham musterte mich und sein Blick fiel auf meine aufgeplatzten Fingerknöchel und die Kratzspuren an meinem Hals. Sein Kiefer mahlte. »Sie führt uns vor, Bel. Das gefällt mir nicht.«
Ich schnaubte verächtlich. »Sei nicht albern. Sie ist einfach ein vorlautes Weibsbild und ich habe bisher noch keine Frau verhört. Ich muss nur meine Strategie ändern.«
»Dann tu das, denn ansonsten werde ich deine Arbeit übernehmen müssen. Ich möchte nicht auf die Königliche Marine treffen, mit einer ihrer Verbündeten auf meinem Schiff.«
Graham hatte recht. Auf diese Begegnung konnte ich ebenfalls getrost verzichten. Ich musste mir schnellstens etwas einfallen lassen, um die nötigen Informationen aus ihr herauszubekommen. Zum Glück war ich mit meinen Fähigkeiten noch nicht am Ende angelangt und hatte noch genügend Methoden in der Hinterhand, um das Vögelchen zum Singen zu bringen. »Aye, aye, Captain.«
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NOIR - Ein Königreich aus Staub und Asche
Fantasía*** Watty Gewinner in der Kategorie Fantasy *** Band I der NOIR-Dilogie »Ich weiß, dass du dir ein anderes Leben ersehnt hast und dass du dich sicherlich fragst, warum ausgerechnet du die Auserwählte bist. Ich kann dir darauf keine Antworten geben u...