Eleah
Irgendwann stellte ich das Essen ein. Das bisschen Zwieback, was ich bekam, war zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Er machte nicht satt und immer dann, wenn ich ihn gegessen hatte, knurrte mein Magen lauter als zuvor.
Außerdem brauchte ich ihn als Munition. Jedes Mal, wenn jemand die Tür einen Spalt öffnete, machte ich mir einen Spaß daraus und versuchte sie mit dem steinharten Zwieback von vor drei Tagen durch den Spalt am Kopf zu treffen. Das war vermutlich irgendeine abgefahrene Art von Galgenhumor – oder Todessehnsucht. Vielleicht weigerte ich mich auch einfach zu akzeptieren, was mein Verstand bereits erahnte: Ich würde hier unten sterben.
Ein Mal traf ich einen der Crewmitglieder am Kopf. Der Mann funkelte mich lediglich durch den Spalt wütend an, schloss die Tür und verschwand. Daraufhin übernahm Bel wieder diese Aufgabe und brachte mir meine Ration, woraufhin ich es bedauerte seine Vertretung vergrault zu haben.
Lässig fing er den Zwieback mit der Hand und schleuderte ihn niederträchtig zu mir zurück, wo er von meiner Schulter abprallte. Ich zuckte zusammen, versuchte mir aber nicht anmerken zu lassen, wie schwach ich mittlerweile war und dass ich fast schon dagegen ankämpfen musste, nach dem Treffer nicht hinten überzukippen.
Meine Hoffnung schwand von Stunde zu Stunde. Aber immerhin brachte man mir mittlerweile zwei Flaschen Wasser. Vermutlich nicht aus Mitleid, sondern weil sie wollten, dass ich bei Kräften blieb. Ich haderte mit mir, ob ich das Trinken ebenfalls einstellen sollte. Da mein Hungerstreik aber zu nichts führte, bezweifelte ich, dass es etwas ändern würde, auch auf das Wasser zu verzichten. Dass ich nichts aß, war zumindest die einzige Kontrolle, die ich noch hatte und die sie mir nicht nehmen konnten. Aber ich hatte noch genug Lebenswillen und nicht vor, hier zu sterben. Ganz egal, was mein Verstand dazu zu sagen hatte. Scheinbar war es doch der Galgenhumor, der mich dazu veranlasste, den Zwieback zu werfen.
***
Als die Tür knarrte, schreckte ich aus meinem Dauerschlaf auf. Mittlerweile döste ich stundenlang vor mich hin, um meine Kräfte zu sparen.
Bel trat ein und verschloss die Tür. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, setzte ich mich aufrecht hin. Auch er blickte mit seinen eisblauen Augen auf mich herab, ehe er zu meiner Überraschung mit dem Rücken an der Tür hinabsank.
Verblüfft zog er die Augenbrauen hoch, als ich ihm meine Flasche Wasser anbot. »Ich würde dir ja eine Tasse Tee anbieten, aber leider lässt das meine Ausstattung nicht zu.«
Es schien ihn immerhin zu amüsieren, denn seine Mundwinkel zuckten kaum merklich. Wenn dieser leicht persönlichere Umgang eine vertrautere Basis zwischen uns schaffte, dann würde ich ihm zusätzlich noch die Füße küssen, wenn es ihn dazu brachte, mich hier endlich raus zu lassen. Denn dieses Vertrauen würde mir hoffentlich ein paar Freiheiten einbringen, die ich ausnutzen konnte. Sie konnten mich schließlich nicht ewig hier unten festhalten. Das war einfach keine Option.
»Eleah.« Bel ließ sich meinen Namen auf der Zunge zergehen. »Siehst du, wir machen Fortschritte.« Er prostete mir zu und setzte die Feldflasche an. Kurz bevor sie seine Lippen berührte, hielt er inne und musterte sie misstrauisch. Schließlich trank er aber doch einen Schluck, als er bemerkte, dass mir hier unten ganz offensichtlich die Mittel zur Giftherstellung fehlten.
Angewidert zog ich eine Grimasse und machte mir eine innerliche Notiz, die Flasche nicht mehr mit meinen Lippen zu berühren. »Wie lange soll das Ganze hier noch gehen?« Und weg waren sie, die guten Vorsätze.
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NOIR - Ein Königreich aus Staub und Asche
Fantasía*** Watty Gewinner in der Kategorie Fantasy *** Band I der NOIR-Dilogie »Ich weiß, dass du dir ein anderes Leben ersehnt hast und dass du dich sicherlich fragst, warum ausgerechnet du die Auserwählte bist. Ich kann dir darauf keine Antworten geben u...