Eleah
Endlich im Hauptquartier der Königlichen Marine angekommen, ließ Leutnant Beaufort mir ein Zimmer herrichten, wo ich mich ausruhen und aufhalten konnte, bis er sich die Zeit einrichten konnte, mich über unsere Weiterreise zu informieren.
Das riesige u-förmige Gebäude stand auf einem kleinen Hügel, umzäunt von einem mannshohen Zaun aus Eisen. Dann und wann wehte der Wind die Geräusche der Stadt und die salzige Luft des Hafens zu mir hinauf. Es war für ein paar Tage meine Hauptbeschäftigung gewesen, aus dem Fenster zu starren, denn man hatte mich zu meiner eigenen Sicherheit gebeten, dass Zimmer nicht unnötig zu verlassen. Leutnant Beaufort befürchtete einen Entführungsversuch durch die Piraten und ließ zwei Soldaten vor meiner Tür ihre Posten beziehen.
Man behandelte mich zuvorkommend und auch das Essen, dass man mir servierte, ließ keine Wünsche offen. Täglich trug das Personal Platten von Obst, Brot, Fisch und Fleisch in mein Zimmer, sodass ich schnell wieder zu Kräften kam. Ein junges Mädchen hatte mir erneut ein Bad mit einem Berg aus Seifenschaum eingelassen und mir hinterher beim Ankleiden des aufwendig bestickten roten Kleides geholfen, da ich mit dem Mieder hoffnungslos überfordert gewesen war.
So sehr ich die ganze Aufmerksamkeit auch genoss, so sehr strapazierte sie auch meine Geduld. Ich wollte jetzt endlich wissen, was die Königin von mir wollte und warum sie mit über einhundert Männern nach mir suchen ließ.
Ich war froh, als mich endlich einer der Soldaten, die auf dem Gelände patrouillierten, abholte und über den Hof in das Hauptgebäude führte. Im ersten Stock blieben wir vor einer Tür stehen und mein Begleiter klopfte an.
»Herein!« Leutnant Beauforts Stimme drang durch das Holz.
Als wir eintraten, sah er von seinem Schreibtisch auf. »Miss Carswell! Welch ein erfreulicher Anblick«, sagte er und nickte meinem Begleiter zu, der gleich darauf die Tür hinter sich schloss und uns alleine ließ.
Beaufort lehnte sich in seinem dunklen Ledersessel zurück und betrachtete mich über seinen Schreibtisch hinweg. Er hatte die Jacke seiner Uniform ausgezogen und hinter sich über die Lehne gehängt. Ohne diese Auszeichnung seines Standes wirkte er weniger respekteinflößend.
»Bitte kommt und setzt Euch.« Mit einer einladenden Geste deutete er auf den Stuhl ihm gegenüber.
Kaum hatte ich ihm gegenüber Platz genommen, sprach er weiter. »Ich frage mich wirklich, wie Ihr – du – wir waren doch schon beim Du, nicht wahr?«
Ich nickte. Es war mir egal, wie er mich nannte, solange man mir endlich ein paar Fragen beantwortete.
»Nun, ich frage mich, wie du so lange unbemerkt bleiben konntest. Es war nicht einfach, dich endlich aufzuspüren, denn als Ihre Majestät das erste Mal deine Energie gespürt hat, dachten wir zuerst, es wäre ein Irrtum. Bekanntermaßen konnte es nicht wahr sein, denn deinesgleichen wurden alle vernichtet.« Sein Blick wurde finster. »Und dann spürte sie dich noch ein zweites Mal.«
»Die Königin hat mich gespürt? Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz ...«
»Die einzige logische Erklärung konnte nur sein, dass ein Kind im Zeichen der Luft geboren wurde. Ihre Majestät hat mich losgeschickt, um dieses Kind zu finden und so stieß ich schließlich auf dich, in den Fängen dieser kriminellen Bande. Nur bist du augenscheinlich alles andere als ein Kind.« Er leckte sich über die Lippen und unweigerlich lief mir ein Schauder über den Rücken.
Plötzlich fühlte ich mich nicht mehr so wohl wie in den letzten Tagen. All die Freundlichkeit war aus Leutnant Beauforts Gesicht gewichen, als er seinen Monolog zu Ende geführt hatte.
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NOIR - Ein Königreich aus Staub und Asche
خيال (فانتازيا)*** Watty Gewinner in der Kategorie Fantasy *** Band I der NOIR-Dilogie »Ich weiß, dass du dir ein anderes Leben ersehnt hast und dass du dich sicherlich fragst, warum ausgerechnet du die Auserwählte bist. Ich kann dir darauf keine Antworten geben u...