Bel
Schmerz.
Meine Arme, meine Beine ... Er war überall. Lähmte mich, fraß sich durch Haut und Knochen, durchwühlte meine Organe und ließ wieder einmal den Wunsch in mir aufsteigen, dass der jetzige röchelnde Atemzug der letzte war, der meine Lunge quälte. Denn das, was mit meinem Herzen geschah, wie es sich anfühlte, war das Schlimmste.
Ich leckte mir über die trockenen Lippen und verzog bei dem Geschmack von Staub und Asche den Mund. Das Knirschen zwischen meinen Zähnen ließ mich innehalten.
Was war geschehen?
Du weißt es ...
Ganz egal wie schnell und weit ich lief, die Vergangenheit holte mich immer wieder ein; drängte mich erbarmungslos an den Rand des Untergangs.
Meines Untergangs.
Schweiß lief mir über die Stirn und rann an den Schläfen hinab. Ich verbrannte innerlich, aber es roch nicht nach Fleisch und Horn, sondern nach Holz und Laub.
Schwerfällig öffnete ich die Augen, spürte die Erde unter meinen Händen und Wurzeln, die mir in den Rücken stachen. Überall war Rauch, der mir den Atem nahm.
Neben mir züngelten sich die Flammen an der Mühle empor. Ein paar Bäume um mich herum hatten bereits Feuer gefangen. Ich starrte in ihre brennenden Baumkronen, bis meine Augen schmerzten und tränten.
Endlich zeigst du dich.
Es war so laut. Die Stimmen in meinem Kopf drohten ihn zum Platzen zu bringen. Das Feuer knackte und irgendwo brach ein Ast und fiel zu Boden. Oder war es einer der Windmühlenflügel? Aber das war egal, denn ich hatte nur einen Gedanken: Eleah.
Müde schloss ich die Augen. Sie hatte sich entschieden und ich konnte nichts dagegen tun, auch wenn sie nicht wusste, worauf sie sich eingelassen hatte. Ich hätte sie früher aufklären müssen. Hätte ihr die Wahrheit sagen sollen. Doch jetzt war es zu spät ...
***
»Hey! Aufwachen!«
Irgendwo am Rande meines Deliriums bekam ich mit, wie jemand unter meine schmerzenden Achseln griff und mich weg von der Hitze zog. Stöhnend wandte ich mich in seinem Griff, wollte einfach nur hier liegen bleiben. Denn hier gehörte ich hin. Genau in diese Hölle.
»Ich kann dich hier nicht zum Sterben zurücklassen«, schnaufte er, wobei seine Nase bei jedem Atemzug ein merkwürdig pfeifendes Geräusch von sich gab. »Du schuldest mir eine neue Mühle.«
Ich kämpfte gegen die schweren Lider an und öffnete meine brennenden Augen. Fast erkannte ich ihn nicht, denn auch sein Gesicht war ganz verstaubt und rußverschmiert, sein Auge so zugeschwollen, dass er dadurch kaum etwas sehen konnte. Er grinste blöd und entblößte dabei seine Zähne, die grotesk aus seiner schmutzigen Visage hervorstachen.
Der Junge ließ sich erschöpft neben mir auf dem Boden nieder und starrte in die Flammen, die seine Existenz vernichteten.
»Danke«, murmelte ich heiser gegen das Kratzen in meinem Hals an. »Aber das wäre nicht nötig gewesen.«
Anscheinend hatte er ebenfalls einiges von dem Rauch eingeatmet, denn er wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. Erst als er sich beruhigt hatte, drehte er sich zu mir. »Ich sagte doch: Du schuldest mir eine neue Mühle.«
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NOIR - Ein Königreich aus Staub und Asche
Fantasy*** Watty Gewinner in der Kategorie Fantasy *** Band I der NOIR-Dilogie »Ich weiß, dass du dir ein anderes Leben ersehnt hast und dass du dich sicherlich fragst, warum ausgerechnet du die Auserwählte bist. Ich kann dir darauf keine Antworten geben u...