Bel
Auf Eleahs ausdrücklichen Wunsch besuchte sie Bennett nur noch in meiner Begleitung, weil sie befürchtete, er könnte ihr unseren Plan in ihrem Gesicht ablesen. Was tatsächlich gar nicht so unwahrscheinlich war, denn sie konnte ihm kaum noch in die Augen sehen.
Obwohl ich eigentlich gerade anderes im Kopf hatte und die Übernahme der Pegasus organisieren musste, konnte ich ihr diesen Wunsch nicht abschlagen. Ganz uneigennützig war meine Großzügigkeit allerdings auch nicht, denn nach allem, was in der Vergangenheit zwischen uns geschehen war, was ich getan hatte, nahm ich von ihr, was sie bereit war, mir zu geben. Und wenn das hieß, dass ich sie den halben Tag zu den Verwundeten begleitete, nur damit sie sich zwei Stunden später darüber aufregen konnte, dass ich ihr im Weg herumstand, dann tat ich es mit Freude und ging ihr gerne zur Hand.
Die ganze Geheimniskrämerei schien ihr allerdings von Tag zu Tag mehr auf das Gemüt zu schlagen. Wenn sie nicht arbeitete, zog sie sich viel in ihre Kajüte zurück und ging grübelnd ihren Gedanken nach. Keck und vorlaut war sie mir eindeutig lieber. Dann hatte sie so viel Ähnlichkeit mit ihr, dass ich um mich herum beinahe alles vergessen konnte und in längst vergangenen Zeiten schwelgte.
Doch jetzt schlich Eleah unruhig über das Deck und ließ sich nicht mal von meinen Provokationen aufziehen, geschweige denn, dass sie den Eindruck erweckte, an einem Gespräch interessiert zu sein, um über das zu reden, was in einer der vergangenen Nächte zwischen uns passiert war.
Ich war nicht dumm genug, um zu glauben, dass diese Nacht etwas geändert hatte. Dass ein gefährliches Feuer zwischen uns brannte, wusste ich nicht erst seit ein paar Tagen. Dieses Wissen lag viel länger zurück, als irgendjemand erahnen würde und deswegen war mir auch schmerzlich bewusst, dass es besser war, wenn es eine einmalige Sache blieb, die aus einem schwachen Moment meinerseits entstanden war.
Es war nicht meine oberste Priorität, das Thema totzuschweigen. Ich wusste, früher oder später würden wir darüber reden und ein paar Dinge zwischen und klären müssen. Aber das hatte Zeit, bis wir auf hoher See untergetaucht waren und ein paar Seemeilen zwischen uns und das Festland gebracht hatten. Bald würden wir mit einem neuen Schiff unsere Reise fortsetzen, das größer und schneller war als alle mir bekannten Dreimaster, und dann würde auch Eleah die Vorteile dieses Hinterhalts zu schätzen wissen.
»Hältst du das wirklich für eine gute Idee, wenn ihr euch alleine in die Höhle des Löwen wagt?«, fragte Asil und musterte Eleah und mich von oben bis unten. Wir hatten ihr auf die Schnelle noch ein sauberes Kleid im Hafen besorgt und ich hatte sie gebeten, ihren Ring zu tragen, während ich meine Siegelringe in der Kajüte zurückließ. Um den Schein der Unschuld zu wahren, hatte ich mich dazu entschieden, meinen Waffengürtel abzunehmen und unbewaffnet den Weg zum Anwesen des Gouverneurs anzutreten.
»Wir sind ein Paar auf Hochzeitsreise«, sagte ich und winkte ab. »Wir brauchen keine Anstandsdamen. Wenn wir allerdings morgen um die Uhrzeit nicht zurück sind, dann solltest du dir wohl doch irgendetwas einfallen lassen.«
»Und du solltest besser zusehen, dass es gar nicht erst so weit kommt und ich euch mit Waffengewalt da herausholen muss. Wir können es uns nun wirklich nicht leisten, weitere Aufmerksamkeit auf uns zu ziehen, wo wir doch mit der Königlichen Marine schon alle Hände voll zu tun haben«, erwiderte Asil mahnend.
Obwohl ich wusste, dass er recht hatte, verdrehte ich die Augen. »Sei doch nicht so ein Spielverderber.« Ich winkte erneut ab, wandte mich Eleah zu und raunte: »Bist wenigstens du bereit, ein bisschen mit mir zu spielen?«
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NOIR - Ein Königreich aus Staub und Asche
Fantasy*** Watty Gewinner in der Kategorie Fantasy *** Band I der NOIR-Dilogie »Ich weiß, dass du dir ein anderes Leben ersehnt hast und dass du dich sicherlich fragst, warum ausgerechnet du die Auserwählte bist. Ich kann dir darauf keine Antworten geben u...