《20》

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Avan wirbelte seinen Dolch herum und fing ihn mit einer geschickten Geste auf. Ohne große Eile spazierte er über die Häuserdächer seiner Stadt und ließ seine Gedanken schweifen. Er war zwar mit Ragnar verabredet, doch er wusste, dass sein Freund nicht erwartete, dass er pünktlich kam.

Avan streckte sich und spürte die vielen Waffen, die er unter seinem Umhang trug. Er seufzte auf und wusste, dass er seinen Entschluss nicht länger geheim halten konnte. Klar, er wusste es zu schätzen, dass Ragnar ihm vollkommen vertraute, doch in letzter Zeit war ihm sein Freund immer mehr zum Verhängnis geworden. Ständig hing er in den Kneipen herum und vernachlässigte seine Assassinenpflichten. Außerdem wusste Avan genau, dass Ragnar ihn irgendwann verplappern würde. Es war nur noch eine Frage der Zeit. In diesem Stadtviertel galt er als einer unter den berüchtigsten Assassinen, wenn auch die meisten nicht wirklich daran glaubten, dass er wirklich existierte.

Geschickt sprang Avan zu dem nächsten Hausdach und sah zum Himmel hinauf, wo die Sonne gerade unterging. Normalerweise würde er sich freuen, dass der Tag endlich zur Neige ging und sich an seine Aufträge machen, doch heute entschied er sich ausnahmsweise dagegen. Er würde jetzt darunter gehen, sich zu Ragnar setzten und einfach mal Spaß haben. Trotzdem sagte ihm eine Stimme im Hintergrund, dass er es Ragnar irgendwann beichten musste.

Als Avan in die Kneipe kam, saß Ragnar schon in einer Sitzecke und unterhielt sich mit einer Frau. Wobei unterhaltend das falsche Wort dafür war. Er verschlang sie gerade recht mit seinen Blicken und seine Augen ruhten die ganze Zeit auf ihrem Ausschnitt.

Mit großen Schritten durchquerte Avan den Raum und bestellte sich an der Theke einen Krug Bier. Während der auf sein Getränk wartete, ließ er seinen Blick unauffällig durch den Raum wandern. Die Kneipe war um diese Zeit gut besucht und Avan konnte nicht ausschließen, dass auch ein paar Wachen der königlichen Leibgarde dabei waren. Ragnar musste aufpassen, wenn er nicht erneut gefangen genommen werden wollte. Doch, als Avan den Blick auf die Soldaten richtete, schwenkten diese ihm nur den Bierkrug zu und riefen irgendwas Unverständliches. Sie waren allesamt sturzbetrunken. Avan seufzte und nahm seinen Bierkrug entgegen. Er überlegte, ob er sich zu Ragnar setzten sollte, doch dann würde er ihm das Gespräch mit der Frau ruinieren.

Also entschied er sich lieber für einen leeren Tisch auf der linken Seite, wo er einen guten Blick auf Ragnar hatte. Irgendwann würde er ihn schon bemerken.

So saß er alleine im halbdunkeln und nahm einen Schluck von seinem Getränk. Verstohlen beobachtete er die Soldaten auf der anderen Seite, doch diese waren allesamt betrunken, sodass Avan sich auch genau neben sie hätte setzten können und diese ihn nicht bemerkt hätten.

Sein Blick wanderte weiter. Bis auf die Soldaten waren noch weitere Leute da. Die meisten waren einfache Bürger, die ihren freien Abend in der Kneipe genossen, doch genau gegenüber von ihm saß ein Mann, der genau wie er selbst die Kapuze ins Gesicht gezogen hatte und sich verstohlen umsah. An seiner unruhigen Miene, erkannte Avan, dass es sich nicht um einen gefährlichen Killer handeln konnte. Er sah aus, wie ein einfacher Bauer, der auf keinen Fall erkannt werden wollte. Avan folgte seinem Blick und blieb an einer Frau mit üppiger Figur hängen, die gerade mit eine Mann tanzte. Sie prosteten sich gegenseitig zu und ein paar andere Leute klatschten begeistert im Takt.

Avans Blick glitt zu dem Mann an dem Tisch zurück. Auf seiner Miene lag Hass. Überrascht hob Avan die Augenbraue. Solch eine Miene sah man nicht oft bei einfachen Bürgern. An dem Blick, erkannte er, dass der Mann eifersüchtig auf den anderen Bürger war, der grade mit der Frau tanzte.

Avan leerte seinen Krug mit einem Schluck und erhob sich geräuschlos. Er hielt sich im Schatten, um möglichst unerkannt zu bleiben und stellte nur kurz den Krug auf den Thesen zurück. Er huschte in einiger Entfernung an die Wand, um den Mann beobachten zu können. Eigentlich hatte er vorgehabt sich zu betrinken, doch diese Art von Vergnügen machte ihm viel mehr Spaß.

Langsam erhob sich der Mann, doch im ganzen Trubel achtete niemand auf ihn. Unter seinem Umhang zog er einen Silber, glänzenden Gegenstand hervor und Avan, der in seinem leben mehr Waffen gesehen hatte, als ein normaler Bürger, wusste genau, dass es sich hierbei, um einen Dolch handelte. Avan sah dem Mann belustigt zu, wie er sich erhob und sich langsam dem Ehepaar näherte. Seine Hand zitterte, als er sich hinter den Ehemann von der Frau schlich. Die beiden hatten aufgehört zu tanzen und der Mann eilte zum Tresen, um neue Getränke zu besorgen. Der Mann schlich dem anderen hinterher und holte aus.

Der Ehemann fiel leblos zu Boden. Eine der Frauen sah zu dem Mann mit dem Dolch in der Hand und fing an zu schreien. Sie deutete auf den leblosen Mann auf dem Boden und auf den anderen Mann mit dem Dolch in der Hand, von dessen Klinge rotes Blut hinuntertropfte. Die Musik verstummte abrupt und als die Frau ihren toten Ehemann sah fing sie an zu schreien. Der Mann mit der Klinge in der Hand zitterte, als schien er erst in diesem Moment zu begeifen, was er getan hatte. In seinen Augen trat ein glasiger Glanz.

In diesem Moment riss Avan die Tür auf und trat aus der Kaserne hinaus. Hinter ihm hörte er Geschrei und er schüttelte ungläubig den Kopf. Die kalte Luft traf ihn wie ein eiserner Speer und schnell beeilte er sich von der Kaserne wegzukommen. Wenn, die Soldaten ihn jetzt sehen würden, würde ihr Verdacht in erster Stelle auf Avan fallen. Mit einem Satz schwang er sich an einer Hauswand hoch und hievte sich auf das nächstgelegene Dach.

Wenige Zeit später huschte eine Gestallt neben ihm und verschränkte die Arme vor der breiten Brust. Avan erkannte an der Schrittart, das es sich um Ragnar handeln musste. Ganz klar, diese lauten, klobigen Schritte mussten von Ragnar stammen.

„Warst du das?", fragte Ragnar mit tonloser Stimme. Avan wandte sich nicht zu seinem Kollegen um und schwieg. Er genoss die Stille der Nacht und wollte sie nicht unterbrechen. Ragnar schritt auf ihn zu.

„Wieso?", fragte er mit einem gefährlichen Unterton in der Stimme.

Avan sah noch immer auf die Häuser unter ihm: „ Ich war das nicht."

Ragnar schnaubte verächtlich auf. „Natürlich warst du das nicht. Wer sollte es auch sonst gewesen sein?"

„Ich frage mich woher dieser Bürger den Dolch hatte", grübelte Avan und achtete bewusst nicht auf seinen Freund.

Ragnar sagte nichts mehr, doch Avan wusste, dass er ihm es noch nicht immer abnahm. „Soll das etwa heißen, dass du nur tatenlos daneben gestanden hast und ihm zugeschaut hast, wie der Mann zu einem Mörder wird?"

Ragnar stellte sich genau vor Avan, sodass er seinem Blick nicht mehr ausweichen konnte. Avan seufzte laut auf. „Wiese soll ich mich um diese mitleidigen Bürger kümmern? Verlangst du das grade ernsthaft von mir? Sie gehen mich nichts an, ja, sie kümmern mich einen Dreck."

Ragnar schnaubte verächtlich aber er wandte sich ab. „Mein Gott Avan, du unten ist gerade jemand unschuldiges gestorben nur, weil ein Mann auf den anderen eifersüchtig war. Das kann dir doch nicht einfach egal sein!"

Avan drehte seinen Dolch in den Händen. Er hatte gar nicht bemerkt, wie er ihn in die Hände genommen hatte. Ragnar schüttelte fassungslos den Kopf und öffnete den Mund, doch schnell schloss er ihn wieder. Er wollte auf Avan zu gehen, doch schließlich schüttelte er nur den Kopf und sprang von dem Hausdach hinunter.

Avan stöhnte genervt auf und rieb sich mit der Hand die Schläfe. Ragnar hatte nicht genug durchgemacht, um zu wissen was Avan so gleichgültig machte.

Er lehnte sich an den Schornstein hinter ihm. Ragnar hatte ja keine Ahnung. Er brachte täglich mehrere Leute um, was sollte ihn da ein weiterer Bürger kümmern?

Ancore of BetrayalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt