《34》~Fenja

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Fenja


Ich musste die Augen nicht öffnen um zu wissen, dass ich nicht mehr alleine im Raum war.

„Was willst du?", grummelte ich noch immer Halbschlaf und unternahm einen halbherzigen Versuch den anderen Menschen im Raum mit einem meiner Kissen abzuwerfen.

„Tut mir leid, ich....", stotterte der arme Mann, der zufällig in mein Zimmer getreten war.

„Worauf wartest du noch? Raus hier!", scheuchte ich ihn aus meinem Zimmer.

„Es tut mir echt leid", stammelte er und verließ hektisch mein Zimmer. Ich lauschte einen Augenblick lang den Schritten hinterher und als ich mir sicher war, dass er weg war ließ ich meinen Kopf in das weiche Bett zurück sinken.

Vor ein paar Monaten hätte ich das jetzt genießen können, doch jetzt nicht mehr. Ich bewegte zuerst meine Beine, um sicherzustellen, dass ich nicht eines Tages aufwachte und feststellen musste, dass ich sie nicht mehr bewegen konnte, sowie vor ein paar Tagen zuvor. Nie wieder wollte ich etwas vergleichbares erleben. Ich rappelte mich auf und kämpfte mich aus den Lagen von weichem Stoff. Ich hatte den anderen zwar vor gemunkelt, dass es mir wieder gut ginge, doch innerlich war ich am Boden zerstört. Nichts war mehr wie es zuvor gewesen war.

Jeden Morgen wachte ich mit Alpträumen auf und konnte nicht schnell genug aus meinem Bett hinauskommen. Das Bett erinnerte mich an die Liege, an das Lazarett und an den Krieg. Ich hasste den Krieg. Ich hasste die Nationen, hasste alles was damit zu tun hatte. Der Krieg hatte mein Leben zerstört. Es konnte doch nicht normal sein, dass man jede Nacht, jede Stunde von Alpträumen geplagt wurde. Mitten am Tag tauchten Bilder vor meinen Augen auf. Die endlose Wüste, den Qualen die ich erlitten hatte, das Geräusch von Knochensplittern, Lian, wie er immer und immer wieder vor meinen Augen zu Boden ging. Es genügte der Anblick einer Waffe oder etwas, das mich an den Krieg erinnerte und schon tauchten die Versionen erneut auf.

Ich setzte mich auf den Rand des Bettes und zog mir meine Socken über. Mein Blick viel auf meine Beine. Ich war so unglaublich dünn geworden. Meine Biene schienen nur noch aus Knochen und Haut zu bestehen.

Ich wusste nicht mehr, wie lange ich in dem Lazarett gelegen hatte. Die Erinnerungen an die schlimme Zeit dort waren verschwommen, als wären sie alle in einem Wirbel aus Gefühlen und Einblicken ertrunken. Mein Körper musste schlimme Verletzungen gehabt haben. An meinem rechten Oberschenkel zog sich eine lange Narbe über die spröde Haut und an meinem Bauch prangte ein tiefer Schnitt, der zum Glück nur noch das letzte Anzeichen von der damaligen Wunde war. Mehrfache Narben zogen sich über meine Haut und auch im Geiste war ich alles andere, als glücklich. Aber in gewisser Weise hatte ich Glück gehabt. Durch die Lähmung hatte ich die Schmerzen nie zu spüren bekommen. Alle anderen in diesem Lazarett hatten viel schlimmeres durchmachen müssen. Doch nun war es eh zu spät. Sie waren tot. Und doch, so sehr ich es auch versuchte, die Erinnerungen, verschwommene Momente meines Aufenthalt dort gingen mir nicht mehr aus dem Kopf.

Schnell stand ich auf und zog mir einen bequemen Wollpulli über. Er war mir viel zu groß und reichte mir fast bis zu den Oberschenkeln, doch es war das einzige, das mich nicht an meine dünne, zerschlissene Kleidung von damals erinnerte.

Ich seufzte auf und stellte mich vor den Spiegel, um mir einen Zopf zu binden. Mein Gegenüber im Spiegel sah ziemlich mitgenommen aus. Tiefe Augenringe prangten unter den einst einmal strahlenden Augen. Doch nun war mein Blick war stumpf und abweisend und meine Wangen wirkten eingefallen. Ich sah fast schon aus wie ein lebender Toter.

Ancore of BetrayalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt