Kapitel 71

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Jaydens PoV

Holz zersplittert unter meinen Fäusten, das Klirren von zerbrechendem Glas erfüllt den kühlen Raum und Scherben zieren nun den Boden. Und obwohl ich mit einer Genugtuung, wenigstens einer leichten Befriedigung rechne, so befeuert es meine Aggressionen, meine Wut -Wut auf sie, weil sie gegangen ist, ohne sich gegen meine Worte zu wehren, ohne Trauer geschweige denn irgendeine Gefühlsreaktion zu zeigen; doch vielmehr Wut auf mich selbst, weil ich sie weggeschickt habe. Allein der Gedanke daran, dass sie nun fort ist, lässt mich rot sehen und ehe ich mich versehe, zersplittert erneut eine teure und antike Vase an der Wand.

Ich hole aus, schlage gegen die Steinwand; immer und immer wieder, bis meine Knochen knirschen, heißes Blut meine Haut besudelt und mir Tränen -zwar nicht aufgrund des Schmerzes, vielmehr aus Wut und der Trauer- die Wangen hinunterlaufen. ,,Fuck.", schreiend ziehe ich jenes Wort in die Länge, presse meine Augenlieder so fest aufeinander, sodass ich eigentlich hätte Sternchen sehen müssen, stattdessen erscheint Lif vor meinem inneren Auge.

Ich taumele zurück, fahre mir mit meinen blutigen Händen durch meine zerzausten Haare. Sie soll zurück kommen, hätte ich am liebsten gebrüllt; verdammt, diese Worte brennen sogar schon in meiner Kehle, doch ich verkneife sie mir, obwohl ich dabei das Gefühl habe zu sterben. Wahrscheinlich wäre sterben an dieser Stelle noch eine Erlösung.

Es ist zu ihrem Besten, rede ich mir ein. Zu ihrem Besten. Zu ihrem Besten. Zu ihrem Besten. Dieser Satz wiederholt sich in meinem Kopf, in meinem Gedanken, doch ich schaffe es nicht daran zu glauben, es zu glauben. Ich lehne mich gegen die kühle Zimmerwand, eine Gänsehaut hat sich auf meinem Körper ausgebreitet -doch ich bezweifle, dass es an der Kälte im Raum, vielmehr an der Kälte in meinem Herzen liegt- und lehne meinen Hinterkopf gegen jene Wand.

Ein immer wieder kehrendes dummpfes Klopfen hallt durch den Raum und ich brauche eine Weile, um zu realisieren, dass ich dieses Klopfen auslöse, indem ich meinem Hinterkopf immer wieder gegen die Wand haue. Der leichte Schmerz, der dadurch entsteht, ist nur ein Bruchteil verglichen mit dem, was in meinem Inneren tobt.

Ich schließe meine Augen, konzentriere mich auf sie -ihr Lächeln, ihr Lachen, ihre Sprüche, das Funkeln in ihren Augen, ihre bloße Anwesenheit, dass sie mich versteht-, doch es erweist sich als Fehler, denn mein Herz zieht sich erneut schmerzhaft zusammen.

Meine Fingernägel bohren sich in meine Handflächen, jagen an dieser Stelle Schmerzen durch meine Adern, doch jene Schmerzen verklingen viel zu schnell, als dass sie mich hätten ablenken können. Ein lauter, wilder Schrei bahnt sich meine Kehle empor, doch als ich meinen Mund öffne und somit meinen Gefühlen Ausdruck verleihen und meinem Zorn ein Ventil bieten will, entkommt meinen Lippen nur ein leises Schluchtzen. Ich kneife meine Augenlieder zusammen, weshalb sich eine kleine, einzelne Träne aus meinem Augenwinkel löst und über meine Wange läuft. Dieses Gefühl ist so befremdent; ich kann mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal aus Trauer und Verzweiflung geweint habe. Selbst als ich erfahren habe, dass Camila tot ist, weil sie von ihrem eigenen Mate umgebracht wurde, habe ich nicht geweint. Ich hatte einen unfassbaren Zorn in mir gespürt; einen Zorn, weil ich Camila nicht hatte retten können, weil ich ihr gesagt hatte, sie solle sich Jordan öffnen. Als ich schließlich erfahren hatte, dass Jordan -der, den ich verteidigt habe und den ich als guten Mann empfunden habe- meine Schwester umgebracht hat, wollte ich einfach alles um mich herum zerstören. Mich hatte in dieser Sekunde eine immense Energie befallen, hat mich dazu beflügelt wild um mich zu schlagen, doch jetzt fühle ich mich leer. Wie der größte Waschlappen will ich mich verkriechen, will bei ihr -meiner Mate- sein und ihre Arme um mich spüren, ihre sanfte Stimme hören, die mich beruhigt.

Die Tür schlägt auf, prasselt krachend gegen die dahinter liegende Wand. Das laute Geräusch hallt in meinem Kopf wieder und hätte mich erschrecken geschweige denn aufsehen lassen sollen, doch ich starre bloß weiter an die weiße Zimmerdecke. Normalerweise hätte ich die Person hören sollen, die die Tür aufgeschlagen hat, als sie durch den langen Flur gelaufen ist, doch ich war mit meinen Gedanken nicht bei der Sache gewesen. Ich bin unaufmerksam, somit angreifbar, weil sie nicht da ist, nicht an meiner Seite steht und mir Beihilfe leistet.

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