𝐷𝑟𝑒𝑎𝑚𝑠

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J.S.

Eine sanfte, morgendliche Windbriese wiegt die weißen Rosen im königlichen Schlossgarten.

Kleine Bienen summen friedlich ihr Arbeitslied, während sie von Blüte zu Blüte fliegen, um die biegsamen Weiten der Blätter zu erobern.

"Das Mädchen aus Lux hat mir sehr an deiner Seite gefallen.", die silberne Königin wischt sich elegant mit der seidenen Serviette über ihre rosigen Lippen, "Oder der stattliche Bursche aus Enkos.", sie schenkt ihrem Sohn ein warmes Lächeln.

Sie spricht vermutlich von Rose und Laurent.

Der Prinz legt das Silberbesteck auf seinem Teller ab und lässt den Blick durch den blühenden Garten schweifen, der nach und nach von dem goldenen Sonnenaufgang wachgeküsst wird.

Es ist fast schon, als hätte Jeon gänzlich vergessen, wie es war, mit all den restlichen Kandidaten zu tanzen; so deutlich sieht er noch immer diese charismatischen, großen Augen und vollen Lippen des Betas aus Zyan in seiner Erinnerung.

In seinen Träumen hat er die ganze Nacht weitergetanzt, den wunderschönen Kim Val in seinen Armen.

Dabei weiß ich kaum etwas über ihn- ich sollte Val wohl nicht an erster Stelle stehen lassen, bevor ich die Kandidaten nicht alle näher kennengelernt habe.

Bevor er jedoch zu Wort kommt, schaltet sich seine Großmutter ein, die ihm am Tisch auf der breiten Terasse des Schlossgartens gegenüber sitzt:

"Was zählt ist nicht, wie sie gemeinsam ausgesehen haben...", teilt sie ihnen im tiefen, belehrenden Ton mit und pieckt mit der silbernen Gabel nach der letzten Erdbeere auf dem Obstteller.

"...sondern wie es sich in deinem Herzen angefühlt hat.", erklärt sie und ihre verschleierten, silbernen Augen starren hinaus in's Leere, als die Gabel von der roten Frucht abrutscht.

Die Erdbeere flutscht schwungvoll vom Teller und landet geradewegs im Schoß der Königin, um einen tiefroten Fleck auf dem teuren Saum ihres weißen Kleides zu hinterlassen.

"Oh, Mutter-!", sie erhebt sich augenrollend vom Tisch, "Entschuldigt mich, ich kümmere mich besser sofort darum."

Die Mutter der Königin ist bereits seit vielen Jahren blind, doch Prinz Jeon hat keinen Zweifel daran, dass sie insgeheim weitaus mehr sehen kann, als jeder andere hier im Weißen Palast.

Sobald die Königin außer Sichtweite ist, bildet sich ein verschmitztes Lächeln um die schmalen Lippen seiner Großmutter, und diese beugt sich ein Stück nach vorn, die silberne Gabel in das verdutzte Gesicht des Prinzen gerichtet:

"Versuche zu verstehen; deine Mutter muss bei der Suche nach dem richtigen Beta auch an die Zukunft von Aryan denken. Das ist nunmal ihre Pflicht als Königin.", Großmutter Varia legt ihre zittrige Hand auf die des Prinzen:

"Aber halte deine Augen ebenso offen für jemanden, der nicht nur den besten König, sondern auch den besten Menschen aus dir herausholt."

Prinz Jeon studiert den liebevollen Ausdruck auf ihrem blassen, faltigen Gesicht und schluckt schwer.

Ihr silbergraues Haar wird von glänzenden, weißen Strähnen durchzogen und reicht ihr bis zu ihren knochigen Schultern, die mit apricotfarbenem Samt bedeckt sind.

"Wie meinst du das...wie es sich in meinem Herzen angefühlt hat?", fragt er sie mit seiner weichen Stimme und seine großen Rehaugen glänzen erwartungsvoll.

Die Morgensonne bestrahlt die goldenen Alpha-Sprenkel im hellen Braun seiner Iris und verleiht ihm einen königlichen Anblick, während das dunkelbraune Haar schwungvoll in seine blasse, gerunzelte Stirn fällt.

Secrets of SilverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt