𝑊𝑖𝑠ℎ𝑒𝑠 𝑜𝑓 𝐷𝑎𝑖𝑠𝑦

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V.

"Spaziergang gefällig?"

Es liegt eine undefinierbare Spannung auf dem blassen Gesicht des Darklanders; sie füllt seine dunklen Augen mit einem mysteriösen Funkeln und zieht seine schmalen Lippen kaum merklich nach oben.

Vereinzelte, dünne Strähnen seiner hochgegelten, pechschwarzen Haare fallen ihm in die Stirn und berühren seine Augenbrauen, die erwartungsvoll nach oben gezogen sind.

Wieso ist er hier?

Der junge Omega steht noch immer in der offenen Tür zu seinem Schlafgemach, die neugierigen Augen weit aufgerissen und das weiße, erdbeerbefleckte Hemd schlapp an seinem kurvigen Körper.

Ein tiefes Rot unterstreicht seine glänzenden Augen, fast wie ein Lidschatten, den Verzweiflung und Trauer ihm auf sein Gesicht gepinselt haben.

Seine Tränen sind noch nicht vollständig getrocknet und verleihen seinen goldenen Wangen ein silbriges Schimmern, das im einfallenden Tageslicht umso stärker leuchtet.

"Du hast geweint.", stellt der Darklander fest und kneift seine Augen ein Stück zusammen. Ohne seine Antwort abzuwarten, streckt er eine Hand nach Val aus, wobei der Ärmel seiner dunkelgrauen Bluse wenige Zentimeter zurückrutscht und lederne, schwarze Armbänder um sein Handgelenk preisgibt.

Die Berührung ist unerwartet sanft, als seine Fingerspitzen über Val's tränenfeuchte Wange streichen, und der Omega blinzelt überrascht.

"Dann brauchst du erst recht frische Luft.", stellt der Darklander fest und seine katzenartigen Augen zucken flüchtig über das zerknitterte Hemd, das mit zahlreichen, roten Saftflecken übersäht ist.

"Willst du dich vorher umziehen?"

Ein stilles Schmunzeln schleicht sich auf die Lippen des Omegas, und Val schüttelt energisch mit dem Kopf.

Der rechte Mundwinkel des Darklanders zieht sich amüsiert nach oben:

"Nun gut.", seufzt dieser und bedeutet Val mit einem knappen Kopfnicken, ihm zu folgen.

Val wischt sich noch ein letztes Mal mit seinem übergroßen Ärmel die Tränen aus dem Gesicht, bevor er die Tür hinter sich zufallen lässt und der dunklen Gestalt des Darklanders durch den weißen Palast folgt.

Seine Augen heften gedankenverloren auf dem Boden, als die tiefe Stimme des Darklanders von den Wänden wiederhallt:

"Sie können einsam sein, diese Mauern."

Der Omega hebt erneut den Kopf und beobachtet, wie seine schmale Hand über das weiße Gestein der Wand gleitet, "Ich weiß, wie es ist, sich unwillkommen zu fühlen.", er verschränkt die Arme auf dem Rücken und wirft einen Blick auf den vermeintlichen Beta zurück.

Val schluckt schwer, ehe dieser seine Schritte beschleunigt, um an der Seite des Darklanders die Treppen hinabzusteigen.

"Bist du deshalb zu mir gekommen?", will er wissen und senkt kaum bewusst wieder den Blick, als sie die riesigen Gemälde der Königsfamilie passieren.

"Ich löse gerne Rätsel.", gibt der Darklander zu, "Und du bist ganz sicher eines."

Sie erreichen gerade die riesige Eingangshalle, als Val aprubt stehen bleibt. Die langen Ärmel seines Hemdes verdecken glücklicherweise, wie sich seine Hände zu Fäusten ballen und die Augenbrauen unter seinen silbernen Haaren bilden tiefe Falten.

"Du traust mir nicht.", stellt der Omega fest.

Die ledernen, schwarzen Stiefel des Darklanders halten ebenfalls inne. Ihre Körper spiegeln sich auf dem weißen Marmorboden der königlichen Halle.

Secrets of SilverWo Geschichten leben. Entdecke jetzt